Die katholische Kirche kämpft zusammen mit Gewerkschaften gegen die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten. «Wir setzen uns ein, weil uns die Menschen am Herzen liegen», sagt Abt Martin Werlen, «und natürlich auch, weil die Leute am Sonntag am Gottesdienst teilnehmen können sollen.»
Herr Abt Werlen, warum kämpft die katholische Kirche zusammen mit linken Parteien und Gewerkschaften gegen längere Ladenöffnungszeiten?
Wir wollen dazu beitragen, dass sich die Menschen eine Meinung bilden können und sehen, was da auf dem Spiel steht. Die Kirche setzt sich für das ein, was wirklich dem Menschen dient.
Und Sie glauben, dass im Abstimmungskampf auch religiöse Argumente eine Rolle spielen werden?
Der Mensch soll ernst genommen werden. Das ist ein Anliegen aller und auch der Religionsgemeinschaften. Wir setzen uns vorab für den freien Sonntag ein, weil uns die Menschen am Herzen liegen. Aber natürlich auch, weil die Leute am Sonntag am Gottesdienst teilnehmen können sollen. Christliche Gottesdienste sind immer noch die grössten Veranstaltungen am Sonntag in unserem Lande.
Kämpfen Sie da nicht gegen einen neuen Trend und damit gegen Windmühlen?
Nein. Wir haben in den letzten Jahren leider erfahren müssen, was passiert, wenn nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt steht, sondern immer mehr die Wirtschaft. Das erleben wir jetzt vor allem mit den Banken, wo die Menschen unter der Wirtschaft leiden – und schliesslich ihre Arbeit verlieren.
Haben Sie auch schon spät Abends im Bahnhof eingekauft?
So weit ich mich erinnern kann, musste ich noch nie ausserhalb der normalen Verkaufszeiten einkaufen – ich brauche das nicht.
Wenn Sie den Kampf gegen die Ausweitung der Verkaufszeiten verlieren würden, was stände dann konkret auf dem Spiel?
Viele Leute hätten immer weniger Zeit für sich und ihre Familien. Bis hin zum Burnout – nicht nur individuell, sondern auch als Gesellschaft. Wer sich nicht mehr gemeinsam erholen kann, der verarmt – als Individuum und als Gesellschaft.
In der Bibel steht, «sechs Tage sollst Du arbeiten und am 7. Tage ruhn». Wie haben es die Christen eigentlich geschafft, dass dieses Gebot fast weltweit Gesetz geworden ist?
Der Sonntag als freier Ruhetag ist eine der ältesten menschlichen Einrichtungen in der Gesellschaft. Es entspricht dem menschlichen Lebensrythmus. In der Bibel kommt der Sonntag mehrmals vor, etwa in der Genesis bei der Erschaffung der Welt. Auch Christus sagte, der Mensch sei nicht für den Sabat da, sondern der Sabat für den Menschen. Ich sage, der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da, sondern die Wirtschaft für den Menschen. Wenn wir das vergessen, hat es verheerende Konsequenzen.
Seit wann gilt denn der Sonntag als Ruhetag?
Als freien Tag hat ihn nicht die Kirche eingeführt, sondern der Staat unter Kaiser Konstantin um 321 nach Christus.
Versuchen Sie mit ihrem Kampf gegen 24-Stunden-Tankstellenshops und Sonntagsverkäufe die Händler und Geschäftemacher zum Tempel raus zu schmeissen, wie dies schon Christus tat?
Nein. Es geht uns nicht darum gegen etwas oder jemanden zu sein, sondern für jemanden. Für die Menschen. Schon seit Längerem engagiert sich die Kirche dabei immer wieder auch politisch.