Lukas Straumann führt den Kampf des verschollenen Bruno Manser gegen die Abholzung des Regenwalds weiter. So reichte er gegen die UBS Strafanzeige ein wegen Geldwäscherei. Er nutzt andere Mittel als Manser, den Nahkampf scheut aber auch er nicht.
Wer im Bürgerhaus an der Socinstrasse in Basel ein schwarz umrandetes Foto des verstorbenen Urwaldaktivisten Bruno Manser erwartet, wird enttäuscht. An hohen, hellen Wänden hängen Landkarten und Fotos von Penan-Nomaden, aber kein Trauerbild. Lukas Straumann, Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds, hat sich nach unserem Klingeln mit Schwung die Holztreppe heruntergestürzt. Den Kaffee serviert er selbst.
Nachdem wir im grossen Sitzungszimmer Platz genommen haben, macht der Mann mit kräftigem Händedruck und schmächtigem Körperbau schnell klar: Heiligenverehrung ist nicht sein Ding. Manser sei nach Malaysia gegangen, weil er «nach dem Ursprung des Bösen suchte», wie er in einem Brief schrieb. Damit habe er wohl das Geld gemeint. «Stellen Sie sich das vor!», er schlägt die Hände zusammen. Dies scheint dem studierten Historiker, 47, doch reichlich naiv.
Straumann lernte Manser nie persönlich kennen. Der Basler Umweltaktivist hatte sich bei langjährigen Aufenthalten in Malaysias Bundesstaat Sarawak für das indigene Volk der Penan eingesetzt, die zum Teil noch als Nomaden lebten und denen mit der Abholzung des Urwalds die Lebensgrundlage entzogen wurde. Im Jahr 2000 verschwand er dort im Dschungel – seither fehlt jede Spur von ihm. Ein Gewaltverbrechen ist nicht auszuschliessen, Manser hatte dort mächtige Feinde.
Strafanzeige gegen die UBS
Vier Jahre später wurde Straumann Geschäftsführer der von Manser gegründeten Unterstützungs-Organisation. Er riskiert im Kampf gegen die Tropenholzmafia und die korrupte Regierung nicht gerade den eigenen Kopf, wie dies Manser mit seinem Einsatz im Sarawak getan hat. Doch auch er scheut den Nahkampf nicht – davon später. Er hat die Auseinandersetzung mehr auf die rechtliche Ebene verlagert. So unterstützt er die Penan beispielsweise bei Landrechtsklagen in Malaysia.
Dabei helfen Landkarten, die der Bruno Manser Fonds mit Hilfe der Penan angefertigt hat. Bei einer kleinen Führung durch die Büros zeigt Straumann ein Exemplar mit viel hell- und dunkelgrüner Fläche im Massstab 1:35’000. Unten sind weisse Kästchen frei, auf denen die Häuptlinge mit Fingerabdruck die Korrektheit der Angaben bestätigen müssen, wie ein Mitarbeiter erklärt, der bald nach Sarawak reist. In über zehnjähriger Arbeit hat der Fonds ein Waldgebiet von der Fläche des Kantons Graubünden kartiert. Diese Karten erscheinen jetzt nach und nach in gedruckter Form.
Für Aufsehen gesorgt haben Straumann und sein fünfköpfiges Team mit einer Strafanzeige gegen die UBS. Dem Bruno Manser Fonds waren in Malaysia Dokumente zugespielt worden, die zeigen sollen, dass im Zusammenhang mit der Abholzung des Urwalds über Konten der Schweizer Grossbank rund 90 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder geflossen sind. Die Bundesanwaltschaft eröffnete 2012 ein Verfahren, das noch hängig ist. Empfänger des Geldregens aus dem Regenwald war der Regierungschef von Sabah, dem Bundesstaat gleich neben Sarawak.
Dieses Jahr reichte Straumann auch gegen die Finanzmarktaufsicht Finma eine Strafanzeige ein, weil diese sich im Verfahren schützend vor die UBS gestellt und sich nicht wie eine neutrale Aufsichtsbehörde verhalten habe. Die korrupten Machenschaften der Holzhändler in Malaysia und die Verflechtungen mit den Schweizer Banken schilderte Straumann im Buch «Raubzug auf den Regenwald».
Seit Straumann über Geld redet, bekommt er es nicht mehr mit den PR- sondern den Rechtsabteilungen der Banken zu tun.
Werden Sie nicht angefeindet, seit Sie gegen den Schweizer Finanzplatz kämpfen, Herr Straumann? «Viel Feind, viel Ehr», antwortet er lakonisch. Sobald man über Geld rede, werde man halt ernst genommen. Dies zeige sich daran, dass er seither mit den Rechts- und nicht mit den PR-Abteilungen der Banken zu tun hat.
Der neue Bankenschreck, der mit seiner Frau und zwei Kindern in Bern lebt, fasste schon früher heisse Eisen an. Von 1997 bis 2000 untersuchte er in der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz–Zweiter Weltkrieg (Bergier-Kommission) dunkle Flecken der Vergangenheit. Zusammen mit dem Historiker Daniel Wildmann wies er nach, dass die Basler chemische Industrie mit Nazi-Deutschland gute Geschäfte machte, und dies auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg.
Der Basler Historiker Georg Kreis, der mit Straumann in der Bergier-Kommission war, findet lobende Worte für den Ex-Kollegen: Er ist beeindruckt, dass Straumann mit seiner «hohen wirtschaftshistorischen Kompetenz» eine Aufgabe mit grossem «gesellschaftspolitischem Ansehen» gewählt hat.
Mit dem Velo zur Demo in Kaiseraugst
Straumann engagierte sich schon früh für Umwelt und Natur. Als Jugendlicher fuhr er mit dem Velo von Liestal nach Kaiseraugst zu den Demos gegen das geplante AKW. Mit 18 wurde er in Liestal für die Grünen in den Einwohnerrat gewählt («Mein Lehrer, der ebenfalls kandidierte, verpasste die Wahl»). Während des Studiums an der Uni Basel (neben Geschichte auch Botanik) trat er dann zurück.
Es habe Vorteile, unabhängig zu sein, dies zeige sich gerade in seiner jetzigen Funktion beim Bruno Manser Fonds. «Wir reden mit allen», betont Straumann. Zurzeit führt er eine Kampagne gegen das Freihandelsabkommen der Schweiz mit Malaysia, da es zu einem vollumfänglichen Zollabbau für das umstrittene Palmöl führen würde. «Palmöl ist heute der Hauptgrund für die fortschreitende Zerstörung des Regenwalds.» Neben Konsumenten- und Menschenrechtsorganisationen konnte er auch den Bauernverband ins Boot holen, weil dieser um den Absatz des Schweizer Rapsöls fürchtet.
Ein wenig Polit-Sponti ist Straumann auch, dies ist eine Gemeinsamkeit mit seinem prominenten Vorgänger. Zwar landete er nicht mit einem Hängegleiter vor der Residenz Taibs, des hoch korrupten Ministerpräsidenten von Sarawak. Manser hatte dies ein Jahr vor seinem Verschwinden getan, er war sein grosser Gegenspieler. Wenn er Taib mal treffen würde, möchte er ihm ein Glas Wasser über den Kopf leeren, sagt Straumann. Eine kleine Urwald-Dusche, könnte man sagen.
Ohne Einladung empfangen: Lukas Straumann, Geschäftsleiter BMF, Penan-Vertreter Bilong Oyoi und Indigenenvertreter Mutang Urud mit Adenan Satem (sitzend), Chefminister des Malaysischen Bundesstaates Sarawak.
Als Taibs Nachfolger Adenan Satem letztes Jahr einen Empfang in der Botschaft Malaysias in London gab, lud sich der Baselbieter mit einer Delegation von Penan selbst ein. Sie wurden vorgelassen, Satem liess an einem Tisch mit weissem Tuch mit sich reden. Im Sarawak habe sich die politische Situation seit dem Amtsantritt des neuen Manns entspannt, findet Straumann. Bei dem Gespräch in der Botschaft konnten ihm die Aktivisten ihr Projekt eines grossen Waldreservats vorstellen, das sie errichten möchten: den Penan Peace Park.
Der neue Ministerpräsident zeigte sich interessiert. «Bis in fünf Jahren haben wir diesen Park», sagt der Manser-Nachfolger mit einem schelmischen Lachen. Es besteht Hoffnung, dass der Tod von Bruno Manser doch nicht ganz vergeblich war.