Der Belchen hat eine dritte Röhre

Der Durchstich des Sanierungstunnels Belchen ist erfolgt – drei Monate früher als geplant. Und das trotz jeder Menge Hürden. Die Freude an der Durchstichs-Feier am Mittwochnachmittag war entsprechend gross.

Der Durchstich des Sanierungstunnels Belchen ist erfolgt – drei Monate früher als geplant. Und das trotz jeder Menge Hürden. Die Freude an der Durchstichs-Feier am Mittwochnachmittag war entsprechend gross.

Der Musikverein Eptingen schmettert die Fuchsgraben-Polka unter gleissender Sonne, Heimspiel. Trotzdem tun einem die Musiker etwas leid mit ihren krawattengeschnürten Hälsen und angesichts der Tatsache, dass hier alle nur auf den Moment warten, wenn die Instrumente verstummen. Dann durchsticht nämlich die grösste Tunnelbohrmaschine, die in der Schweiz je im Einsatz stand, den letzten Meter Gestein, um den Weg frei zu machen für den Sanierungstunnel Belchen.

Die dritte Röhre – Kostenfaktor: 500 Millionen Franken – soll jene Staus verhindern, die bei der dringend nötigen Sanierung der bestehenden Tunnels entstehen würden. Eine halbe Milliarde Franken für den Bau einer dritten Tunnelröhre durch einen Berg, der langfristig nur zwei braucht, komme die Eidgenossenschaft günstiger zu stehen als der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Staus aufgrund von Sperrungen entstünde, rechnet das Bundesamt für Strassen vor.




(Bild: Hans-Joerg Walter)

Doch darum ging es heute Nachmittag nicht. Überhaupt sind die Kosten, wenn es um Feierlichkeiten im Rahmen von Tunnelbauten geht, zweitrangig. Es ist viel Symbolik im Spiel, Tunnelbau und Schweiz gehören untrennbar zusammen. Darum hielten sich die Redner anlässlich dieser Durchstichs-Feier auch nicht zurück mit Superlativen.

Dennoch galt der Ruhm den wahren Protagonisten: den Mineuren und der S-947, diesem Ungetüm von einer Bohrmaschine, das 75 Meter in der Länge misst und 2000 Tonnen auf die Waage bringt. Und während die Gästeschar in der glühenden Sonne wartet, gibt Baustellenleiter Sergio Massignani das Kommando, das Ungetüm anzuwerfen und den letzten Meter Gestein zu zermalmen. Eine Minute später dröhnt und donnert der Belchen, der Boden erbebt. Dann ist es so weit: Nach 3177 Metern durchsticht der Bohrschild das Nordportal, drei Monate zu früh und also bestens im Budget.




(Bild: Hans-Joerg Walter)

Zahllose Mineure, sie alle haben über anderthalb Jahre am Mammutprojekt mitgearbeitet, halten ihre Smartphones gebannt auf den bröckelnden Stein, Jubel brandet auf, die Gäste klatschen, Schulterklopfen, allgemeines Strahlen – und das «Baselbieter Lied» erklingt aus den Instrumenten des Musikvereins Eptingen.

Durch eine Öffnung im Schild steigen sie schliesslich heraus, die orangegewandeten Mitarbeiter der letzten Bohrschicht, allen voran Maschinenführer Bruno Ollio, in der Hand die heilige Barbara. Er wird sie auch später in den Händen halten, während sich die Medien auf ihn stürzen, um ihn nach seiner Gefühlslage zu fragen. Geduldig gibt er Auskunft, ergriffen vom Augenblick. Stolz sei er, erzählt Bruno Ollio, und ein grossartiger, ein bedeutender Moment sei das hier, unvergesslich und unglaublich gleichermassen.




(Bild: Hans-Joerg Walter)

Sergio Massignani, der Baustellenleiter, der in Liestal aufwuchs und heute in Lausen wohnt, spricht von einem geologischen Hürdenlauf und einer logistischen Herkulesaufgabe, die man hier gemeistert habe. Am Ende gibt es eine Punktlandung, die Differenz beträgt keine fünf Zentimeter. Vor allem aber ehrt er seine Mitarbeiter. Darum begrüsst Massignani jeden Mineur, der durch den Bohrschild ans Tageslicht kriecht, per Handschlag. Um sie geht es aus seiner Sicht, sie stehen im Mittelpunkt. Sie – und ihre Unversehrtheit.

Nun folgt der Ausbau des Tunnels, die Sicherheitsinstallationen, elf Querverbindungen zu den bestehenden Röhren, Leitungen, der Strassenbau. Die Inbetriebnahme ist fürs Jahr 2021 geplant. Bis dahin wird die S-947, die grösste Bohrmaschine der Schweiz, womöglich schon in einem anderen Berg stehen. Bis es so weit ist, wird sie in Balsthal zwischengelagert. Kommende Woche beginnt die Demontage.

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