Der Baywatch-Irrtum

Das Fernsehen hat uns eine völlig falsche Vorstellung gegeben, wie sich Ertrinkende verhalten. Entgegen der weitverbreiteten Meinung winken und rufen sie nur selten.

Weitverbreiteter Irrtum: Ertrinkende veranstalten kein fernsehreifes Drama. (Bild: Anthony Bertschi)

Weit draussen im Meer: jemand winkt heftig mit beiden Armen und ruft dabei so panisch und laut um Hilfe, dass es jeder am Ufer hört. Klarer Fall: da muss man retten. Sofort sprintet eine Nixe in Rot den Wellen entgegen, schwimmt schleunigst zum Opfer und schleppt es ins Trockene. 
So einfach wie bei Baywatch oder sonst im Fernsehen verläuft eine Rettung in der Realität kaum. Die Schwierigkeiten beginnen weit vor dem Sprung ins Wasser. Oft sind wir gar nicht in der Lage, die Not des Ertrinkenden überhaupt zu erkennen. Aus Sicht unserer fernsehgeprägten Vorstellung verhält sich der Ertrinkende oft völlig falsch: er winkt nicht, er ruft nicht.

Ertrinken geschieht oft lautlos

Dass der Ertrinkende nicht in jeder Situation auf sich aufmerksam machen kann, ist unter anderem seinem Körper verschuldet. Dieser sichert sich zuerst seine Luftzufuhr, bevor er die Stimme einschaltet. Wer um Luft ringt, kann unmöglich dazu noch rufen. Auch mit den Händen und Armen hat er Wichtigeres zu tun, als den Leuten am Ufer zu winken, wenn das Wasser bereits über dem Hals steht. Ein Instinkt zwingt ihn in solch misslicher Lage dazu, die Arme seitlich auszustrecken und mit einer Ruderbewebung den Körper nach oben zu drücken. Sein lautloses Drama kann deshalb seinen Zuschauern entgehen, selbst wenn diese den Ertrinkenden bestens sehen können.

Prisca Wolfensberger kennt das Problem: «Es ist nicht immer leicht, einen Ertrinkenden zu erkennen», sagt die Mediensprecherin von der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG). Insbesondere Kinder entsprechen nicht dem geläufigen Bild. «Sie strampeln nicht und rufen nicht. Ausserdem sinken sie so schnell ab wie ein Stein», erklärt Wolfensberger. Wenn Erwachsene keine Hilfezeichen geben, liegt es oft daran, dass sie einen Kreislaufzusammenbruch erlitten haben. Diesen bemerken sie nicht im Vorhinein und können daher keine Hilfezeichen geben. 

Lieber auf Nummer sicher gehen

Es gibt laut Wolfensberger aber auch gut erkennbare Fälle. Zum Beispiel, wenn jemand in einem Fluss vom Wasser gegen ein Hindernis gedrückt wird oder zwar schwimmt, aber es nicht mehr aus der Strömung heraus schafft. Oder es macht einer tatsächlich auf sich aufmerksam, bevor ihn sämtliche Kräfte verlassen. Wenn jemand winkt und ruft, heisst das folglich nicht, dass er bloss scherzt und keine Probleme hat. «In unklaren Fällen fragt man eine auffällige Person am besten einfach, ob sie Hilfe benötigt», rät Wolfensberger grundsätzlich. Erfolgt keine Reaktion, sollte man aktiv werden. Mindestens alarmieren ist angebracht (mehr dazu in der Box). 

In der Schweiz sterben durchschnittlich 50 Personen pro Jahr durch Wasserunfälle. Fast die Hälfte der Opfer ertrinkt in Flüssen. Statistisch betrachtet, geschieht in Basel allerdings relativ wenig. Nicht, weil der Rhein besonders ungefährlich wäre oder die Basler besonders gut schwimmen könnten. In der Statistik macht sich vielmehr bemerkbar, in welchem Kanton besonders viele Menschen baden gehen. Da Zürich besonders viele Gewässer und Einwohner hat, ertrinken dort statistisch am meisten Menschen. Letztes Jahr waren es 10 Personen. Wo es im Rhein oder auch in anderen Schweizer Gewässern gefährliche Stellen gibt, hat die SLRG auf einer elektronischen Schweizerkarte dargestellt. 

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