Die digitale Transformation hält auch in der Baubranche Einzug. Disziplinübergreifender, vernetzter und dynamischer soll in Zukunft gebaut werden. Das Modell dazu heisst «BIM» – und bedeutet Aufwand.
Bauen an sich ist etwas sehr Einfaches. Die Menschheit braucht ein Dach über dem Kopf und hat sich zu allen Zeiten eines gebaut. Komplex wurde das Leben am Bau erst, als nicht mehr jeder alles machte. Steinmetz, Maurer, Zimmermann und Schreiner mussten sich irgendwie verständigen.
Kein Zufall, dass sich die erste geschichtlich bekannte Baupanne aus Kommunikationsgründen ereignete: Beim Turmbau zu Babel fehlte den Beteiligten eine gemeinsame kommunikative Basis. So würde man das heute ausdrücken.
Und genau das wiederholt sich heute – allerdings in digitaler Sprache. Nehmen wir die Bauwirtschaft als eine Gruppe von Unternehmen aus jedem Segment, vom Kleinunternehmen bis zur Grossfirma, die sich auf eine gemeinsame Basis einigen müssen. Die Konkurrenz unter den rund 60’000 Unternehmen der Schweizer Bauwirtschaft ist hart, es gibt unzählige Verbände und Interessengemeinschaften. Und noch immer arbeitet man an besseren Modellen.
«In der Schweiz wird noch zu wenig geplant und zu viel gebaut.» Projektplaner Paul Curschellas
Gesprochen wird inzwischen immer noch in verschiedenen Sprachen, aber vor allem digital. Doch dies noch nicht genug, findet der Architekt und Projektplaner Paul Curschellas. Generell werde in der Schweiz noch zu wenig geplant und zu viel gebaut. «Das Verhältnis ist derzeit ungefähr ein Drittel Planung, zwei Drittel Bauen», sagt er.
Seiner Meinung nach, wäre es andersherum allerdings besser. Unter anderen vertritt er dabei die Initiative «buildingSMART», die die Einführung digitaler Technologien in der Schweizer Bauwirtschaft fördern will.
Paul Curschellas, Vertreter der Initiative «buildingSMART», will mithelfen, Bauen zeitgemäss organisieren. (Bild: ieu ag)
Mit «digital» ist dabei weniger die Arbeit am Rechner gemeint, als eine organisatorische Veränderung. Das Modell dazu heisst «Building Information Modelling», kurz: BIM. Das digitale Modell wird seit geraumer Zeit angewandt, um die Prozesse in der Bauwirtschaft zu verbessern. Meist mit Hilfe entsprechender Software, die die Zusammenarbeit erleichtern soll. Sollte sich BIM in der Schweiz durchsetzen, rollen auf die Bauwirtschaft einschneidende Veränderungen zu.
Es fehlt an vernetzter Zusammenarbeit
Für Fachfremde ist es schwierig, sich unter BIM etwas Konkretes vorzustellen. Wie sieht BIM aus? Und wozu braucht es eine neue Organisation am Bau? «Bauen ist ein Prozess», erklärt Curschellas. Und es gebe Möglichkeiten, diesen zu verbessern, was er mit BIM erreichen will.
«Eigentlich plant hier jeder, wie er will», sagt der Projektmanager. «Manchmal ist der einzige Mensch, der eine Planung interpretieren kann, der Planer selbst». Das ist ironisch gemeint, die Standards sind tatsächlich ziemlich gut. Woran es mangelt, ist seiner Ansicht nach eine vernetztere Zusammenarbeit.
Da geht es zum Beispiel darum, dreidimensionale Gebäudemodelle zu erstellen, deren Energieeffizienz mit wenig Aufwand per Software überprüft werden kann. Dazu aber muss man auf Daten zugreifen, die vielleicht anderswo verfügbar sind. Oder darum, dass eine Änderung in allen Unterlagen nachvollzogen werden kann, wenn sie an einer Stelle gemacht wird, was ein häufig auftretender und aufwendiger Prozess ist, an dem viele Parteien beteiligt sind.
Bei BIM geht es natürlich nicht zuletzt um Geld. Wer schneller und effizienter arbeiten kann, hat auch eine bessere Position am Markt. Nur müssen alle anderen Beteiligten dabei mitmachen.
Das Interesse an einem kooperativen Modell hält sich in Grenzen
Das Interesse an einem kooperativen Modell hält sich jedoch in Grenzen. Von den mit BIM einhergehenden Kosten sowie rechtlichen Folgen wie Urheberrechtsproblemen ganz zu schweigen. Hört man sich ein wenig um, ist BIM nicht zuletzt umstritten. Manchem Architekten ist BIM gar völlig unbekannt. Dennoch: Versuche, die Softwarebasis in der Architektur so auszubauen, dass sie mehr Informationen für alle enthalte, gab es schon früher.
Die meisten sind am Aufwand gescheitert, den es darstellt, die Daten ständig aktuell zu halten. Denn: Ein Modell, das veraltete Daten enthält, ist schlimmer als gar keines. Ein neues Modell einzuführen, bedeutet Aufwand, den sich eher grössere Unternehmen leisten können, kleinere, so befürchten Architekten, hätten dabei das Nachsehen.
Immerhin: Von BIM verspricht man sich eine bessere Qualitätssicherung, Reproduzierbarkeit und auch Dauerhaftigkeit. So könnte man jeden Schritt auch dann noch nachvollziehen, wenn ein Gebäude schon jahrelang steht und geändert oder abgerissen werden soll. In einigen Ländern wie Grossbritannien oder Dänemark sind BIM-Modelle bereits Gesetz, in der EU wird daran gearbeitet.
Die offizielle Lobby gründet sich 2016
Für Paul Curschellas ist BIM eine modernere und zeitgemässere Form, Bauen zu organisieren. Wichtig ist nach seiner Ansicht, dass die Schweizer Baubranche das Thema jetzt anpackt, um international nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Deshalb hat «buildingSMART» zusammen mit der Berufsgruppe Technik des Schweizer Ingenieur- und Architektenvereins SIA und der Interessens-Plattform swissBIMalliance Teil der Interessensgemeinschaft «Bauen Digital Schweiz» gegründet, die die Einführung von BIM in der Schweiz fördern will. Lanciert wurde deren Gründung am 12. Juni, die offizielle Gründung ist für 2016 geplant.
Vor sich hätte die Initiative zunächst einmal aufwendige Kleinarbeit. Das allgemeine Modell von BIM müsste an die Schweizer Verhältnisse angepasst werden. «Begriffe, Prozesse und Verständigung müssen in der Baubranche neu verhandelt werden», führt Curschellas auf. «BIM-Neulinge» bräuchten Unterstützung und in der Lehre möchte man BIM auch verankern.
Ob das nun klappt oder nicht, die digitale Transformation wird auf die ein oder andere Weise auch in der Baubranche Einzug halten, die damit einer spannenden Zeit entgegensieht. Gefordert sind generell mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit, neue Kommunikationswege und die bessere Vernetzung von Unternehmen untereinander. Für grosse Baufirmen genauso wie für KMU.