Die «Do-it-yourself-Kultur» der Basler Rollbrettler

Seit bald vier Jahrzehnten ist sie auf Brettern mit Rädern unterwegs – die regionale Skateboard-Szene. Die First Love Expo schaut vom 8. bis 11. August auf deren bewegte Geschichte zurück.

Der Pyramidenplatz war in den 70ern und Ende der 80er das Mekka der Basler Skateboard-Fanatiker. (Bild: zVg – Sportmuseum Schweiz)

Seit bald vier Jahrzehnten ist sie auf Brettern mit Rädern unterwegs – die regionale Skateboard-Szene. Die First Love Expo schaut vom 8. bis 11. August auf deren bewegte Geschichte zurück.

Regeln sind für Skater traditionell uninteressant. Was sie weit mehr interessiert, sind glatte Bodenbeläge, auf denen die kleinen Räder unter ihren Brettern am besten rollen. Und weiter: Wie man Randsteine, Bänke, Tische, Treppen oder andere Bauelemente mit einem spektakulären Trick verbindet. Verbotsschilder finden dabei wenig Beachtung. Wer Skater vertreiben will, muss ihnen schon Steine vor die Räder schütten – so wie dereinst Ende der 80er-Jahre auf dem Pyramidenplatz beim Theater Basel geschehen.

Mittlerweile set knapp 40 Jahren bewegt sich die ansässige Skateboard-Szene irgendwo zwischen Bewunderung für ihre Artistik und Repressionsmassnahmen. Fand in den 80ern noch ein grosser Contest auf dem Marktplatz statt, hat dieselbe Stadt bald gelernt, wie sie die lärmigen Skater von Plätzen fernhalten kann, die ihr besonders am Herzen liegen. So genannte Skatestopper sind ein Mittel zum Zweck. Ein anderes ist es, die Skater auf spezifischen Arealen in Quasi-Reservaten gewähren zu lassen.

Von den Anfängen bis nach «Port Land»

Spezialisiert darauf, Hürden mit Kreativität zu bewältigen, haben die Basler Skater noch immer neue Orte gefunden, wo sie zu ihrer ersten Liebe zurückfinden konnten. Zuletzt am Hafen, wo der Verein «Betonfreunde beider Basel» mit einem rekordverdächtigen Crowdfunding-Projekt eine Skate-Anlage für die Zwischennutzung realisierte. Innert gerade einmal 30 Stunden waren die budgetierten 4000 Franken für «Port Land» gesammelt, am Ende der Frist waren gar über 10’000 Franken zusammengekommen.

Die Ausstellung First Love Expo würdigt vom 8. bis 11. August die Basler Skate-Geschichte von den Anfängen bis zu jenem jüngsten Meilenstein am Hafen. In einer leidenschaftlich zusammengestellten Auswahl erzählen Fotos, Videos, Zeitungsberichte und Interviews mit wichtigen Figuren aus der Szene, wie in Basel und Umgebung eine Skate-Kultur entstanden ist und bis heute gelebt wird. Für diejenigen, die wenigstens in jungen Jahren gelegentlich ein Rollbrett unter den Füssen hatten, kommen unweigerlich Erinnerungen hoch.


Skateboard-Urgestein Sergio Cassini erinnert sich an die frühe Skater-Szene.

Die riesigen Skateboards, die man damals fuhr, die aus irgendwelchem Holzresten zusammengebastelten Schanzen und Rampen, der zugehörige Modestil, die Skatepunk-Musik – und schon packt sie dich wieder, die alte Liebe. Hätte man doch nie aufgehört!

Fundstücke aus privaten Sammlungen

Der Kurator der Ausstellung, Benedikt Wyss, ist Mitarbeiter beim Sportmuseum Schweiz und selber Teil der Basler Skater-Szene. Gemeinsam mit der lokalen Skateboard-Legende Oli Bürgin hat er die First Love Expo ins Leben gerufen. Auch kurz vor der Vernissage ist Wyss immer noch beeindruckt, wieviel Material aus dem gemeinsamen Netzwerk zusammengekommen ist. Und trotzdem sei es nur eine Idee davon, was nach wie vor in den Kellern und Dachstöcken der frühen Generationen herumliegt. Ein Sammlungsprojekt, wie es das Sportmuseum im Anschluss an die Kurzausstellung plant, drängte sich für Wyss geradezu auf – auch wenn ihm die Form noch nicht ganz klar ist. 
 

 
Trailer zur Ausstellung First Love Expo

Der Aufwand, den Wyss und seine Helfer in die Ausstellung steckten, war enorm. «Ein Bruchteil des Materials war digital», sagt Wyss. «Wir haben unzählig viele Stunden dafür aufgewendet, die eingesandten Alben zu sichten, Fotos einzuscannen und VHS-Videobänder aufzubereiten.» Hinzu kamen die Interviews und das Organisatorische. Das finanzielle Budget für all das war eigentlich nie vorhanden. Damit wenigstens die Helfer halbwegs entschädigt werden können, hat Wyss wieder einmal auf das Erfolgsmodell Crowdfunding zurückgegriffen. Und erneut mit Erfolg: Innerhalb von 10 Tagen sammelte er 3000 Franken, die er unter den Helfern verteilt. Noch bis am Samstag kann man das Projekt weiterhin unterstützen.

Schmales Budget macht kreativ

Mit Eintritt Geld zu verdienen, stand für Wyss und Bürgin nie zur Debatte. «Wir wollen diese Ausstellung möglichst vielen zugänglich machen», sagt Wyss. Insofern trifft es sich gut, dass man die Ausstellung in Kombination mit einem international bestückten Miniramp-Battle auf dem Kasernenareal und dem Open Air Basel besuchen kann.

Ursprünglich war allerdings alles ganz anders geplant. Eigentlich hätte die Skateboard Europameisterschaft in Basel die zentrale Veranstaltung werden sollen, die Ausstellung ihre Begleiterin und die Musik das zugehörige Rahmenprogramm. «Jetzt ist es halt umgekehrt», sagt Wyss. Bei der Finanzierung der EM harzte es jedoch arg. Nur deshalb habe man die EM überhaupt ans Open Air Basel angehängt.

Auch um die Finanzlage seiner anfangs geplanten Ausstellung sah es nicht gut aus, insbesondere nachdem sich auch noch das als Partner vorgesehene Skater-Museum Berlin unerwartet aus dem Projekt zurückgezogen hatte. «So kamen wir erst auf die Idee, eine rein auf Basel fokussierte Ausstellung zu machen», sagt Wyss. Irgendwie war das ein Glücksfall, wie sich im Nachhinein herausstellte: Denn erst mit dem Basel-Fokus konnten er und Bürgin die Szene für das Projekt so richtig begeistern und an deren Bildmaterial gelangen.

«Do-it-yourself-Kultur»

Diese Episode ist im Grunde charakteristisch dafür, was für einen Skater die Liebe zu seinem Sport ausmacht: «Zuerst probierst du einen einfachen ‹Ollie›, mit der Zeit springst du höher, dann lässt es dich nicht mehr in Ruhe», sagt Wyss. Stürze gehören dazu. Auch wenn es weh tut – es wird nicht geklagt, sondern man bleibt hartnäckig dran. Im Wissen, dass die Freude dann bei weitem überwiegt, wenn der Trick endlich gelingt – die Europameisterschaft steht oder eben: die Ausstellung.

Charakteristisch ist aber auch, dass sich die Basler Skater schon immer zu helfen wussten, um ihre Vorstellungen zu realisieren: Fehlt eine Rampe, dann wird sie gebaut. Fehlt das Material, dann wird es geklaut. Zumindest war letzteres früher so, als die «Skater-Boys» noch rebellischer waren. Über einen gewissen Schalk verfügen die Skater zwar heute noch. Doch mittlerweile erhält die Szene für ihre «Do-it-yourself-Kultur» (Wyss) eher lobende Worte seitens der Stadt und der Öffentlichkeit, wenn sie damit Projekte wie das Port Land auf die Beine stellen. Auch von dieser Entwicklung zeugt die ebenso kompakte wie ehrliche Ausstellung.

First Love Expo
Die Ausstellung über die Basler Skateboard-Geschichte ist während dem Open Air Basel vom 8. bis 11. August 2013 im «Parterre» (Bühne, hinter der EG-Lounge) auf dem Kasernenareal zu sehen. Auf dem Festivalgelände findet gleichzeitig ein Miniramp-Battle statt, bei dem internationale Profis ihre Tricks zum Besten geben. Der Eintritt zur First Love Expo ist gratis.

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