Der rote Faden im Flickwerk

Das St. Johann ist eines der grössten Basler Quartiere. Wie eine Lebensader pulsiert mittendrin die Elsässerstrasse; sie kontrastiert zugunsten des Lebens mit den sterilen Umgestaltungsplänen fürs Quartier.

Durchmischung und städtebauliche Aufwertungsversuche: Das St. Johann steht mitten in einer grossen Umwälzung.

(Bild: Basile Bornand)

Das St. Johann ist eines der grössten Basler Quartiere. Wie eine Lebensader pulsiert mittendrin die Elsässerstrasse; sie kontrastiert zugunsten des Lebens mit den sterilen Umgestaltungsplänen fürs Quartier.

Überfüllte Vitrinen von Quartierläden, eine erstaunlich hohe Apothekendichte, aber auch scheintote Geschäfte zeichnen die Strasse aus: Im St. Johann, einem der drei dynamischsten Quartiere der Stadt, ist die Elsässerstrasse eindeutig die geschäftigste Einkaufsmeile.

Die drei dynamischsten Basler Quartiere

Die TagesWoche beleuchtet die nach Zuwanderungsstatistik dynamischsten drei Basler Quartiere. 
Dazu haben unsere Quartierblogger das Gundeli, das Matthäus-Quartier und das St. Johann auf ihre Seele hin geprüft – schliesslich sind sie die Experten für das Leben vor der Haustüre. Die Resultate finden Sie in den drei Reports aus den Quartieren.

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Sie ist alles andere als eine gemütliche Promenade oder «Begegnungszone» und es wäre übertrieben, von einer pulsierenden Ader zu sprechen: Die Verkehrsachse mit der Tramlinie 11 zur französischen Grenze und die Laufkundschaft bei Grossverteilern und kleinen Geschäften machen die Strasse zu einem kleineren Magnet im Quartier.

Die Elsässerstrasse profitiert wohl davon, dass im St. Johann kein eigentliches Zentrum auszumachen ist. So sind etwa Plätze, die diesen Namen verdient haben, spärlich gesät: Der St. Johanns-Platz ist so gut wie tot und einzig von Krähen und Tauben (und allenfalls Menschen, welche diese füttern) bevölkert und der versprochene «Boulevard» Voltastrasse existiert eher auf dem Papier als in der Realität.

Ein Flickwerk aus Wohnen und Leben

Das St. Johann ist ein bisschen Flickwerk; kein Wunder, denn das Quartier reicht vom Rheinufer bis gut hinter den Kannenfeldpark, es verfügt über Ecken mit wunderbarem Altstadt-Charme und moderne Überbauungen, immer wieder durchkreuzt von Hauptverkehrsachsen der Stadt. Es ist gleichwohl ein Anziehungspunkt für Studenten-WG wie für Familien. Neben dem Matthäus-Quartier und dem Gundeli gehört es zu den drei dynamischsten Basler Quartieren, in denen zu-, aber auch weggezogen wird.



Die Elsässerstrasse ist eine Lebensader im Quartier, aber es gibt noch viel Handlungsbedarf.

Die Elsässerstrasse ist eine Lebensader im Quartier, aber es gibt noch viel Handlungsbedarf. (Bild: Basile Bornand)

Potenzial als Zentrum dieses charmanten Flickwerks hat wohl einzig der neue Vogesenplatz. Auch wenn die Belebung bei den Neubauten mit teilweise leeren Ladenflächen erst zögerlich vorankommt und der Flohmarkt vor der aufgewerteten Novartis-Zone ein wenig verwaist dasteht, tut sich vor dem St.-Johanns-Bahnhof und dem Stellwerk allmählich etwas.

Noch immer ist aber die Elsässerstrasse der Ort, wo am meisten zu sehen ist. Auffällig hoch ist nicht nur die Anzahl Apotheken: Auch Pizza- und Dönerbuden, Coiffeursalons, Cafés und ein Tattoo-Studio säumen die Strasse. Viele gemeinnützige Organisationen wie etwa der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter, die Bibliothek Jukibu, der Jugendtreffpunkt im Badhüsli haben sich hier niedergelassen.

Die leicht lädierte Hauptader Elsässerstrasse

Neu wird auch das Stadtteilsekretariat Basel West an die Elsässerstrasse ziehen. Wo einst ein Natel-Laden mit seltsamen lebensgrossen Terminator- und Batman-Figuren stand und zwischenzeitlich Kerzen verkauft wurden, soll sich künftig die Anlaufstelle befinden.



Der Voltaplatz – ein klassisches Entwicklungsgebiet der Stadt Basel.

Der Voltaplatz – ein klassisches Entwicklungsgebiet der Stadt Basel. (Bild: Basile Bornand)

In den Augen der beiden Betriebsleiterinnen des Sekretariats, Nicole Fretz und Angelina Koch, gibt es an der befahrenen Elsässerstrasse durchaus noch Handlungsbedarf, um die Gegend für Fussgänger wirtlicher zu machen. Immerhin habe aber die vor ein paar Jahren nach einer Petition errichtete Ampel an der Kreuzung zur Mülhauserstrasse zu mehr Sicherheit für die vielen Schulkinder, die dort vorbeiziehen, gesorgt. 

Wie die beiden feststellen, ist die Fluktuation hier ziemlich hoch: Manche Geschäfte kommen und verschwinden schnell wieder. Immerhin schon seit sieben Jahren ist der Quartierladen «Elisha Market» an der Ecke zur Jungstrasse präsent: Bierdosen, Fonduegabeln, Mörser und Pfannen stapeln sich dort im Schaufenster.

Wie der Verkäufer aus Sri Lanka erklärt, führt er das Geschäft zusammen mit seiner Frau und dem Sohn als Familienbetrieb. Er räumt ein, es gebe grosse Konkurrenz durch ähnliche Läden in der Gegend wie auch durch die Grenzlage. Dennoch bestehe stets eine Nachfrage: «Vor allem die Getränke laufen immer gut», sagt er.

«Hier sind die Leute nett – hat man mal kein Geld, so kann man auch am anderen Tag noch bezahlen.»

Christoph, Gast im «New Point»

Nebst den Bierkaufgelegenheiten gibts aber auch Traditionelles, wie etwa die weit über das Quartier hinaus bekannte italienische Metzgerei Pippo, die schon seit 25 Jahren an der Elsässerstrasse weilt. Zufrieden ist Pippo Sequenzia allerdings nicht. In den letzten Jahren sei es in der Strasse viel schmutziger geworden. In der Tat säumen ganze Polstergruppen, Fernseher und weitere unangemeldete Sperrgutsachen die Trottoirs bei der Metzgerei. Auch beobachtet der Metzger teilweise Geschäfte, die kaum je besucht werden.



Chillen im Park, so gemütlich kann es im St. Johann sein.

Chillen im Park, so gemütlich kann es im St. Johann sein. (Bild: Basile Bornand)

Trotzdem gibts auch Orte, die stets belebt sind und so etwas wie eine kleine Treffpunktfunktion erfüllen: Vor der Bar «New Point» plaudert etwa täglich eine bierselige Runde. «Ich bin fast alle Tage hier», meint ein Gast namens Christoph rauchend vor dem Lokal. «Hier sind die Leute nett – hat man mal kein Geld, so kann man auch am anderen Tag noch bezahlen», meint er.

Kontrast zur sterilen Quartiergestaltung

Auch weiter vorne hat sich ein Treffpunkt auf dem Trottoir etabliert: Der nigerianische Geschäftsführer Iheanyichukwu Kanu hat das Restaurant «Volta» vor zweieinhalb Jahren übernommen. Neben einer konventionellen Bar bietet er «Afro-Suisse-Kitchen». Mit dem benachbarten Novartis-Campus kommt er kaum in Berührung: Nur selten kommt jemand mit Krawatte und Aktenkoffer in die Bar. «Es sind vor allem Leute aus der afrikanischen Community wie auch Schweizer Quartierbewohner», erklärt Kanu. 

Die sterile Umgestaltung des Quartiers steht somit im Kontrast zu der etwas rauen und chaotischen Elsässerstrasse: Im Hintergrund sind die neu gestaltete Voltamatte, der Novartis-Campus und die Volta-Neubauten, während vorne noch die etwas unberechenbare Verkehrsachse mit all ihren eigentümlichen Geschäften und Bars nach eigenen Regeln funktioniert. 

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