Sie wollen die Kunsteisbahn Sissach retten, doch der Gemeinderat stellt sich quer: Das Komitee «Eis 13/14» beklagt, dass die Gemeinde eine Hinhalte-Taktik fährt und Informationen vorenthält.
Eigentlich ist es ein juristischer Streit, doch die gesperrte Kunsteisbahn in Sissach ist längst zum Politikum geworden. Der Konflikt zwischen der Gemeinde und der Baufirma PM Mangold AG bildet nur noch die Bühne eines Schauspiels, in dem eine gesamte Gemeinde das Ensemble stellt. Die Hauptrolle hat ein Komitee rund um den EHC-Biel-Trainer Kevin Schläpfer übernommen: Es stemmt sich mit aller Macht gegen das drohende Ende des örtlichen Eishockeyclubs Zunzgen-Sissach, denn ohne Eis kein Hockey – was das Ende für über 100 Junioren und mehrere Aktiv-Mannschaften bedeuten würde.
Die Kunsteisbahn Sissach erhielt 2005 im Rahmen einer Sanierung ein Holzdach. Die Eisanlage ist zu zwei Seiten geöffnet, die Temperatur-Unterschiede zwischen Eis und Klima führen zu Kondenswasserbildung, das von der Holzkonstruktion aufgesaugt wird. Bereits kurz nach der Eröffnung wurde dieses Problem festgestellt.
Wie die «Basellandschaftliche Zeitung» berichtete (nicht online), sah man anfänglich vor allem die Leimstellen als Problem, weshalb die ETH empfahl, den Leim auf seine Wasserlöslichkeit zu prüfen. Was die Empa gemäss bz auch tat und kein Problem sah. Bei den zweijährlichen Baukontrollen durch die Erbauer (PM Mangold AG) wurde das Statikproblem im Frühling 2012 kommuniziert, die Gemeinde wollte daraufhin (gemäss Gemeindepräsident) das Dach stützen. Der erste Schnee sei ihnen aber zuvor gekommen. Festgestellt wurde aber auch, dass Träger auf der Eisfläche nötig wären, was das Ganze unmöglich machte. Die Gemeinde stellt sich seither auf den Standpunkt, dass «wir nicht gekriegt haben, was wir bestellt haben», sagt Präsident Peter Buser.
Die Erbauerfirma wiederum stellt sich auf den Standpunkt, dass sie auf die Gefahr bei Kondenswasserbildung hingewiesen habe und zitierte ein Gemeinderatsprotokoll, in dem die Warnung als «unseriös» abgetan wird und die Lage «als nicht so dramatisch» dargestellt werde. Weil sich die beiden Parteien nicht einigen konnten, entscheidet nun ein Gericht. Weil das Gericht das Dach selbst zur Beweisaufnahme untersuchen lassen muss, sind gemäss Gemeinde keine baulichen Massnahmen daran möglich. Der Betrieb der Eisanlage wurde deshalb bis auf Weiteres eingestellt.
Was aber Schläpfer, Michael Amsler (ehemaliger Präsident des EHC Zunzgen-Sissach und aktueller Trainer der zweiten Mannschaft), Mediator Ruedi Graf und die regionalen Unternehmer Johann Rudolf Gunzenhauser (der für den Gemeinderat kandidiert), Michele Linsalata, Kurt Rytz und sein Sohn Dino bisher erlebten, scheint nur Ablehnung von Seiten des Gemeinderates gewesen zu sein. Wer die Medienunterlagen zur Pressekonferenz vom Mittwochmorgen liest (auf der Rückseite des Artikels), kommt zum Schluss: Die Männer sind nicht nur enttäuscht, sie sind sauer.
Eine Medienkonferenz war eigentlich nicht geplant, aber wie Michael Amsler sagt, sah sich das Komitee dazu genötigt – aus drei Gründen: Erstens müssten sie den Vereinsmitgliedern des EHC mitteilen, dass es zum Saisonstart im Oktober definitiv kein Eis geben werde. Zweitens habe die Gemeinde die Öffentlichkeit nicht richtig informiert und drittens «hat die Gemeinde uns bei jedem unserer Lösungsvorschläge die Türe vor der Nase zugeschlagen», sagt Amsler. «Nach unserer Meinung ist nicht das Problem, dass die Gemeinde keine Lösung finden kann. Sondern, dass sie keine Lösung finden will.»
Baufirma war zu Gespräch bereit
Die Gemeinde betonte bisher immer, dass sie aufgrund «des laufenden Verfahrens» vor Gericht nichts an der Dachkonstruktion verändern dürfe. Gemeindepräsident Peter Buser sagte bereits bei der Gründung des Komitees mit Blick auf die gerichtliche Beweisführung, «dass wir verloren haben, wenn wir das Dach anfassen». Wie Amsler nun an der Medienkonferenz öffentlich machte, hat die Gemeinde Sissach die Beweisführung aber «bis heute noch nicht beantragt».
Die Kritik an der Gemeinde geht aber noch weiter: Selbst der ursprünglich von der Gemeinde geplante und von der Gemeindeversammlung mit einem Kredit von 700’000 Franken abgesegnete Teilrückbau des Daches hätte einen Eisbetrieb nicht vor Dezember 2013 möglich gemacht. Zu spät für den Hockeyverein. «Der Gemeinderat hat an der Gemeindeversammlung beide Punkte anders dargestellt», sagt Amsler.
Und es sind nicht die einzigen Kritikpunkte des Komitees: Amsler und seine Mitstreiter haben ihre Bemühungen und den Kontakt mit dem Gemeinderat minutiös dokumentiert (die Dokumentation ist auf der Rückseite des Artikels zu finden). Der Gemeinderat erlaubte dem Komitee weder Einsichtnahme des vorliegenden Expertenberichtes, noch die Entnahme «kleinster Materialproben» damit ein Zweitgutachten oder eine Alternative für das einsturzgefährdete Dach hätten gesucht werden können. Selbst ein Zweitgutachten des Baselbieter Unternehmers und Holzexperten Christoph Häring von der Häring & Co. AG lehnte der Gemeinderat ab.
Noch viel entscheidender: Das Komitee hatte es geschafft, die PM Mangold AG nochmals zu Gesprächen zu überreden – um eine rasche Wiederinbetriebnahme der Kunsteisbahn zu erzielen. Der Gemeinderat – der bisher beklagte, dass die PM Mangold AG sich nicht aussergerichtlich einigen wolle und die Kunsti damit mitblockiere – lehnte ab.
Gute Lösung, aber nichts dafür getan
Immerhin fand aber eine von drei Lösungsansätzen des Komitees (in der Bildstrecke aufgeführt) Anklang beim Gemeinderat: die Gerüst-Variante. Die Pläne sehen vor, dass das Dach der Eisbahn mit einem Gerüst gestützt würde. Die einzig mögliche Option befand der Gemeinderat, teilte aber gleichzeitig mit, die Idee müsste «an einer nächsten Gemeindeversammlung zum Beschluss vorgelegt» werden. Doch auf dem Programm vom 19. Juni ist die Kunsti kein Thema.
Der Gemeinderat habe es nicht geschafft, das Traktandum rechzeitig aufzunehmen für die Gemeindeversammlung, obwohl die Bitte des Komitees am 7. Juni eingegangen sei, sagt Amsler. Die Sondervorlage hätte spätestens bis am 15. Juni (vier Tage vor Gemeindeversammlung) eintreffen müssen. Aber es kommt für das Komitee noch ernüchternder: Die Bitte um eine ausserordentliche Gemeindeversammlung zwischen dem 12. und 16. August lehnt die Gemeinde ebenfalls ab. «Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund für eine ausserordentliche Gemeindeversammlung im August», antwortet der Gemeinderat gemäss Komitee. Der Todesstoss für eine rechzeitige Inbetriebnahme der Anlage.
Komitee kämpft weiter
«Der Gemeinderat hat die Dringlichkeit nicht erkannt», sagt Amsler, «und er hat es verpasst, mit einem Sondereffort dem Stimmvolk eine mögliche Lösung zu unterbreiten.» Der Gemeinderat, der bisher in der gesamten Geschichte um die Kunsteisbahn keine gute Figur machte, verspielt nun womöglich den letzten Kredit bei der Bevölkerung. Die Kunsti beschäftigt wie kaum ein anderes Thema die Gemeinde, längst hat sich eine Facebook-Gruppe gebildet, in welcher nicht nur Kindheitserinnerungen auf der Kunsti ausgetauscht werden, sondern für einen Fortbestand der Eisbahn gekämpft wird.
Der bisher letzte Eintrag vom Dienstag lässt eine hitzige Debatte erwarten für die Gemeindeversammlung: «Reminder: Morgen ist Gemeindeversammlung in Sissach. An alle Stimmberechtigten: Bitte geht hin und unterstützt die Lösungsvorschläge vom Komitee!» Was wohl geschieht, wenn klar wird, dass die Kunsti Rettung gar nicht erst auf dem Traktandum steht?
So oder so ist sicher: Das Komitee «Eis 13/14» lässt nicht locker. «Wir sammeln ab sofort Unterschriften, um eine ausserordentliche Gemeindeversammlung durchzukriegen», sagt Amsler. 220 Unterschriften sind gefragt, was machbar sein sollte: Allein die Eltern der 100 Junioren, die ohne das Eis nun ihre sportliche Heimat verlieren, reichen schon fast. Eis wird es in Sissach aber selbst bei einem guten Ausgang für das Komitee frühestens im Dezember 2013 geben. Zu spät für den Hockeyverein. Ohne Eis zu Saisonbeginn müssen die ZS-Junioren entweder pausieren oder zu einem anderen Verein. Was das bedeutet, ist in Sissach längst kein Geheimnis mehr: das Ende des EHC Zunzgen-Sissach.
Gemeinderpräsident dementiert vehement
Gemeindpräsident Peter Buser wollte zu den Ausführungen des Komitees nicht «gross Stellung nehmen». Es hätten nicht alle Mitglieder des Gemeinderats die einzelnen Punkte mitbekommen, er wolle erst die Gemeineversammlung von heute Mittwochabend abwarten und sich dann dazu äussern. «Aber einen Vorwurf», sagt Buser, «muss ich vehement dementieren: Es stimmt nicht, dass wir kein Interesse an einer Lösung haben. Wir haben ja einen Lösungsvorschlag gemacht – der auch von der Gemeindeversammlung gutgeheissen worden ist.»
Ob der Bevölkerung der vorgeschlagene Teilrückbau und die Konsequenzen daraus tatsächlich nicht richtig vermittelt wurden, wie Amsler sagt, oder sie weiterhin hinter dem Plan des Gemeinderates steht, wird Peter Buser spätestens an der Gemeindversammlung erfahren. Die Kunsti ist zwar nicht Traktandum, aber am Ende sind Fragen erlaubt. Und er rechne damit, dass die eine oder andere Frage kommen werde. «Eine Diskussion zur Kunsteisbahn ist aber nicht das Ziel und wollen wir auch nicht.»