Heini Gugelmann gehört in die Manege. Gut, dass er seine eigene hat. Der Direktor und Dompteur des Kleintierzirkus‘ «Circus Maus» weiss auch noch nach über 40 Jahren, wie er sich zu inszenieren hat – auch ausserhalb des Zelts beim Mittagskaffee.
Dem klassischen Zirkus mit Tieren stehen schwere Zeiten bevor. Immer mehr Länder in Europa reglementieren die Dressurarbeit stark. Bei vielen Zirkussen sind die Tiere aber die Hauptattraktion, weshalb die neuen, restriktiven Gesetze zu einem stetigen Rückgang der Anzahl Tierzirkusse in Europa geführt haben. Der Druck der Tierschützer steigt auch in der Schweiz. Zirkusdirektor Heini Gugelmann braucht sich um die Zukunft seines «Circus Maus», den er seit 42 Jahren leitet, aber keine Sorgen zu machen.
Die Artisten seines Kleintierzirkus‘ sind allesamt domestiziert. Im Gegensatz zur Haltung von Wildtieren stellt das Trainieren dieser Lebewesen noch kein öffentliches Problem dar. Heini tritt mit seinen rund 30 tierischen Artisten im Auftrag bezahlender Kunden auf. Nebenbei auch immer wieder in Filmen und in Werbespots. Akteure wie die Hündin Sina, das Pony Holiday oder Kater Fritz, führen dann die Kunststücke vor, die ihnen der eidgenössisch diplomierte Tierpfleger Gugelmann beigebracht hat. In seiner Show «Haustierrevue» legen 25 Kleintiere abwechslungsreiche Darbietungen aufs Parkett, oder Ziegen und Hühner hüpfen in «Der kleine Bauernhof» umher, wie es ihnen die Natur beigebracht hat. «Journalisten wollen immer wissen, ob ich davon leben kann», sagt Heini, «dabei gibt es den Zirkus schon seit 1972.»
Mit seinen Tieren wohnt er auf dem Kleinblauen hinter einem Bauernhof. Es macht den Anschein, als wolle er hier die glorreichen Jahre des klassischen Zirkus‘ im Kleinformat konservieren. Heini wohnt trotz festem Wohnsitz in einem Wohnwagen, umgeben von Tieren, ihren Gehegen, Zirkusrequisiten und einem Probezelt. Die Verwitterung und Heinis grüner Daumen mit exotischen Pflanzen verleihen dem Grundstück zusätzlich noch etwas Jurassic-Park-Flair.
«Ich mag es unkonventionell»
Heini stammt nicht aus einer Zirkusfamilie. Dennoch strahlt er diese Präsenz aus, die sonst die Traumverkäufer aus den traditionellen Artistenfamilien haben. «Ich mag es unkonventionell», sagt Heini. Das sieht man ihm auch gleich an: Heini trägt mit 67 Jahren Röhrenjeans und Nietengürtel. «Il faut toujours savoir jusqu’où on peut aller trop loin!» (Man muss immer wissen, bis wohin man zu weit gehen kann!), zitiert er den französischen Schriftsteller Jean Cocteau in seiner Broschüre. Das nimmt er sich auch beim Erzählen zu Herzen: Der Kaffee mit ihm nach dem Mittagessen dauert über zwei Stunden.
Heini erzählt eine Promi-Anekdote nach der anderen. Zeit um Fragen zu stellen, lässt er dabei nur selten. Heini ist nicht nur im Zelt Direktor, sondern auch im Gespräch. Was bei anderen unsympathisch wäre, stört hier nicht. Denn Heini kennt die Kunst der guten Unterhaltung. Seine Geschichten schlagen ein. Zum Beispiel als er Christoph Blocher und der Ems Chemie eine Absage auf ihre Anfrage erteilte, da sie vehement versuchten, die Gage runterzuhandeln. Oder als ein Sekretär des Altbundeskanzlers Kohl aus dem Kanzleramt in die Basler Beiz «Zem alte Schluuch» telefonierte, weil es sich herumgesprochen hatte, dass er da gut zu erreichen sei.
Von der Landwirtschaft zur Raubkatze
Die ersten Schritte in der Zirkuswelt machte Heini gleich mit Grosskatzen. Heini absolvierte nach einer Landwirtschaftslehre die Kunstschule in Basel und heuerte dann beim Zirkus als Raubkatzenpfleger an. Nach ersten Erfahrungen mit den Tieren wanderte Heini nach Amerika aus, wo er in Kalifornien bei «Holters Movieland Animals» arbeitete und zum Dompteur wurde. Heini gefiel die Zeit in Kalifornien, es störte ihn aber, dass die Raubkatzen damals keinen Auslauf hatten.
Als er in die Schweiz zurückkam, wollte er es seinen Tieren gemütlicher machen. Im August 1980 jedoch gewährte er einer Löwin während einer Vorstellung in Basel ein wenig zu viel Auslauf: Die Löwin büxte aus und machte sich auf eine selbstständige Tour durch Basel, von welcher sie dann ohne Zwischenfälle wieder zurückkehrte. Er lacht herzlich, als er das Foto zeigt, auf dem er die alarmierten Polizisten gerade dazu überredet, ihn die Vorstellung trotz aller Bedenken beenden zu lassen.
Heini ist «nicht unstolz» auf sein unkonventionelles Leben. Und unkonventionell soll es auch noch bleiben. Ans Aufhören denkt er noch nicht. «Die werden dich fressen», habe sein Vater gesagt, als er damals von Heinis geplanter Zukunft als Dompteur erfuhr. Die Tiger und Löwen hat Heini überlebt. Ein entsprechendes Ableben durch Heinis Ratten, Hasen, Katzen und Hunde wäre zwar um einiges grausamer, glücklicherweise aber auch umso unwahrscheinlicher.