«Der Generation Y fehlt einfach der Punch»

Befristete Anstellungen und fehlende Perspektiven beim akademischen Nachwuchs: Eine Podiumsdiskussion drehte sich um die Situation des Uni-Mittelbaus. Dabei wurde darüber gestritten, ob die Forderung nach Exzellenz lediglich Ungerechtigkeiten verschleiere.

Befristete Anstellungen und fehlende Perspektiven beim akademischen Nachwuchs: Eine Podiumsdiskussion drehte sich um die Situation des Uni-Mittelbaus. Dabei wurde darüber gestritten, ob die Uni eben kein Kuschelzoo sein kann oder ob die Forderung nach Exzellenz lediglich Ungerechtigkeiten verschleiere.

Das Hangeln von einer befristeten Stelle zur nächsten ist für viele Wissenschaftler die Norm: Prekäre Anstellungsverhältnisse zeichnen den akademischen Mittelbau aus. Dazu gehören unter anderem Assistierende und wissenschaftliche Mitarbeiter der Doktoranden- und Post-Doc-Stufe sowie Privatdozenten. Obschon der Mittelbau eine tragende Säule des Uni-Betriebs darstellt, ist diese Gruppe ausserhalb der Alma Mater selten ein Thema. Die Assistierendenvereinigung der Uni Basel (Avuba) lud daher am Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion ein: «Mit Schwung in eine unsichere Zukunft?». Mit dieser Frage sollten die Aussichten für den akademischen Nachwuchs in der Schweiz erörtert werden.

Der Moderator Basil Bornemann von der Avuba stellte gleich zu Beginn mehrere Probleme in den Raum: Nebst Prekarisierung wird oft auch über die Perspektivenlosigkeit und Abhängigkeit von den Professoren geklagt. Zudem gebe es ein «Real-Madrid-Syndrom». Damit meinte er den Zukauf ausländischer Stars unter Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses. Ist die Uni somit kein fortschrittlicher Arbeitgeber oder jammert der Schweizer Nachwuchs auf hohem Niveau? Diese Frage beantworteten die Diskussionsteilnehmer ganz unterschiedlich.

Familiengründung sollte kein Selektionskriterium sein

Die Ständerätin Anita Fetz (SP) sah Handlungsbedarf beim Mittelbau: «Verglichen mit anderen Ländern ist es zwar ein Jammern auf hohem Niveau, doch das nützt den Betroffenen nichts», meinte die Politikerin. Sie forderte längerfristige Tenure-Track-Stellen, um die man sich bewerben und durchstarten könne. Ansonsten würden sich die Leute vergeblich Hoffnungen machen und Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche haben. «Mit Mitte dreissig sind sonst viele Leute auf eine falsche Art überqualifiziert», sagte Fetz. Auch Christoph Tschumi, Verwaltungsdirektor der Uni Basel, schlug vor, die Weichen für Uni-Karrieren früher zu stellen. Man solle bei den Post-Doc-Stellen stärker selektionieren, damit für die Betreffenden eine Chance für eine Professur grösser werde. Entweder brauche man mehr Geld oder man müsse die Basis künstlich einschränken. 

Der Soziologie-Privatdozent Peter Streckeisen kritisierte die grosse Anzahl an befristeten Anstellungen, die in der Schweiz rekordverdächtige 85 Prozent ausmachen: «An der Uni wird man erst sehr spät erwachsen – auch Leute, die selbst schon Kinder haben, werden noch immer wie Nachwuchs behandelt», meinte er. Auch sei die Uni keineswegs familienfreundlich, was Beschäftigungssicherheit und flexible Karrieremöglichkeiten für Mütter und Väter anbelangt. Der Selektionsmodus auf der Post-Doc-Stufe hätte somit nichts mit Motivation und Berufung zu tun, sondern damit, ob man die Konkurrenzsituation ertrage. «Der Verzicht auf Kinder sollte doch kein Kriterium sein», hielt Streckeisen fest.

Zwischen Gratisarbeit und Exzellenzforderungen

Rudolf Walser, Senior Consultant beim Think Tank Avenir Suisse, war hier anderer Meinung: «Die Kriterien sind international und wir müssen uns danach richten.» Zudem könne man von einem 30-Jährigen erwarten, ihre Fähigkeiten für eine wissenschaftliche Laufbahn selbst einzuschätzen. Auch Brigitte von Rechenberg, Professorin für Veterinärchirurgie an der Uni Zürich, betonte das Leistungsprinzip: «Die Uni ist kein Caritas-Verein», sagte sie. Der «Generation Y» fehle einfach der «Punch», etwas zu tun. Zudem gehe es in der Privatwirtschaft, die sie aus eigener Erfahrung kennt, rauer zu und her. Daher dürfe auch eine Uni-Karriere anspruchsvoll sein: «Exzellenz heisst, über dem Durchschnitt zu sein», meinte von Rechenberg.

Diesen Punkt konnte Peter Streckeisen so nicht stehen lassen: «Der Begriff der Exzellenz zeugt davon, wie unkritisch die Unis gegenüber sich selbst sind», meinte der Soziologe und zeigte sich skeptisch gegenüber den viel gepriesenen Rankings, die das Mass aller Dinge sein sollen. Zudem wies er auf die faktische Gratisarbeit bei vielen Assistenzstellen hin: «Nennen Sie mir einen Wirtschaftssektor, wo es üblich ist, mit einer 50-Prozent-Stelle Vollzeit zu arbeiten», fragte der Soziologe. Brigitte von Rechenberg widersprach: «Wenn wir den Mittelbau ewig halten, verstopfen wir das System.» Auch Mobilität sei unabdingbar für Leute, die eine Uni-Karriere anpeilen. Schliesslich sei die Uni kein «Kuschelverein».

Peter Streckeisen wies diesen Vorwurf zurück: «Der Kuschelzoo hat mit der Realität der Menschen, die gemeint sind, nichts zu tun.» Zudem wolle man damit weismachen, dass Forscher, die angeblich nicht herausragend sind, an den Sitzen kleben. Er plädierte dafür, auch Forscher, die zwischen Stuhl und Bank fallen, nicht einfach auf verlorenem Posten zu lassen. «Exzellent» könnten schliesslich auch Leute sein, die keine Professorenstelle anstreben. Dabei ging er auf einen Vorschlag des Wissenschaftsrats ein, langfristige Stellen für Leute, die keine Professur anstreben, zu schaffen.

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Sind Sie an der Uni angestellt? Wie nehmen Sie Ihre persönliche Arbeitssituation wahr? Wir würden diese Diskussion gerne in der Kommentarspalte weiterführen.

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