Die BaZ in der Hand von Blocher-Vertrauten

Auch nach dem dritten Umbruch in zwei Jahren versprechen die Galionsfiguren der «Basler Zeitung» dem Medienplatz gute Zeiten. Sie präsentieren neue Verwaltungsräte, verbannen den Namen Blocher – und laden das Publikum ein, wieder zu hoffen. Zweimal hat es schon funktioniert.

Christoph Blocher: Multimilliardär, SVP-Nationalrat, Volkstribun und nun auch Filmstar. (Bild: Christian Hartmann/Reuters)

Auch nach dem dritten Umbruch in zwei Jahren versprechen die Galionsfiguren der «Basler Zeitung» dem Medienplatz gute Zeiten. Sie präsentieren neue Verwaltungsräte, verbannen den Namen Blocher – und laden das Publikum ein, wieder zu hoffen. Zweimal hat es schon funktioniert.

Schon 2009, als monatelang zuerst die «Tages-Anzeiger»-Gruppe Tamedia, dann die NZZ mit der Basler Verlegerfamilie Hagemann über einen Kauf der «Basler Zeitung» verhandelten, zirkulierten Gerüchte, der Tessiner Financier Tito Tettamanti wolle Matthias Hagemann ein Kaufangebot unterbreiten. Und: Der Tessiner arbeite hinter dem Vorhang im Verbund mit Kreisen um Christoph Blocher. Veröffentlicht wurden solche Informationen kaum, vor allem weil die miteinander verbandelten Schweizer Medien im Kampf um den lukrativen Platz Basel eigene Interessen verfolgten und ihre Chancen nicht schädigen wollten.

Als der Tessiner Investor die BaZ Ende Februar 2010 mit einem Höchst­angebot der NZZ vor der Nase weggekauft hatte, liess er sofort verkünden, er habe verhindert, dass die Zeitung zur tristen Lokalausgabe der Zürcher NZZ oder des «Tages-Anzeigers» verkomme. Als lokalpatriotische Erdung machte Tettamanti den Basler Anwalt Martin Wagner zum Mitbesitzer und Verleger. Frohgemut versprach dieser eine von Baslern für Basler gemachte Zeitung. Die erschütterte Redaktion und die verunsicherte Basler Öffentlichkeit wollten das gerne glauben.

Vergeblich hatte sich Martin Wagner gegen Markus Somms Ernennung zum Chefredaktor gewehrt. Am 30. August 2010 trat Somm sein Amt an. Von diesem Moment an konnten Eingeweihte wissen, dass Verleger Wagner nur ein Statthalter ohne eigene Entscheidungsmacht war und dass auch Tettamanti in weit über die BaZ hinausreichenden Medienplänen rechtskonservativer Kreise wahrscheinlich bloss als temporärer Financier und namensgebende Galionsfigur für den Projektteil Basel vorgesehen war.

Die NZZ am Sonntag brach das Schweigen

Aber noch blieb die Decke des Schweigens dicht. Journalisten redeten viel über die BaZ, aber alle Medienhäuser fanden es opportun, sich in Basel nicht einzumischen. Bis die «NZZ am Sonntag» im November 2010 aufdeckte, dass Christoph Blochers Beratungsfirma Robinvest eine Restrukturierung der BaZ-Gruppe vorbereitete. Tettamanti wollte sich diesbezügliche Fragen ersparen und verliess die BaZ kurzfristig durch den Hinterausgang. Und Wagner liess er als macht- und hoffnungslosen Strohmann «verbrennen».

Praktisch augenblicklich stand als Ersatzeigentümer und -verleger mit Moritz Suter eine Ikone des baslerischen Selbstwertgefühls bereit. Moritz Suter war der richtige Mann zur richtigen Zeit: Der Ex-Patron der Crossair, der Basel temporär als Hub auf die europäische Flugverkehrskarte gesetzt hatte, galt in Basel als einer der «Unseren». Suter versprach wie vor ihm Wagner das, was man in Basel hören wollte: Die BaZ bleibe eine unabhängige Basler Qualitätszeitung. Und er sicherte zu, Blochers Robinvest werde aus der BaZ entfernt.

Somm blieb als Chefredaktor im Amt und provozierte viele Basler weiter mit seinem ultraliberalen Kurs. Aber mit Suter an der Spitze wollten viele BaZ-Kritiker doch wieder an eine neue Chance glauben. Sogar dann noch, als sichtbar wurde, dass Suter als Eigentümer der BaZ Holding AG die Firma nur formell kontrollierte und hinter ihm ganz andere nicht genannt sein wollende Kräfte stecken mussten.

Strohmann Moritz Suter durfte sich nicht persönlich verabschieden

Auch Moritz Suter war nur ein Strohmann. Wie Wagner war auch er getrieben von Ehrgeiz und schätzte die realen Machtverhältnisse falsch ein. Als man ihn nicht mehr brauchte, liess man auch ihn «verbrennen». Am letzten Montag sah man den Traum des alten Mannes als Retter der «guten alten BaZ» in einem später von Medien im Wortlaut publizierten pathetischen SOS-E-Mail an die Mitarbeiter verglühen. Dem Vernehmen nach hätte sich Moritz Suter gern persönlich verabschiedet. Aber diesen Moment der Freiheit des Strohmanns wollten die Puppenspieler hinter dem Vorhang offenbar nicht riskieren. 

Nicht verhindern konnten sie, dass Suter in seinem Mail das seit Monaten laufende Verwirrspiel um die finanziellen Hintergründe der BaZ weitgehend beendet hat. Jetzt liegt offen, dass Christoph Blocher, vertreten durch seine Tochter Rahel das Basler Unternehmen mit einem Darlehen mindestens seit ­einem Jahr beherrschte. Bestätigt ist auch, dass Blocher den einstigen UBS-Chef Marcel Ospel, der in der Finanzkrise von 2008 Milliardenverluste und eine Rettungsaktion durch den Bund zu verantworten hatte, als Zwischenfinancier für seine Medienpläne eingespannt hat.

Der Name Blocher, eben enttarnt, ist wieder tabu

Jetzt segelt die BaZ im neugegründeten Verband der Medienvielfalt Holding AG. Der Name Blocher ist wieder tabu. Auch Tochter Rahel, gerade erst als existenzielle Stütze enttarnt, ist wieder verschwunden. Es läuft also auch beim dritten Mal ähnlich wie beim ersten und zweiten Mal. Hauptverantwortlich bei der BaZ bleiben Blocher-Vertraute: Chefredaktor Markus Somm, als Verwaltungsratspräsident neu Filippo Leutenegger, der schon als Moderator der «Arena» des Schweizer Fernsehens im Ruf stand, enge Beziehungen zur SVP zu pflegen, und jetzt im Schweizer Fenster des Privat­senders Sat1 seine eigene «Politarena» produziert – in den Lob­s­ter Studios in Schlieren, die Blochers Robinvest kaufte, sanierte und ausbaute, bevor man sie an die Mitarbeiter verkaufte. Und als Hauptaktionär erneut Tito Tettamanti, bei dem man schon nach dem ersten Auftritt nie ganz wusste, in welcher Rolle, mit welchen Partnern und mit welchen Zielen er agierte.

Klar ist jetzt, dass es den Promotoren der neuen «Medienvielfalt» nicht nur um ein Basler Projekt geht. Das war wahrscheinlich von Anfang an so. Sicher hätten die rechtskonservativen und ultraliberalen Kräfte um Blocher und Tettamanti lieber eine Zeitung im Kanton Aargau erworben, wo Asylheime verpönt und Atomkraft und Auto­bahnen beliebt sind.

Die BaZ als Brückenkopf für Expansionen

Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Tettamanti die BaZ gekauft mit dem Ziel, einen Brückenkopf für Expan­sionen aufzubauen. Dem Vernehmen nach hat die BaZ mit dem neuen Chefredaktor Somm 2010 versucht, den Verleger der «Aargauer Zeitung», Peter Wanner, zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Man spekulierte, Wanner werde nach der Finanzkrise von 2008 Hilfe nötig haben.

Aber die Konjunktur erholte sich und die AZ wollte sich nicht an die BaZ anlehnen. Im Gegenteil: Mit einer Basler Ausgabe des «Sonntag» setzt Wanner die BaZ unter Druck. Bei der BaZ sieht man die AZ-Gruppe, der auch die «Basellandschaftliche Zeitung» gehört, als Hauptkonkurrentin.

Wie dieses Spiel ausgeht, ist ungewiss. Eine Rolle spielt wohl auch die Tamedia. Der Zürcher Konzern hat Wanner kürzlich TeleZüri und Radio 24 verkauft. Man spricht von aufsehen­erregend tiefen Preisen. Da zirkuliert schon die Frage, was Tamedia von Wanner als Gegenleistung bekommen könnte? Spekuliert wurde schon über eine allfällige Zusammenarbeit zwischen Tamedias «Sonntagszeitung» und Wanners «Sonntag».

Tettamantis Medienvielfalt Holding bietet Raum für Erweiterungen. Laut einem Gerücht sollen die «Schaffhauser Nachrichten» (SN) bald zur BaZ stossen. SN-Verleger und -Chefredaktor ist Norbert Neininger – ein munterer Journalist alter Schule, der in seinem Lokalfernsehen regelmässig Blochers Selbstdarstellungsshow «Teleblocher» sehen lässt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16/12/11

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