Der Ein-Macho-Betrieb

René Mägli hat nichts gegen Männer. Der MSC-Chef arbeitet einfach nicht gern mit ihnen – sie sind ihm zu machtorientiert. Nun hat ausgerechnet er selbst einen Machtkampf mit der Stadt angefangen.

Der MSC-Chef und seine Ladys: René Mägli stellt nur Frauen ein. «Ihnen geht es um die Sache, Männern um Macht.» (Bild: Alexander Preobrajenski)

René Mägli hat nichts gegen Männer. Der MSC-Chef arbeitet einfach nicht gern mit ihnen – sie sind ihm zu machtorientiert. Nun hat ausgerechnet er selbst einen Machtkampf mit der Stadt angefangen.

Es ist, als ob man einer Wiederholung zusehe, wenn die Türe aufgeht und René Mägli zum Interview Platz nimmt – man hat alles schon gesehen: seine Lesebrille an der Goldkette, die goldenen Knöpfe mit dem Anker-Relief an seinem Kapitänsanzug, das Modell eines Tankers an der Wand, die Dame mit dem Afro-Schopf, die den Kaffee bringt. Russische, amerikanische, vor allem aber deutsche Journalisten haben jedes Detail schon beschrieben von Mäglis Sitzungszimmer und seinen Ladys, wie er die rund 120 Mitarbeiterinnen seiner Frachtschifffahrt-Agentur nennt. Der Chef der Schweizer Niederlassung der Mediterranean Shipping Company (MSC) ist ein Medienstar, weil er nur Frauen einstellt. Jetzt sitzt er da, die Arme vor dem Körper verschränkt und wartet. Er wartet auf die eine Frage, die immer wiederkehrende Frage: Warum stellen Sie nur Frauen ein?

Es gäbe zahlreiche andere Themen, über die man mit Mägli sprechen könnte: die Piraterie auf hoher See, den Rohstoff-Welthandel, das Abwracken von ausgedienten Schiffen durch Arbeitssklaven in Indien oder gar das Versenken von Schiffen samt giftiger Ladung im Meer. Der 62-Jährige spricht lieber über Angenehmeres – Frauen. Sein Lieblingsthema. Falls er nicht darauf angesprochen wird, erzählt er von sich aus davon – präzis, wohlüberlegt und druckreif. Die Kernaussage: «Frauen geht es um die Sache, Männern um Macht.»

Nun hat Mägli aber in den vergangenen Wochen genau das getan, was er den Männern vorwirft: Er hat sich auf einen Machtkampf eingelassen. Er droht, sein Unternehmen ins Baselbiet zu verlegen, weil die Stadtbildkommisson von Basel ihm verbietet, eine Flagge an die Fassade des Geschäftssitzes in der Steinentorstrasse zu hängen.

Zu einer Reederei gehöre eine Fahne, sagt Mägli und denkt nicht ans Nachgeben. Selbst der persönliche Besuch von Baudirektor Hans-Peter Wessels und Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin hat ihn bisher nicht umgestimmt. Ausgerechnet er ist in das «Macho­gehabe» verfallen, dass er sonst so gerne kritisiert. Und sieht sich plötzlich mit einer ganz anderen Frage konfrontiert: Würde eine Frau an der Spitze des Unternehmens etwa gleich handeln?

Mehr Waren, weniger Zeit

Immerhin geht es beim Unternehmen nicht um irgendeine kleine Bude. Die Frachtschifffahrt-Branche wächst seit Jahren: immer mehr Waren, immer grössere Schiffe und immer weniger Zeit. Innerhalb dieses gigantischen Businesses ist die MSC die Nummer zwei, hinter der dänischen Mærsk Line. 45 000 Mitarbeiter rund um den Globus, 450 Schiffe und Umsatzzahlen, die «immens» sind, sagt Mägli und lächelt. So gern er Auskunft über Frauen gibt, so ungern redet Mägli über Kennzahlen. Vor allem, wenn sie seine Agentur betreffen.

Das MSC-Büro in Basel ist die grösste Binnenlandagentur des Unternehmens. Über die kleine Schweiz läuft ein erheblicher Teil des Rohstoffhandels weltweit. Von den zehn umsatzstärk­s-ten Firmen in der Schweiz sind vier Rohstoffunternehmen, alleine Glencore hat 2011 einen Umsatz von über 150 Milliarden US-Dollar erzielt. Die Rohstoffriesen profitieren von den tiefen Steuern und der Diskretion in der Schweiz, die MSC von den Riesen. Ein Grund, warum wohl auch der MSC-Hauptsitz in Genf ist.

«Ich wäre ein guter Schauspieler»

Für Mägli läuft das Geschäft so gut, dass seine Agentur seit kurzer Zeit einen eigenen Güterzug hat. Zweimal in der Woche verkehrt dieser zwischen Basel und Antwerpen. Hinzu kommen zahlreiche Grosskunden aus dem Ausland, die von Basel aus betreut werden. «Eine Ausnahme», sagt Mägli und schiebt stolz hinterher: «Weil meine Ladys hier die besten Dienstleistungen anbieten.»

Der Stolz ist beinahe fassbar beim 62-Jährigen. Mägli will nichts von sich preisgeben und tut es auch nicht. Jedes Wort wägt er ab, jede Bewegung wirkt kontrolliert. Darauf angesprochen, sagt er: «Ich wäre ein guter Schauspieler.» Und lächelt – nicht zu viel, nicht zu wenig. Er lebe drei Rollen: «Eine im Büro mit den Mitarbeiterinnen, eine mit Kunden und eine im Privatleben.»

Über Privates spricht er noch weniger als über Zahlen. Er hat ein Kind und eine Lebensgefährtin. Hat Hobbys, mag darüber aber nicht reden. Nur eines verrät er: Er ist fasziniert von Körpersprache. Er kontrolliert nicht nur den eigenen Körper, sondern setzt sich manchmal am Mittag an den Barfüsserplatz und analysiert die vorbei­spazierenden Menschen. «Ich mag es zu sehen, was die Leute verbergen wollen.»

Eine Serie von fünf Unfällen

Verbergen würde auch die Reederei vieles gerne. Die Kreuzschifffahrt hat spätestens seit dem Untergang der Costa Concordia im Januar 2012 und dem Tod von 32 Passagieren ein Imageproblem. Die Frachtschifffahrt hat gleich zwei Probleme: Ozeanriesen, die Leck schlagen oder gleich untergehen; und ausgediente Schiffe, die entsorgt werden müssen. Kein Wunder, wäre es auch der MSC am liebsten, man würde nur über Mäglis reine Frauenagentur berichten statt über die Serie von fünf Unfällen seit 2005 beim Unternehmen. Zuletzt havarierte die MSC Rena vor Neuseeland und stürzte das Land in die grösste Umweltkatastrophe der Geschichte.

Mägli will sich dazu nicht äussern. Seine Agentur sei nicht für die Schiffe zuständig, sondern Hauptsitz. Das Frachtschiffbusiness sei zudem kompliziert. Die MSC Rena sei – wie rund die Hälfte der Schiffe des Unternehmens – gechartert gewesen. Die Verantwortung habe deshalb bei der Reederei Costamare gelegen und nicht bei der MSC, sagt Mägli knapp und beendet das Thema.

Man kennt die Argumente der Reeder auch so. Egal, ob es um das Abwracken von ausgedienten Frachtern durch Arbeitssklaven in Indien geht oder um Schiffe, die samt giftiger Ladung im Meer versenkt wurden. Die Reeder argumentieren alle immer gleich: einerseits, dass nur gecharterte Schiffe Probleme machen. Andererseits, dass die Arbeitsbedingungen in Indien zwar nicht unproblematisch seien, es leider dazu aber keine Alternative gebe. Um aber ganz sicher zu gehen, dass sie nicht die Verantwortung tragen müssen, verkaufen Reedereien ihre Schiffe nicht direkt an die Verschrotter, sondern in der Regel an Mittelsmänner.

Das starke Geschlecht ist schwach im Business

Mägli bringen auch solche Schilderungen nicht aus seiner Rolle. Er weiss, dass er mit seinem Frauen-Betrieb eine Aufmerksamkeit erhält, die das Image des gesamten Unternehmens aufpoliert. Mägli zu unterstellen, dass die Einstellungsphilosphie reine Image-Kampagne sei, wäre wohl zu hart. «In unserer Branche», sagt er und lehnt sich in seinem Stuhl vor, «müssen sich die Angestellten in den Kunden hineinfühlen.»

Männern traut Mägli das in der hektischen Branche der Frachtschifffahrt nicht zu. Das starke Geschlecht sei im Dienstleistungsbusiness schwach, findet er. «Und genau das», sagt Mägli, «ist der Grund, warum ich auf Frauen setze.»
Er zitiert gerne eine amerikanische Studie, die belegt, dass in Dienstleistungsunternehmen mit steigendem Frauenanteil in der Belegschaft auch der Umsatz steige. Seine Agentur ist wohl ein guter Beweis dafür. Das Auftragsvolumen steigt jährlich zwischen 20 bis 25 Prozent. Mägli hasst Männer nicht, er versteht sich auch nicht als Förderer der Frauen, wie ihm oft unterstellt wird. «Mir geht es nur um die beste Dienstleistung und den Erfolg.»

Im Fahnenstreit hat er das Erfolgsmodell allerdings vergessen. Er argumentiert klassisch männlich: Es geht um Tradition, Ehre und Stolz. Mägli fühlt sich verletzt durch den negativen Entscheid der Stadtbildkommission. «Es ist ein typisches Beispiel für einen männlichen Machtkampf», sagt er selbst, sieht den Fehler aber nicht bei sich: «Ich habe meine Ladys gefragt, und sie unterstützen mich.» Hätte auch bei der Stadt eine Frau das Sagen, so hätte sie wohl anders entschieden. «Sie hätte sich», sagt Mägli, «besser in die Situation eingefühlt.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.05.12

Nächster Artikel