Der Biber wird mutig

In Böckten ist vergangene Woche ein Biber gesichtet worden. Zu früh für die Jahreszeit – eine gefährliche Tendenz.

Diese ständige Beschäf­tigung mit Stil- und Benimmfragen selbst erscheint mir ausserordentlich bünzlig. (Bild: Nils Fisch)

Der Biber war fast ausgestorben. Nur dank dem Einsatz von Naturschützern nagt er seit 2004 wieder in unseren Wäldern. «Der Biber hat das Oberbaselbiet erreicht», frohlockte nun diese Woche Pro Natura Baselland. Dass Biber bereits jetzt nach einem neuen Revier suchten, sei etwas ungewöhnlich. Normalerweise verliessen Jungtiere erst im Mai den elterlichen Damm, schrieben die Biberfreunde weiter und vermuteten, dass es ein «etwas frühreifer» Nager sei. Ja, frühreif – und lebensmüde!

Seine Vorfahren wussten genau, warum sie erst weit nach Ostern den schützenden Damm verliessen. Nicht wütende Bauern und Forstarbeiter alleine rotteten den Biber beinahe aus, sondern auch hungrige Katholiken. Biber galt noch vor 100 Jahren als typisches Fastenessen – der Schwanz gar als Delikatesse. «Man schuppt den Schwanz ab, kocht ihn in Essig, Wasser und etwas Salz weich und wendet ihn alsdann in zerquirltem Eigelb und geriebenem Zwieback.» So das Rezept von 1898. Wie es weitergeht, können sich Freunde des Wiener Schnitzels vorstellen.

«Biber, Dachs, Otter – alles genug.»

Beschluss des Konstanzer Konzils

Aber warum Biber? Für die Katholiken bedeutete Fasten: kein Fleisch, keine Eier und keinen Alkohol. Nur ungern verzichteten die Gläubigen aber auf sämtliche Genüsse. So wurden die Klerikalen früh kreativ bei der Auslegung von «Fleisch». Das Konstanzer Konzil beschloss: «Biber, Dachs, Otter – alles genug.» Gerade der Biber lebe mehrheitlich im Wasser, folglich mehr Fisch als Fleisch – so die findige Begründung.

«Ganz Fisch»

Der Jesuitenpater Charlevoix sagte 1754 über den Biber: «Bezüglich des Schwanzes ist er ganz Fisch, und er ist als solcher gerichtlich erklärt durch die Medizinische Fakultät in Paris, und im Verfolg dieser Erklärung hat die Theologische Fakultät entschieden, dass das Fleisch während der Fastenzeit gegessen werden darf.»

Heute steht der Nager unter Schutz, die Population erholt sich. Dies schützt ihn aber nicht vor dem Ende im Topf. Im deutschen Neuburg erhalten sogenannte Biberberater, die amtlich abgesegnet der dort entstandenen Überpopulation mit dem Gewehr zu Leibe rücken, als Anerkennung für ihre Arbeit die geschossenen Tiere. Deshalb, lieber Biber: Bleib auf der Hut – die Gourmets kommen.

Biber-Rezept aus dem «Regensburger Kochbuch» von Marie Schandri via den Blog «Kulinarsche Zeitreisen»:

«Man zerlegt den Biber in kleine Stückchen, gibt Schmalz in eine Kasserolle, klein geschnittene Zwiebeln und Citronenschalen, gibt das Fleisch darauf und dämpft es weich, wobei man öfter Essig und Erbsenbrühe, zuletzt auch etwas Mehl, fein geschnittene Sardellen und ein Glas Wein dazu gibt. Die Brühe muß kurz einkochen.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.04.13

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