Der James Bond der Manager

Seit zehn Jahren trimmt CEO René Kamm die MCH Group rücksichtslos auf Rendite. Seine Erfolge sind unbestritten, weniger gut kommt seine bisweilen herrische Art an.

Mann von Welt: Seit René Kamm 2003 das Ruder bei der MCH Group übernommen hat, treibt er die Internationalisierung des Konzerns voran. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Seit zehn Jahren trimmt CEO René Kamm die MCH Group rücksichtslos auf Rendite. Seine Erfolge sind unbestritten, weniger gut kommt seine bisweilen herrische Art an.

René Kamm muss es momentan so gut gehen wie schon lange nicht mehr. Endlich kann er wieder so auftreten, wie er sich am wohlsten fühlt: als Hausherr auf der glitzernden Bühne der Baselworld – und das erstmals im pompösen Neubau der Stararchitekten Herzog & de Meuron. Die ­Zeiten, in denen er sich mit lästigen Fragen zum Lohndumping auf seiner Baustelle auseinandersetzen musste, gehören der Vergangenheit an.

Kamm lebt in einer schmucken Märchenwelt. Nur das Beste ist gut genug für ihn. Im Glanz seiner Macht schmelzen die Journalisten dieser Stadt dahin. Fast in jedem Porträt wird sein «gutes Aussehen» thematisiert. Der Lokalchef der «Basler Zeitung» hofierte ihn vor wenigen Monaten in einer Art und Weise, die man nur als servil bezeichnen kann. Und auch die stellvertretende «Telebasel»-Chefredaktorin Mirjam Jauslin, sonst nicht für ihre zurückhaltende Art bekannt, führte mit ihm ein Gespräch, das sich in der Beschreibung seiner Grossartigkeit erschöpfte.

Der Grund für die Willfährigkeit könnte in Kamms äusserst selbstsicheren und einschüchternden Art liegen. Der 53-Jährige ist ein willensstarker Geschäftsmann. Wie aggressiv er auftreten kann, war vor Jahresfrist im Schweizer Fernsehen zu sehen. Da reagierte Kamm auf die Fragen des Journalisten wie ein Fürst, der mit ­einem bockigen Untertanen spricht: herrisch, überheblich, arrogant.

Direkt und pragmatisch

René Kamm gibt einem unmittelbar zu verstehen, wenn ihm etwas nicht passt. Mit der TagesWoche wollte Kamm, der im Kleinbasel aufwuchs und bereits mit 42 Jahren zum wichtigsten Messe-Manager des Landes aufstieg, nach all unseren Berichten über die arbeitsrechtlichen Missstände auf der Messebaustelle nicht mehr sprechen. Kritischen Fragen will er sich nicht stellen, obwohl die Messe zu 49 Prozent der öffentlichen Hand gehört.

Kurt Frischknecht hat jahrelang mit Kamm zusammengearbeitet. Er war bis September 2006 stellvertretender Vorsitzender der Gruppen­leitung MCH Messe Schweiz, heute ist er Geschäftsführer des Verbandes der Schweizer Möbelindustrie: Frischknecht hat Kamm als pragmatischen und umgänglichen Chef in Erinnerung, er sagt: «René Kamm ist ein weitsichtiger Manager – mit exzellenten Kontakten in die Uhrenindustrie und ausgezeichneten Sprachkenntnissen.» Er leiste viel, verlange deshalb auch viel von seinen Mitarbeitenden. Dabei sei er sehr teamorientiert und direkt.

Nicht zuletzt dank seiner forschen Art kann René Kamm, der vor seinem Engagement bei der Messe für die ­Luxus-Uhrenschmiede Tag Heuer arbeitete, beachtliche Erfolge vorweisen. Seit er Anfang 2003 das Zepter übernommen hat, hat sich die MCH Group weltweit zu den profitabelsten Messeunternehmen entwickelt. Vergangenes Jahr konnte der Messe­konzern Umsatz und Gewinn erneut steigern. Der Betriebsertrag nahm um 20,5 Prozent zu und erreichte mit rund 390 Millionen einen neuen Höchstwert. Der ­Gewinn stieg von 20,7 auf 27,4 Millionen.

Die Zahl der Eigenmessen konnte der Uhrenliebhaber seit seinem Jobantritt von 19 im Jahr 2006 auf derzeit 34 erhöhen. Vor allem aber hat Kamm die Internationalisierung des Unternehmens vorangetrieben. Noch hat die Baselworld nicht ­begonnen, schon wartet der nächste Höhepunkt auf ihn: Im Mai eröffnet die Art Basel einen weiteren Ableger in Hongkong. An die Art Miami Beach fliegt der Vater einer kleinen Tochter schon regelmässig.

Seit einem Jahr im Verwaltungsrat des FCB

FCB-Präsident Bernhard Heusler hat Kamm erstmals getroffen, als beide an der Universität Basel studierten (Heusler Jus, Kamm Ökonomie). In den letzten Jahren seien sie sich immer wieder auch privat begegnet und hätten sich «sehr schätzen gelernt», so Heusler. Seit einem Jahr sitzt Kamm im Verwaltungsrat des FC Basel, der wohl beliebtesten Institution in Basel. Ein genialer Schachzug für sein Image, ist der Ruf der Messe in der Öffentlichkeit derzeit doch etwas ramponiert.

Seinen Freund öffentlich beurteilen mag Bernhard Heusler nicht. Nur so viel: «Die Messe Basel und die ­Baselworld sind aus meiner bescheidenen Aussensicht eine grosse Erfolgsstory und für Basel enorm wichtig. Ich halte viel von René Kamm – als Menschen, als FCB-Freund seit Kindesalter und als CEO der MCH Group.» Er sei glücklich, dass der FCB von Kamms wertvollen Fähigkeiten profitieren könne, die er in den Verwaltungsrat einbringt.

Der weltweite Erfolg hat René Kamm aber auch zu jenem Mann gemacht, der sich nicht um «solche Kleinigkeiten» wie das lokale Gewerbe und seine Befindlichkeiten kümmert. So wurde auf Ende 2012 der Pachtvertrag mit mehreren Gastrobetrieben gekündigt, die meisten arbeiteten seit 1965 mit der Messe zusammen.

Kamms Ellbogen bekamen auch die Schausteller und Marktfahrer der Herbstmesse zu spüren. Ihnen wird dieses Jahr die neue Halle 1 des ­Messezentrums nicht zur Verfügung stehen, obwohl ihnen dies von der MCH Group bei der Planung des Neubaus 2006/2007 noch zugesichert worden war. Stattdessen müssen sich die Schausteller mit der weniger ­attraktiven Halle 5 beim Musical Theater zufrieden geben.

«Genau der richtige CEO»

Marktfahrer Oskar Herzig wehrte sich erfolglos mit seinen Leuten gegen das Vorgehen der Messe. Er erinnert sich an ein Zusammentreffen mit Kamm und sagt: «Ich hatte nicht den Eindruck, dass er irgendwie Verständnis für unser Anliegen hatte. Er gab uns das Gefühl, dass die Herbstmesse eine lästige Sache für ihn sei. Auch heute habe ich ab und zu den Eindruck, dass wir nur als Belastung wahrgenommen werden.» Weshalb das so ist, kann der SVP-Grossrat nicht nachvollziehen, zumal die Herbstmesse wesentlich zum Erfolg der MCH Group beigetragen habe. «Die Schausteller und Marktfahrer haben die Messe gross gemacht. Auf Augenhöhe wird aber nicht kommuniziert, man schaut auf uns runter.»

Kamm scheint nur noch in grossen Dimensionen zu denken. Lokale Befindlichkeiten wie jene der Schausteller stören da nur. Fehlende Feinfühligkeit und Empathie sind so etwas wie sein Markenzeichen geworden. Sie haben ihn mächtig gemacht und die Messe profitabel. Und Rendite scheint alles zu sein, was am Schluss zählt. Zumindest aus der Optik von Ulrich Vischer, Verwaltungsratspräsident der MCH Group und ehemaliger Regierungsrat der LDP: «Anfang März konnten wir erneut ein hervorragendes Geschäfts­ergebnis präsentieren. Oberster Verantwortlicher für diesen Erfolg ist der CEO.» Es sei deshalb überflüssig zu sagen, dass der Verwaltungsrat mit dem Gang der Geschäfte sehr zufrieden sei – und damit eben ganz besonders auch mit seinem CEO. «Seine vielfältigen Stärken liegen genau in den Bedürfnissen unserer Marketing-Gruppe mit internationaler Ausrichtung. Er ist genau der richtige CEO für die MCH Group.»

Der in Riehen lebende Kamm hat noch Grosses vor in Basel. Sein neustes Stadtplanungs-Projekt nach dem 430 Millionen teuren Messezentrum: ein Neubau mit Parking, Hotelbetrieb und Wohnungen am Messeplatz. ­Dafür weichen soll das bestehende, weniger schöne Muba-Parkhaus. Die Ästhetik war Kamm schon immer eine wichtige Angelegenheit. Leuchten und prunken muss es.

Wäre James Bond ein Manager, wäre er Kamm: charmant, aber unerbittlich und eisern.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.04.13

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