Das Leben bietet dem Theatermann Helmut Förnbacher seit Jahren eine Rolle als Rentner an – er wird sie nie annehmen.
Justin Bieber lacht von der Titelseite der aktuellen «Bravo». Würde man ihn fragen: «Wer ist Helmut Förnbacher?», würde er sagen: «Keine Ahnung.» Das wäre nicht so schlimm, die beiden verbindet schliesslich nur, dass sie begehrte Sujets für die «Bravo»-Titelseite sind. Oder, im Fall von Helmut Förnbacher, waren.
In den Sechzigerjahren spielte der Basler Schauspieler und Regisseur in der Fernsehserie «Forellenhof» mit – und brach als rebellischer Klaus Tausenden Mädchen das Herz. Auch als Darsteller in etlichen Bühnenstücken konnte er sich bereits mit 18 Jahren kaum retten vor Avancen seiner Fans.
Liebe, Macht, Gier, Neid
Der ebenfalls 18-jährige Justin Bieber hingegen würde das – wäre er nicht bereits ein Popstar – selbst als Hamlet nicht schaffen; vorbei sind die Zeiten, als junge Leute ins Theater stürmten und sich vor Begeisterung kaum halten konnten.
Ältere Menschen klagen gerne über das Desinteresse der Jungen. Förnbacher tut das nicht: «Viele Jugendliche gehen nicht ins Theater, weil sie nicht wissen, wie geil es ist!» Es sind seiner Meinung nach die Älteren, die ihre Pflicht nicht wahrnehmen, den Jungen diese Kultur zu vermitteln.
Er versucht es täglich, indem er selber Theater macht, seit 34 Jahren im eigenen Betrieb. Acht Eigenproduktionen feiern dieser Wochen Premiere in der «Helmut Förnbacher Theater Company» am Badischen Bahnhof. Alle Stücke haben dasselbe Ziel: «Sie müssen grosse Gefühle vermitteln.» Liebe, Macht, Gier, Neid. Förnbacher hält nichts vom Geschwätz, Theater habe nicht mehr die Funktion von einst – der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, Debatten auszulösen oder sogar Revolten anzuzetteln. Es geht ums Gefühl. Und das hat kein Alter.
Über sein eigenes Alter spricht er ungern. Zu gross ist seine Befürchtung, die Zahl Sieben davor könnte junge Zuschauer abschrecken, den Weg zum ehemaligen Zollhaus der Deutschen Bahn auf sich zu nehmen, um dort Gefühle vermittelt zu bekommen. Ausserdem entspricht Förnbacher kaum seinem Alter, zu sehr ist er noch in der Arbeitswelt verwurzelt, zu jugendlich gibt er sich. Längst könnte er sich in seinem Haus in Bottmingen zurücklehnen, doch das kommt für ihn nicht infrage: «Das hier ist mein Leben», sagt er fast vorwurfsvoll. Mit «das hier» meint er seine Welt – das dauernde Provisorium am Bahnhof, wo jeden Abend «grossartige gemeinschaftliche Verabredungen zwischen Bühne und Publikum» stattfinden.
Grosse Filmerfolge
Förnbacher und seine Frau, die Schauspielerin Kristina Nel, könnten sich diese eigene Welt finanziell kaum leisten, wenn da nicht die ganzen Filmerfolge gewesen wären. Sie erhalten vom Kanton keine regelmässigen Subventionen, was Förnbacher oft betont und bedauert. Von Budgets, die er vom Film her kennt, kann er für sein Theater nur träumen – entsprechend wird bei ihm auch niemand reich.
Förnbacher hat etliche Filme gedreht. Als «Tatort»-Regisseur liess er Manfred Krug ermitteln, mit «Sommersprossen» landete er seinen ersten Kinoerfolg. Es folgten Sexkomödien wie «Beiss mich Liebling», später Fernsehserien wie «Unser Charly».
Helmut Förnbacher wird nicht müde, die Grossartigkeit seines und des Theaters im Allgemeinen zu betonen. «Wenn ich einen Besen auf die Bühne stelle und sage, es sei ein Wald – ist es für die Zuschauer auch ein Wald, wenn ich es gut mache.»
Eigenlob aus Überzeugung
Es ist nicht Arroganz, die beim Eigenlob mitschwingt, sondern eine tiefe Überzeugung, das Richtige zu tun, den Menschen etwas zu geben – sei es klassischer Inhalt, Vorfasnacht oder Boulevard. «Es gibt für mich nur gutes oder schlechtes Theater», sagt er. Trennungen zwischen Hoch- und Populärkultur sind ihm ein Greuel.
Voraussichtlich 2014 muss seine Company aus dem Badischen Bahnhof ausziehen und sich eine neue Bleibe suchen. Förnbacher könnte den Moment nutzen und aufhören. Doch er ist sich sicher: Sein Theater wird in sechs Jahren den 40. Geburtstag feiern.
Am Dienstag, 16. Oktober, ist Premiere von «Tod eines Handlungsreisenden».
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12