Am 12. Juni feierte die Fachstelle Gleichstellung für Frauen und Männer ihr 25-jähriges Bestehen. Im Interview blickt die Leiterin der Fachstelle, Sabine Kubli, auf das Vierteljahrhundert zurück, um Bilanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen.
Wann dürfen wir eine in allen Bereichen gelungene Gleichstellung feiern?
Das ist die Vision. In der täglichen Arbeit sehen wir, wie tief die herkömmliche Arbeitsteilung und Geschlechterbilder immer noch in unserer Tradition verankert sind. Die Geschichte der Gleichstellung in der Schweiz ist bis zum späten Stimm- und Wahlrecht der Frauen eine lange Leidensgeschichte. Darauf basieren noch immer die Rollenmodelle vieler Männer, die sich als Vollernährer sehen müssen und den Beruf nicht nach ihren Fähigkeiten, sondern in erster Linie nach dem Lohn wählen. Dagegen sind die personennahen Dienstleistungen, etwa die Pflege, extrem von Frauen dominiert. Auch das ist mehr Tradition als naturgegeben. Mit dem Gleichstellungsgesetz aber haben wir einen grossen und wichtigen Schritt getan. Denn Gleichstellung im Erwerbsleben muss man einfordern können, mit dem Gesetz ist dies endlich möglich. Die Fachstelle arbeitet seit 1998 stark an der Realisierung in der Praxis.
Was sind andere Erfolge, die Sie in den vergangenen 25 Jahren vorweisen können?
Es war ein grosser Erfolg, dass wir 2008 die Abstimmung gewinnen konnten, die zum Ziel hatte, die Fachstelle, die noch heute lediglich 2,45 Stellenprozente hat, abzuschaffen. Jetzt wird mir wahrscheinlich vorgeworfen, dass wir uns selbst feiern. Aber das war schon ein wichtiger und für mich emotionaler Moment. Er hat bewiesen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass sich die Bevölkerung nicht täuschen lässt, dass Lohngleichheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Altersarmut von Frauen und Teilzeit für Männer nach wie vor ungelöst sind. So hat sich deutlich gezeigt, dass eine aktive Gleichstellungspolitik des Kantons mehrheitsfähig ist.
Hätte das Stimmvolk anders entschieden, sässen wir jetzt nicht hier und Sie hätten gestern nicht Ihr 25-Jahr-Jubiläum gefeiert.
Das stimmt. Es war eine schwierige Zeit und bedeutete sehr viel Rechtfertigungsarbeit. Aber ich bin überzeugt, dass wir stärker daraus hervorgegangen sind. Wir konnten aufzeigen, was ein kleines Kompetenzzentrum in der Verwaltung für eine Breitenwirkung erreicht. Unsere Arbeit ist wichtig. Sie fragten nach Erfolgen: Heute finden Betroffene von Gewalt – Frauen wie Männer – Schutz, Beratung und unterstützende Strukturen wie etwa bei der Opferhilfe, der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt oder dem Männerbüro Region Basel. Als besonders schönen Erfolg empfinde ich aber den Gendertag – Zukunftstag, an dem Schülerinnen und Schüler in allen vier Sekundarschuljahren bei einem Seitenwechsel in der Arbeitswelt schnuppern. Im vergangenen Jahr hat erstmals die kantonale Verwaltung als Arbeitgeber teilgenommen. Die Plätze in der Kantonsbibliothek etwa, wo Jungs in «typische Frauenberufe» schnupperten, waren restlos belegt, und die Begeisterung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern war riesig. Das Projekt ist ausserdem breit abgestützt.
Was wäre heute anders, gäbe es die Fachstelle nicht?
Gleichstellung ist in allen Lebensbereichen Thema. Es gibt so viele Beispiele, aber lassen Sie mich dieses herauspicken: Das traditionelle Leitfamilienmodell mit einem Vollzeiternährer und einer nicht erwerbstätigen Partnerin hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf heute 19 Prozent halbiert. Es ist aber immer noch so, dass vorwiegend Männer Vollzeitstellen bekleiden und fast die Hälfte der erwerbstätigen Mütter in einem Teilzeitpensum unter 50 Prozent arbeiten. Das – zusammen mit fixen Weiblichkeits- und Männlichkeitsvorstellungen – ist es, was Ungleichheit schafft, etwa im Lohn oder in Karrierechancen. Aber es heisst auch, dass die Wahlfreiheit für das eigene Familien-Erwerbs-Modell zugenommen hat. und das ist ein Erfolg.
Welchen Anteil hat die Fachstelle daran?
In diesem konkreten Fall haben wir es bereits 2001 mit einer Bedarfsanalyse zum Thema gemacht. Die Wirtschaftsförderung hat dies aufgenommen und das Impulsprogramm Familie und Beruf ermöglicht. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es auch, die Entwicklung festzuhalten. Dafür brauchen wir vor allem statistische Zahlen, Daten und Fakten. Gleichstellung ist keine Befindlichkeitsfrage, sondern ein demokratischer Auftrag, der vorangebracht werden muss, und dafür setzen wir uns ein. Es bringt der Gesellschaft viel, das umzusetzen.
Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben für die Zukunft?
Wir haben immer mehrere Baustellen, weil viele Lebensbereiche verknüpft sind. Lohnungleichheit etwa lässt sich nicht vom hohen Prozentsatz an teilzeiterwerbstätigen Frauen und Geschlechtererwartungen trennen. Unsere Ziele sind nun, die Ergebnisse und Impulse aus dem Nationalen Forschungsprogramm zur Gleichstellung mitzunehmen und diesen Schub zu nutzen. Es gibt einen nationalen Gleichstellungsindex, der die Gleichstellung in den Kantonen unter die Lupe nimmt und 2016 das nächste Mal bestimmt wird. Die Baselbieter Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, unter den Kantonen mindestens den achten Platz zu belegen. Dafür ergreifen sämtliche Direktionen Massnahmen. Mehr Gleichstellung fördert nämlich auch die Standortqualität für Wirtschaft und Bevölkerung.