Der Lehrer als Depp

Die Baselbieter Schulen haben ein erhebliches Computerproblem. Der Ärger ist gross – und Hilfe noch längst nicht in Sicht.

Warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten, warten: Computerunterricht in Baselbieter Schulen. (Bild: Nils Fisch)

Die Baselbieter Schulen haben ein erhebliches Computerproblem. Der Ärger ist gross – und Hilfe noch längst nicht in Sicht.

Wenigstens einen Vorwurf kann man der Baselbieter Politik nicht machen: Sie habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Bereits anno 1999 stellte die Regierung fest, dass auf die «Steinzeit», die «Eisenzeit» und alle anderen Epochen nun die «Informationsgesellschaft» folge. Besonders wichtig dabei: das Internet. Wissen werde immer, überall und sofort verfügbar sein und der ex­trem beschleunigte Datenaustausch die Welt zu einem globalen Dorf schrumpfen lassen. So nachzulesen in der Vorlage über die Einführung von Internet an Baselbieter Schulen im März 1999.

Seither ist die Welt tatsächlich zusammengerückt, zumindest was die Kommunikation anbelangt.

Die ganze Welt? Nein! Ein Stedtli und mit ihm ein ganzer Kanton scheint beim globalen Dorf aussen vor zu bleiben. Und trotz aller Voraussicht der weisen Regierung ist es – richtig: das Baselbiet.

Diesen Eindruck erweckt jedenfalls ein Rundschreiben der Sek Liestal an die «sehr geehrten Eltern» (der Einfachheit halber per Brief und nicht per Mail verschickt). Seit Monaten würden sich die Reklamationen über Schwierigkeiten beim Einsatz der Informatik im Unterricht häufen, heisst es darin. Es liege nicht an den Lehrern, wenn nur schon das Einloggen bis zu 20 Minuten benötige. Schuld daran seien vielmehr Serverabstürze, der Router mit seiner begrenzten Kapazität und die neuen Netzgeräte, die schon bei der Lieferung defekt gewesen seien. Die ­Informatikstelle des Kantons helfe aber so gut es gehe, obwohl auch bei ihr gespart werde, versichert die ­Schul­leitung. Insofern dürfe man auf «merkliche Verbesserungen» hoffen. «Freundliche Grüsse, Sekundarschule Liestal, Schulhaus Frenke».

Schockierte Eltern

So nett das Schreiben auch gemeint war: Freundlich gestimmt waren auch danach noch längst nicht alle. Bei Einzelnen ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Die Eltern Christina Aenishänslin und Basil Künnecke zum Beispiel ­waren «schockiert», wie sie der Tages­Woche schrieben: «Es kann doch nicht sein, dass Ressourcen – Geld, Zeit, Freude – auf diese Art verschwendet werden! Jede private Firma würde solche Probleme innert Tagen lösen – sonst gäbe es sie bald nicht mehr.» Nun will sich die Familie auch beim Regierungsrat beschweren.

In der Schule hat man Verständnis für solche Ankündigungen. Weil sich die Lehrer auch selbst ärgern, wenn sie zum Beispiel wieder einmal eine interes­sante Powerpoint-Präsentation parat hätten, zwischen den Bildern aber immer ewig warten müssten.
Anstatt begeisterten «Ahs» und «Ohs» bekommen sie von ihren Schülerinnen und Schülern dann bald einmal nur noch blöde Sprüche zu hören. «In solchen Situationen steht man als Lehrer da wie ein Depp», ärgert sich Schulleiter Thomas Hostettler vom Frenke-Schulhaus. Unter diesen Voraussetzungen ist es auch kein Trost mehr, dass die Liestaler Sek nicht alleine ist. Andere Baselbieter Schulen haben ähnliche Probleme.

Das blieb – trotz ganz offensichtlich erschwerter Kommunikation im Kanton – auch der Bildungsdirektion unter Urs Wüthrich (SP) nicht verborgen. Auf Anfrage der TagesWoche hin kündigt sie nun gleich drei neue Informatikvorlagen zuhanden des Landrats an.
Die erste soll – ganz generell – eine IT-Strategie für die Schulen bringen, die zweite bessere Lösungen im Bereich der Schuladministration, die dritte die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) in der Primarschule. Details könne er noch nicht verraten, sagt Roland Plattner, Generalsekretär der Bildungs­direktion. Doch auch so ist klar: Die Vorlagen werden noch sehr viel zu reden geben.

Kein Geld

Nach längeren und eifrig geführten Debatten ist die flächendeckende Einführung von Computern an der Primarschule schon einmal gescheitert: 2008 im Landrat. Dagegen waren vor allem Freisinnige, SVPler und Grüne. Der PC würde den Unterricht an der Primar nur unnötig erschweren, sagten sie. Die Kinder sollten dort zuerst anständig Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Solche Aussagen werden wahrscheinlich auch beim zweiten Versuch der Regierung zu hören sein.

Den Ausschlag geben könnte diesmal aber noch ein ganz anderes Ar­gument: das Geld, das dem maroden Kanton fehlt. Diese Befürchtung hat auch Christoph Straumann, Präsident des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB). «In Anbetracht der aktuellen Finanzpolitik in unserem Kanton scheint es leider fraglich, ob die ­eigentlich sinnvollen Pläne der Bildungsdirektion je umgesetzt werden können», sagt er.

Klingt nicht eben, als würde bald auch das Baselbiet zum globalen Dorf gehören.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.09.12

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