Es ist Zeit für die Wagen-Cliquen, ihre Kunstwerke auf vier Rädern herzurichten. Doch viele stellen fest, dass sie keinen Einstellplatz für ihre Wagen finden. Und andere fürchten um die bisherige Bleibe.
Es ist keine angenehme Situation für die Route-Bysser-Waggis: Der November neigt sich dem Ende zu, und noch immer haben sie keinen Platz, wo sie ihren Wagen für die kommende Fasnacht bereitmachen können. «Uns wurde aus wirtschaftlichen Gründen das Baulokal gekündigt», sagt Stephan Fluri, Obmann der Route-Bysser-Waggis.
Acht Jahre konnten die Route-Bysser-Waggis ihren Wagen am selben Ort bauen. Nun hat der Besitzer Eigenbedarf angemeldet und die Fasnächtler vor die Tür gesetzt. Das war Anfang November. Im Dezember wollen und sollten sie zu bauen anfangen. Wo, das wissen Fluri und seine Kollegen noch nicht. Im schlimmsten Fall müssen sie irgendwo draussen «auf freiem Feld» bauen. Das ist nicht nur ungemütlich, sondern auch hinderlich für den Arbeitsprozess.
«Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kann man nicht mit Farbe hantieren», sagt auch Hans Rudolf Rykart. Er ist Obmann der Sürkrütt-Waggis, die ihren Wagen seit zehn Jahren in einer Aescher Bauhalle auf die Fasnacht vorbereiten können. Auch wenn sie ein Dach über dem Kopf haben, so ist es eiskalt in der Halle. Nicht gerade gemütliche Bedingungen, und «vor der Fasnacht ist dann die halbe Belegschaft krank».
Der Besitzer der Halle in Aesch erwägt, in den nächsten Jahren in Pension zu gehen. Was danach geschieht, wissen die Fasnächtler nicht. Wird ihnen der Nachmieter weiterhin Mietrecht einräumen? Und wenn ja, werden sich die Sürkrütt-Waggis die verlangte Miete leisten können? «Wir sitzen wie auf Nadeln», sagt Rykart.
Geldgier verschärft die Lage
Das Problem der fehlenden Wagenbau- und Einstellplätze ist der Wage IG, in der 110 der insgesamt 130 beim Fasnachts-Comité registrierten Fasnachtswagen organisiert sind, bekannt. Ihr Obmann, Roger Borgeaud, sagt, die Situation habe sich vor allem in den letzten zwei Jahren zugespitzt. Wie viele Wagen tatsächlich Platzprobleme haben, weiss Borgeaud jedoch nicht: «Man streckt sich Jahr für Jahr teilweise mit grösserem Mehraufwand zur Decke, bis es nicht mehr geht.»
Grund für die Engpässe ist laut Roger Borgeaud und Stephan Fluri nicht, dass in der Region Basel zu wenig Raum für Wagenplätze vorhanden wäre. Es sei die Einstellung der Besitzer, die zum Problem werde. «Viele wittern ein finanzielles Geschäft, wenn sie einen Platz vermieten», sagt etwa Fluri. Diese Geldgier sei es, die den Fasnächtlern oft zum Verhängnis werde.
Ihr monatliches Budget für die Platzmiete ist begrenzt. Ausserdem seien viele Firmensitze gar nicht mehr in der Region, so dass der lokale Bezug fehle und somit auch der Bezug zur Basler Fasnacht. Fluri weiss: «Es geht alles nur über Beziehungen und etwas Glück.» Borgeaud bestätigt diesen Eindruck: «Ohne persönliche Kontakte ist es schwierig.» Auch hätten manche Vermieter in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Wagencliquen gemacht und wollten daher nicht mehr vermieten.
Letzteres ist für Stephan Fluri von den Route-Bysser-Waggis nicht nachvollziehbar: «Gerade in der jetzigen schwierigen Situation sollte allen Wagencliquen bewusst sein, dass keine Chance verspielt werden darf.» Ansonsten, so fordert er, müsse sich die Wage IG einschalten und die fehlbaren Fasnächtler zur Rede stellen.
Damit Vitamin B und das Glück nicht mehr die wichtigsten Faktoren sind, um einen geeigneten Wagenbau- und Einstellplatz zu ergattern, wünscht sich Wage-IG-Obmann Borgeaud mehr Unterstützung von oben, vom Fasnachts-Comité und vom Staat.
Beim Fasnachts-Comité ist man sich des Problems durchaus bewusst. Das bestätigt Comité-Obmann Christoph Bürgin. «Aber wir können nicht viel machen, um die Lage zu verbessern.» Das Comité könne das Problem lediglich immer erwähnen, «wenn wir im Gespräch mit Regierungsmitgliedern sind». Man sei aber darum bemüht, zu Lösungen oder zumindest zu Verbesserungen beizutragen.
Und der Staat? Zuständig für die Nutzung von öffentlichem Raum ist die Allmendverwaltung. Wie steht man hier den Fasnächtlern und ihrem Platzproblem gegenüber? «Wir haben auch schon Fasnächtlern einen Platz vermietet, wenn wir einen hatten», sagt Niklaus Hofmann, Leiter der Allmendverwaltung. Aber der Platz im Stadtkanton sei halt sehr beschränkt.
Daher sei er auch skeptisch gegenüber der Idee, beispielsweise eine grosse Halle zu bauen und darin den Wagen-fasnächtlern Platz zur Verfügung zu stellen, wie das etwa die Stadt Düsseldorf macht. «Möglicherweise wäre es sinnvoll, die Probleme auf dem politischen Weg zu artikulieren.» Also über die Regierung oder über den Grossen Rat.
Originellere Wagen
Die Engpässe bei den Wagenbauplätzen hätten Einfluss auf die Qualität der Wagen, behaupten Wagenfasnächtler. Comité-Obmann Bürgin will das nicht bestätigen: «Das Niveau ist in den letzten Jahren sogar eher gestiegen, die Wagen sind origineller geworden.» Allerdings blieben dem Comité auch eher die speziellen Wagen in Erinnerung. «Ob einer den letztjährigen Wagen einfach nur umgespritzt hat, ist auf Anhieb am Cortège nicht erkennbar.»
Doch wenn die Mieten für die Bau und Einstellplätze höher werden, belastet dies das Budget. Dann muss anderswo gespart werden. Etwa beim Material. «Dann muss man sich an eine Fasnacht gewöhnen mit Zivilpersonen auf leeren Fasnachtswagen», sagt Route-Bysser-Obmann Stephan Fluri. So weit wird es hoffentlich nie kommen.
Letztlich bleibt den Wagen-Fasnächtlern nur eine Hoffnung. Diejenige auf Firmen und Landbesitzer, die sich kulant zeigen und nicht nur das grosse Geschäft mit der Platzmiete wittern. Solche, die stolz darauf sind, sagen zu können: «Wir beherbergen eine echte Basler Fasnachtsclique.» Auf einen solchen Engel hoffen auch die Route-Bysser-Waggis. Damit sie im Dezember anfangen können, ihren Wagen für die Fasnacht 2013 zu gestalten.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.11.12