Man kann aus einer Million Titel auswählen – und seinen Wunschsong gegen einen Aufpreis an die Spitze der Warteliste setzen. Die Jukebox der Gegenwart hängt am Internet und lässt sich ziemlich raffiniert programmieren, wie das Beispiel in der Basler Friends Bar zeigt.
Sie hat mehr Wähler als Eric Weber. Und ein grösseres Repertoire als jeder DJ. Sie ist das ultimative Objekt der Begierde in Nächten wie diesen: Die Jukebox in der Basler Friends Bar. Hier, gleich neben der Lady Bar, landet man in späten Stunden, wenn der Geist umnebelt, das Bein müde, die Stadt ansonsten tot, aber eine falsche Hoffnung existent ist, dass es noch irgendetwas zu erleben gäbe. Und sei es auch nur der Wettkampf am Töggelikasten, im Dart oder an der Jukebox.
Automaten mit Herz und Seele
Ein Statement gegen die Kurzlebigkeit
Namensgeber der Friends Bar:
Happy Birthday, Friends!
Es kann vorkommen, dass der Betrieb in der Friends Bar, diesem Sammelbecken für gestrandete Nachtschwärmer, einem Wettbewerb gleicht. Denn hier hängt eine Musikbox an der Wand, die mit jeder fortgeschrittenen Stunde begehrter wird.
1 Million Songs: die Qual der Wahl
Nicht genug, dass man aus einer Million Songs auswählen kann – die Maschine ist mit dem Internet verbunden. Nein, wenn man sein Lied gewählt hat, aber keine Lust, 20 Minuten zu warten, bis der Wunschsong an der Reihe ist, dann kann man gegen einen Zusatzbetrag vorwählen. Sprich: Noch einmal 50 Rappen einwerfen und damit die anderen Songs in der Warteschlange überholen. Herrlich fies.
Die Jukebox in der Friends Bar heisst Max Fire und stammt von der österreichischen Firma TAB. Sie wird – wie alle Musikboxen in Bars – von externen Spezialisten betreut. Im Fall der Friends Bar ist das Herr Cengiz, der eine Handvoll Lokale in Basel mit Jukeboxes ausgestattet hat und diese unterhält. «Damit habe ich mir ein Stück weit mein Jus-Studium finanziert», sagt er.
In guten Nächten werden 50 Franken eingeworfen
Reich wird man allerdings nicht: «In guten Nächten werden knapp 100 Songs gewählt, im Wert von 50 Franken», sagt Mustapha Catar, der mit seinen Brüdern die Kultbar an der Feldbergstrasse führt. Die Hälfte des Betrags kann die Bar behalten, die andere kassiert der Leihgeber Cengiz. Er kümmert sich um den Unterhalt dieses Computers, der mit 2 Terrabyte-Harddisk ausgestattet ist, auf welcher rund 30’000 Titel abgespeichert sind.
Wenn jemand einen Song wünscht, der noch nicht auf der HD ist, kann er diesen für den Betrag von 1.50 bis 2 Franken aus dem Internet herunterladen. Damit bereichern sich aber nicht die Betreiber, wie Cengiz erklärt: «Diesen Betrag müssen wir für die Lizenzgebühren verlangen.»
Raffinierte Einstellungsmöglichkeiten
Wie raffiniert die modernen Jukeboxes sind, zeigt sich bei den Einstellungsmöglichkeiten. «Es gibt zum Beispiel Bars, die möchten keine Titel von den Böhsen Onkelz – das kann ich so programmieren», erzählt Herr Cengiz. «Auch könnte ich ganze Stile blockieren, zum Beispiel Ländlermusik, wenn das der Barbetreiber wünscht.» Im Fall der Friends Bar ist so ziemlich alles erlaubt. Entsprechend berüchtigt ist diese Jukebox, wo Blümchen & Scooter auf Rage Against the Machine und System of a Down treffen.
Nicki Minaj ist derzeit am beliebtesten
Wie eklektisch die Songauswahl ist, zeigt der Blick auf die meistgewählten Titel im aktuellen Monat: Auf Platz 1 ist «Anaconda» von Nicki Minaj. «Wegen des Videoclips», vermutet Barbetreiber Catar.
Auf Platz 2 der Friends-Bar-Charts im September: «Boombastic» von Shaggy, gefolgt von zwei weiteren karibisch angehauchten Popsongs aus den 90er-Jahren: «Informer» von Snow und «No Coke» von Dr. Alban. Mit Alt-J («Breezeblocks») und Lykke Li («I Follow Rivers») belegen dann wieder zwei aktuellere Songs die Plätze 5 und 6.
Wie man die Leute zum Wählen animieren kann
Und was ist, wenn Flaute herrscht, wenn niemand Geld für Wunschtitel ausgeben will? Dann spielt das Gerät selber welche ab. Aber auch das kann der Installateur finetunen, die Jukebox so einstellen, dass sie mehrheitlich Songs spielt, die von den Gästen nie gewünscht werden. Also spielt die Maschine Lieder an, die nicht wirklich beliebt sind. «So könnte man die Leute dazu animieren, eigene Musik zu wählen», sagt Cengiz. Ganz schön clever, auf diese Weise den Umsatz stabil zu halten.
Und wie ist denn dieser Umsatz in der Friends Bar verglichen mit anderen Bars? Täuscht unser Eindruck oder ist die Jukebox hier eine der beliebtesten in der ganzen Stadt – allenfalls gemeinsam mit jener in der Bronx Bar Excalibar und im Don’t Worry Be Happy auf Grossbasler Seite?
Die besten Jukebox-Umsätze macht man in den Kontaktbars
Er könne das nicht beurteilen, da es mehrere Jukebox-Aufsteller in der Region gebe und daher keine Vergleichszahlen. Aber es gebe Lokale, in denen klar mehr Geld für Musikwünsche ausgegeben wird: im Milieu. In den Kontaktbars vertreiben sich die Damen ihre Langeweile und füttern die Automaten gerne mit Einfränklern, bis sie selber wieder Umsatz machen.
Mittlerweile gibt es in Basel übrigens auch die Möglichkeit, gratis Songs zu wählen, und zwar in der Schluggstube, wie die Friends Bar ebenfalls eine wunderbare Kuriosität im hiesigen Nachtleben. Hier kann man sich als Gast über sein iPhone und das WLAN mit der Mediathek verbinden und Songs aus dem iTunes-Sortiment auswählen. Gratis. Wenn das Schule macht, dann dürften auch die letzten kostenpflichtigen Jukeboxes aus dem Stadtbild verschwinden…