Der Untergang der «MS Teeniefilm»

Seinen Träumen folgen oder doch lieber einer sicheren, aber ruhmlosen Arbeit nachgehen? «We Are Your Friends» bringt ein lautes, aber leider laues Porträt der Generation Y ins Kino. In leuchtenden Farben und mit viel MTV-Kultur.

Brainstorming bei den Jungs von «We Are Your Friends»: Wie komme ich ganz schnell nach ganz oben?

(Bild: © Impuls Pictures AG)

Seinen Träumen folgen oder doch lieber einer festen, aber ruhmlosen Arbeit nachgehen? «We Are Your Friends» bringt ein lautes, aber leider laues Porträt der Generation Y ins Kino. In leuchtenden Farben und mit viel MTV-Kultur.

Der Teeniefilm gehört zu Hollywoods unverwüstlichen Filmgenres. Das Paradebeispiel einer Sparte, die sich laufend neu erfindet, wechselseitig die Popkultur beeinflusst und von ihr beeinflusst wird, hat den nächsten logischen Schritt gemacht: Der Teeniefilm hat die Generation Y entdeckt! 

Wie sinnvoll es ist, einer Generation weltweit dieselben Persönlichkeitsattribute und die gleiche Haltung gegenüber der Zukunft zu unterstellen, ist eine Sache. Zumal diese Einordnungen grösstenteils auf Studien und Umfragen basieren, welche sich hauptsächlich auf Personen aus westlichen Industrieländern konzentrieren. Aber eine längere Diskussion hierüber würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Neu ist diese Entwicklung für den Teeniefilm allerdings nicht. Mit den Jahrzehnten wechselte zwar der Ton der Erzählung, jede Epoche orientierte sich aber an den typischen «Generation Was-auch-immer»-Sammelbegriffen. 

Zuschauen, wie «Generation Planlos» erwachsen wird

Nehmen wir trotz der oben aufgeführten Einwände einmal an, es gäbe die Generation Y wie sie im Buche steht: Neurotisch, abgestumpft durch digitalen Medienkonsum, mit realitätsfernen Erwartungen an Karrierechancen, die sie unkritisch aus dem Fernsehen übernommen hat, oder zusammengefasst: Verweichlichte, wirtschaftskrisengebeutelte Individualisten. Die Ursprünge der «Generation Planlos» gehen – je nach Studie – in die frühen Siebziger zurück, und die Periode will einfach nicht aufhören! Bis in die Mitte der Nullerjahre sollen noch Kinder der Generation Y das Licht der Welt erblickt haben. Ein Total von 30 Jahren, länger als jede bisherige Zeitspanne der Kategorisierung.

Jüngstes Beispiel für den Generation-Y-Teeniefilm ist «We Are Your Friends» von MTV-Regisseur Max Joseph. Als «das ‹Saturday Night Fever› unserer Generation» bezeichnen die Schauspieler Zac Efron und Emily Ratajkowski auf der Promotour ihren neuen Film. Nüchtern betrachtet und diplomatisch gesagt, bleibt nur die knappe Antwort: «Dem ist nicht so.» Undiplomatisch und mit Leidenschaft für den Teeniefilm ausgedrückt, hiesse es: «Der Film ist ein vor Selbstmitleid und pseudoinspirativen Botschaften triefender Seich!»

Dass «We Are Your Friends» sich zur Reihe grosser Teeniefilm-Klassiker zählen will, ist mutig. Zumal es in der knapp 100-jährigen Tradition des Genres an Konkurrenz nicht mangelt.

Zeitlose Jugendsorgen

Die Wurzeln des Teeniefilms reichen bis an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Eines der frühen Beispiele ist «The Flapper», der die gleichnamigen Anhänger eines Lifestyles der wilden Zwanziger beschreibt. Frauen trugen kurze Kleider und Haare, rauchten Zigaretten und fuhren Auto. Kurz: Was gegen soziale und sexuelle Normen verstiess, war hip und wurde deshalb gemacht. In der Einleitung des Stummfilmes steht eine für die Jugendkultur zeitlos geltende Äusserung: «Imagine a town where they didn’t even have a saloon to close – and there you have Orange Springs.» («Stell dir ein Städtchen vor, in dem es nicht einmal eine Kneipe gibt, die sie schliessen können – und schon hast du Orange Springs.»)

Mit den Babyboomern flossen in den Fünfzigern neue Themen in die Filme ein. Die neu entdeckte und selbst definierte Identität als ernst zu nehmende Generation der Heranwachsenden stand im Zentrum sowie das Auflehnen gegen Obrigkeit, Schule und Eltern sowie Stellungnahmen zu sozialen Konflikten und Kriegen. Darauf wiederum folgte die Generation X («Reality Bites»), und schon in den Siebzigern wurde dann zum ersten Mal von einer neuen Generation gesprochen, der Generation Y. «Grease»«The Breakfast Club», oder «Zurück in die Zukunft» sind drei Beispiele ikonischer Filme dieser Zeit. Die Neunziger-Jahre brachten dann ein neues Subgenre hervor, die «Shakesteens», Neuadaptionen literarischer Klassiker («10 Things I Hate about You»). 

Tiefen und Abgründe

Gleichzeitig hat diese Periode auch die trashigsten Vertreter des Teeniefilms zu verantworten. Mottos wie Sex, Drugs und Hausaufgaben oder andere, weitgehend sinnfreie Eskapaden lassen einen kopfschüttelnd zurück:

Parallel entwickelte sich ab den Neunziger-Jahren eine Sparte von Filmen, welche die unglamouröse Realität des Lebens dokumentierten. Jugendliche, die nicht in das Klischeebild der Popkultur passten, bekamen eine Stimme. Drogensucht, HIV, Armut und verwahrloste Familien in den USA: Das Teen-Genre bot Regisseuren eine Chance, gesellschaftliche Abgründe aus der Sicht der Heranwachsenden zu zeigen. Filme wie «Gummo» oder «Kids» sind Beispiele hierfür. 

Ruhm als Menschenrecht

«We are Your Friends» allerdings hat damit wenig am Hut und ist, allem Eigenlob zum Trotz, eher in der Sparte Trash anzusiedeln. Der Film ist zu humorlos und zu sehr bemüht, in einer hippen Form beim Publikum rüberzukommen. Dies hat unbeabsichtigt zur Folge, dass man die Probleme der Figuren nur als Erstwelt-Wehwehchen sehen kann:

Cole (Zac Efron) und seine Freunde Mason, Ollie und Squirrel träumen davon, aus San Fernando Valley rauszukommen. San Fernando Valley, das ist die unglamouröse Agglo von Los Angeles. Los Angeles steht synonym für Hollywood und da möchten die Vier hin. Cole als EDM-DJ, Ollie als Schauspieler, Mason, nachdem er irgendwie, egal auf welche Weise, reich geworden ist, und Squirrel möchte einfach bei seinen Freunden sein.

Vom obersten Segment (Selbstverwirklichung) der Maslow-Pyramide aus planen sie ihr zukünftiges Leben, während sie tagsüber alle gemeinsam bei einer Immobilienschwindel-Firma ihr Telefonpraktikum machen. Nachts feiern sie bei sich zu Hause Drogenparties oder leisten Hobby-DJ Cole bei seinen Auftritten Gesellschaft.

Bei einem dieser Gigs lernt Cole James kennen, Plattenaufleger von Welt. Er ist reich, beinahe rund um die Uhr betrunken, Kosmopolit und strahlt eine desillusionierte Abgelöschtheit aus. Von ihm möchte Cole sich helfen lassen, als EDM-DJ gross herauszukommen. Auf dem Weg dahin kommt dann eine (immerhin filmisch stark umgesetzte) Tragödie im Freundeskreis dazwischen, welche die Jungs ihre Ziele überdenken lässt.



James (l.) zeigt Cole (r.) wie man sich zum Erfolg spielt.

James (l.) zeigt Cole (r.) wie man sich zum Erfolg spielt. (Bild: © Impuls Pictures AG)

Die Protagonisten des Films geben Sätze von sich, wie sie in den Inspirationsmantras der Webseite Brainyquote zu finden sind. Der Bildsprache merkt man an, dass Regisseur Max Joseph sonst für MTV arbeitet. Das könnte durchaus lustig sein, wenn der Film sich nicht selbst so ernst nehmen würde. So aber werden Aussagen wie «Erst mit 27 bist du eine richtige Person» oder Coles Pep-Ansprache an seine Freunde, dass sie doch um jeden Preis versuchen sollen, ihre Träume in die Realität umzusetzen, zu Plattitüden. 

«We Are Your Friends» unterhält durchaus. Wer EDM mag, wird Probleme haben, nicht aus seinem Sitz zu springen und zu tanzen. Stellenweise kann gelacht werden, wenn auch wohl eher unbeabsichtigt. Es ist ein Film über Jugendkultur, Essen, grosse Träume und fetzige Musik. Nur eines ist der Film in keinem Fall: repräsentativ.

Es sei denn, die Filmemacher stellen sich die Generation Y wie folgt vor: Sie fordert «Ruhm» als Menschenrecht. Jede und jeder denkt, wegen irgendetwas berühmt und reich werden zu müssen, weil alle Star-Potenzial in sich sehen. Dann folgt der harte Aufprall auf dem Boden der Realität. Meistens durch die Erkenntnis, dass die Welt eben doch nicht auf einen gewartet hat. Der desillusionierte Durchschnitts-Millenial findet sich gefrustet in einem Grossraumbüro eines (man wähle ein beliebiges) Startup-Unternehmens wieder, schaut heimlich «Dawson’s Creek» und versinkt in Nostalgie. Aber hey, es ist unglaublich wichtig für den Seelenfrieden, es wenigstens zu probieren!

«MS Teeniefilm» auf Kollisionskurs

Die wahre Tragödie im Film ist eigentlich Zac Efron. Er klammert sich panisch an die untergehende «MS Teeniefilm», welche vor Jahren seine Karriere auf Kurs gebracht hat. Fluch oder Segen, er kommt vom Klischee des Schönlings nicht los, konsequent lässt er sich wieder und wieder in dieselben stereotypen Rollen casten. Er täte gut daran, mit dem sinkenden Kutter eine Weile auf Tauchstation zu gehen, um nach einer Weile mit einem wirklich, wirklich guten Drehbuch wieder aus der Versenkung zu kommen. Bei Matthew McConaghey hats ja auch geklappt.

Was das sinkende Schiff anbelangt: Es ist nicht alle Hoffnung verloren! Abseits von Hollywood wird der Teeniefilm gerade von einer frischen Generation von Regisseuren neu interpretiert. Und für diejenigen, die es lieber klassisch haben, läuft «We Are Your Friends» in den Kinos. 

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«We Are Your Friends» läuft seit dem 27. August in den Deutschschweizer Kinos.

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