Der lange Streit um einen kurzen Steg

Nach über hundert Jahren darf die Basler Bevölkerung bestimmen, ob es auf der Grossbasler Seite einen durchgehenden Rheinuferweg geben soll.

(Bild: Nils Fisch)

Nach über hundert Jahren darf die Basler Bevölkerung bestimmen, ob es auf der Grossbasler Seite einen durchgehenden Rheinuferweg geben soll.

Auch wenn dieser Frühling wettermässig bisher ziemlich lausig war – irgendwann in nächster Zeit wird es bestimmt wärmer werden. Und dann werden die Baslerinnen und Basler wieder dort sein, wo sie sich an sonnigen Tagen am liebsten aufhalten: am Rhein. Man wird am Ufer sitzen und das Gesicht der Sonne entgegenstrecken, sich in den Beizen und Buvetten treffen, reden, lachen, trinken und essen; man wird auf das träge fliessende Wasser blicken, in ihm baden oder ihm entlangspazieren. Doch halt!

Wer auf der Grossbasler Seite, zum Beispiel vom Birsköpfli aus Richtung Stadtzentrum, dem Rhein entlanggehen möchte, wird unter der Wettsteinbrücke gestoppt. Ab hier ist Schluss mit Fluss. Hier gehts zuerst eine steile Treppe hoch, dann zum Münsterplatz und den Rheinsprung hinunter. Erst bei der Schifflände führt der Weg wieder zum Wasser.

Das Gericht sah kein öffentliches Interesse für einen Rheinuferweg.

Diese Lücke im Uferweg respektive­ die Schliessung derselben beschäftigte die Basler schon im 19. Jahrhundert. Wie man auf altbasel.ch, der Website zur Basler Geschichte, nachlesen kann, gab es damals schon Vorschläge für einen vom St.-Alban-Tal bis ins Stadtzentrum durchgehenden Rheinuferweg. 1883 hiess es von-seiten der damaligen Regierung, dass nun ernsthaft daran gedacht werde, diesen Weg zu erstellen. Wie wir ­wissen, wurde bis heute nichts daraus.

Der letzte Versuch, den Rheinuferweg vom St. Alban her zumindest ein Stück weit bis zum Spazierweg unterhalb der Münsterpfalz fortzusetzen, liegt gut zehn Jahre zurück und scheiterte vor Gericht. Denkmalpflege und Heimatschutz hatten gegen das Projekt der Christoph Merian Stiftung (CMS) Einsprachen erhoben. Erfolgreich waren sie unter anderem deshalb, weil das Appellationsgericht kein «öffentliches Interesse» an einem durchgehenden Uferweg sah.

Genau an diesem Punkt hakt das von SP-Grossrat Daniel Goepfert gegründete überparteiliche Komitee «Grossbasler Rheinuferweg jetzt!» ein. Das Volk soll entscheiden, ob es einen solchen Weg will oder nicht. Ein Ja an der Urne wäre der unumstössliche Beweis für das «öffentliche Interesse».

Vielseitige Unterstützung

Für Goepfert zeigen aber schon die gut 3700 Unterschriften, die das Komitee für die Volksinitiative gesammelt hat, dass ein öffentliches Interesse besteht. «Das ist damit klar ausgewiesen, denn das ist eine beachtliche Zahl.» Und aufgrund der Zusammensetzung des Komitees ist in diesem Fall die ­Bezeichnung von einer «breit abgestützten» Initiative wohl mehr als nur eine Floskel.

So fand Goepfert, der sich seit den 1990er-Jahren für einen durchgängigen Grossbasler Rheinuferweg stark macht, Unterstützung nicht nur im linken politischen Lager, etwa bei der Parteikollegin und Ständerätin Anita Fetz oder bei BastA!-Grossrätin Sibel Arslan, sondern auch bei SVP-Nationalrat Sebastian Frehner. Ebenfalls an Bord des Komitees sind der Gewerbeverband, Pro Innerstadt und Basel Tourismus.

«Diesen Weg braucht es unbedingt», sagt etwa Tourismusdirektor Daniel Egloff. Weil, wie er sagt, der «erleb­bare Rhein» in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen habe. «Als blaue Lunge, als Stück Natur in der Stadt.» Bei der Basler Bevölkerung selber, aber auch bei den Gästen. «Und wenn man vom Zentrum aus den Rhein entlang direkt ins wunderschöne St.-Alban-Tal spazieren kann, ist das doch eine grossartige Sache.»

Hartnäckiger Widerstand

Das sehen die Gegner allerdings dezidiert anders. Ihre Argumente gegen den Weg – sie bezeichnen ihn als Überfluss-Steg – sind wie beim CMS-Projekt vor zehn Jahren hauptsächlich denkmalschützerische: Das Grossbasler Stadtbild mit seinen historischen Häusern und dem Münsterhügel, das vom Bund im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) in der höchsten Kategorie platziert sei, würde verunstaltet. So nennt sich der Verein, der gegründet wurde, um den Durchgang zu ­bekämpfen, denn auch «Verein unser Stadtbild».

Es gehe ihnen, sagt Robert Schiess, Vizepräsident des Vereins und Präsident des Basler Heimatschutzes, um den Schutz dieses europa­weit einzigartigen Stadtbilds. «Ein Steg gehört da schlicht und einfach nicht hin.» Egal, wie filigran und diskret er gestaltet werde. Für Schiess ist keine Frage: Sollte der Urnengang ein Ja ergeben, «werden wir Einsprache erheben; wir werden uns niemals mit einem Steg einverstanden erklären».

Pro Natura Basel engagiert sich ebenfalls im Verein gegen den Rhein­uferweg, aus naturschützerischen Gründen: Der Abschnitt unter dem Münsterhügel sei einer der wenigen Räume in der dichtbesiedelten Stadt, «wo Tiere und Pflanzen noch un­gestört von menschlicher Nutzung sein können», sagt Jürg Schmid, Präsident Pro Natura Basel. Der würde zerstört.

Sicher ist: Die wieder entfachte Diskussion um den Rheinuferweg wird die Basler Gemüter diesen Sommer so oder so erhitzen – unabhängig vom Wetter.

Braucht es am Grossbasler Rheinufer einen Fussweg? In der Wochendebatte kreuzen Daniel Goepfert, SP-Grossrat und Präsident des Komitees «Grossbasler Rheinuferweg jetzt!», und ­Robert Schiess, Präsident des ­Basler Heimatschutzes und Vize­präsident des «Vereins unser Stadtbild», die Klingen. Diskutieren Sie mit und stimmen Sie ab.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.05.13

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