Die Basler, die Schweiz, Deutschland – und die Allerschlimmsten

Das neue Basler Stadtbuch ist am Donnerstagabend der Öffentlichkeit präsentiert worden. Ein Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe ist ein belastetes Thema: «Basel und die anderen». TagesWoche-Redaktor Michael Rockenbach hat sich in diesem Zusammenhang mit einer der kompliziertesten Beziehungen auseinandergesetzt – des Baslers Krux mit dem Landschäftler.

Kampf in Liestal zwischen Truppen der Stadt Basel und Verbänden der Basler Landschaft 1831. (Bild: Eidg. Kupferstichsammlung)

Das neue Basler Stadtbuch ist am Donnerstagabend der Öffentlichkeit präsentiert worden. Ein Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe ist ein belastetes Thema: «Basel und die anderen». TagesWoche-Redaktor Michael Rockenbach hat sich in diesem Zusammenhang mit einer der kompliziertesten Beziehungen auseinandergesetzt – des Baslers Krux mit dem Landschäftler.

Basel ist eine Einwandererstadt und hat immer wieder Gruppen von Zuzügern innerhalb weniger Generationen integriert. Nicht, dass diese Prozesse immer reibungslos verliefen. Doch bei allen «Schwoobe», Italienern, Türken, Albanern und übrigen Migranten: Zu niemandem ist das Verhältnis historisch enger und nachbarlich komplizierter als zu den Baselbietern.

Über sie reden in Basel auch jene Politiker nicht gerne, die Auseinandersetzungen sonst eher suchen, als ihnen aus dem Weg zu gehen. Das leidige Thema wird höchstens in privaten Unterhaltungen angesprochen. Das tönt dann zum Beispiel so: «Die Baselbieter sind wie kleine Kinder. Sie wollen überall mitreden, aber möglichst keine Verantwortung übernehmen. Und auch möglichst nichts zahlen für die gemeinsamen Institutionen.»

So sehen es in Basel linke wie rechte Politiker, wenn die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kantonen wieder einmal ins Stocken gerät. In der Öffentlichkeit jedoch reden die gleichen Politiker meistens sehr viel vorsichtiger – von «neuen Herausforderungen» oder «Irritationen», welche die «erfolgreiche Zusammenarbeit» aber «selbstverständlich nicht grundsätzlich infrage» stellten, ist dann die Rede. Gleichzeitig erinnern sie die Baselbieter daran, dass es neben Rechten auch Pflichten gebe. So, wie sich ein vernünftiger Erwachsener im Konflikt mit einem störrischen Kind eben verhält.

Überhebliche Basler

Bei all dem Reden und Mahnen wird häufig vergessen, wie sehr die Basler auf die Baselbieter angewiesen sind: Auf die Tausenden von Pendlern, die Tag für Tag in die Stadt kommen, um in der Novartis, in der Roche oder wo auch immer ganz normal mit den Baslern und all den anderen «Anderen» zusammenzuarbeiten und so neben dem eigenen Wohlstand auch jenen der Region zu mehren.

Auch der grösste Stolz der Stadt, die Fasnacht, wäre ohne die vielen Baselbieter kaum die Hälfte wert. Und der in der ganzen Region hoch verehrte FC Basel könnte sogar ebenso gut «FC Baselbiet» heissen, und das nicht nur wegen des Stadions direkt auf der Kantonsgrenze. Die Teamstützen Benjamin Huggel, Alex Frei und Marco Streller stammen alle aus dem Baselbiet.

Dankbarkeit kann man von den Baslern dennoch nicht erwarten. Dafür sind sie zu überheblich. Oder freundlicher ausgedrückt: zu selbstzufrieden. Deutlich zeigt sich diese Haltung unter anderem in der Redaktion der Basler Zeitung, die sich in Kommentaren und Leitartikeln immer wieder in schönen und teils flammenden Worten für die regionale Zusammenarbeit einsetzt. In der Praxis kühlt die Begeisterung für Grenzüberschreitungen aber meist rasch ab. Einen Vertreter des Stadtressorts beispielsweise an einen Anlass auf dem Land zu bringen, ist schwierig, sehr schwierig. Ihm einen Text über das Baselbiet abzuringen, praktisch unmöglich. Denn der Herr Redaktor will sich aufs Wesentliche konzentrieren: auf seine Stadt, das grosse Basel mit seiner hohen Politikkunst, seiner vornehmen Gesellschaft und seinen prestigeträchtigen Partnerschaften. Hamburg! Schanghai! Moskau! An solchen Städten misst sich Basel. Da können die einstigen Bauern-, Handwerker- und Posamenterdörfer nicht mithalten.

Eigensinnige Baselbieter

Die Baselbieter haben allerdings ebenfalls ihre Macken im Umgang mit der Stadt. Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) zum Beispiel, der gewichtigste Mann in der Baselbieter Regierung, lässt in seinen Äusserungen gerne wohldosiert seine Abneigung gegen die Stadt durchschimmern. Oder «Berufsbaselbieter›» wie Caspar Baader, Christian Miesch (beide SVP) und Hans Rudolf Gysin (FDP), denen alles egal zu sein scheint, was mit Basel zu tun hat, selbst Vorzeigeinstitutionen wie die gemeinsame Universität. Bei der Abstimmung über die lückenlose Fortsetzung der Bundesbeiträge stimmte Baader jedenfalls Nein, Miesch und Gysin schwänzten die Sitzung. Ausgerechnet diese drei Stimmen sollten der Uni schliesslich fehlen.

Das Gezeter nach der verlorenen Abstimmung, das Anprangern der «Feinde Basels» war typisch für die öffentlichen Debatten zwischen den beiden Basel. Diese finden selten statt, dann aber umso heftiger, beispielsweise im Frühjahr 2011, als Baselland die Erhöhung der Subventionen an das Theater Basel um jährlich rund vier Millionen Franken knapp ablehnte. Die Baselbieter seien kulturlose Banausen, hiess es danach in Leserbriefen und Internetforen. Die «Rambassen» seien zufrieden, wenn sie an einen Turnerabend, an ein Dorftheater oder eine Maibaumfeier gehen könnten.

Auch in dieser gereizten Stimmung hielten sich die Basler Politiker mit ihren Aussagen zwar eher zurück, im Grossen Rat bereiteten sie aber eine Revanche vor: Die Baselbieter sollten künftig mehr für ein Theaterbillett zahlen, lautete der Plan. Im Gegenzug drohten auf dem Land erste Politiker schon damit, von den Baslern bald Gebühren für das Benutzen der eigenen Wanderwege zu verlangen. Glücklicherweise wies irgendwann jemand darauf hin, dass die Vorschläge nur realisierbar seien, wenn man beim Theatereingang ebenso wie auf den Wanderwegen regelmässige Ausweiskontrollen vornehme. Das schien selbst den aufgeregten Politikern etwas übertrieben, die Revanchepläne wurden begraben. Dennoch war die seltsame Debatte mehr als nur eine kuriose Episode; sie war Ausdruck eines seit jeher schwierigen Verhältnisses.

Lesen Sie weiter: Die Geschichte der beiden Basel ist eine der Widersprüche und des Streits.


Quellen

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