Die Fotografie der Zukunft

Objekt, Sensor, Display – alles ein und dasselbe: In Zukunft verschmilzt die Grenze zwischen Mensch und Maschine.

Objekt, Sensor, Display – alles ein und dasselbe: In Zukunft verschmilzt die Grenze zwischen Mensch und Maschine.

So sah die Zukunft früher aus: Vision eines Atomflugzeugs von 1955.

Bisher sind wir in dieser Rubrik stets in die Vergangenheit gereist. Das ist auch nicht so schwer, finden sich doch überall Zeugnisse und Überbleibsel aus vergangenen Tagen. Unter anderem auch Science-Fiction und andere Zukunftsvorstellung unserer Vorfahren. Betrachtet man diese Projektionen im Lichte der Gegenwart, kommt man gern ins Schmunzeln über die Naivität der damaligen Propheten.

Ich vermeide es darum, über künftige Flugzeugantriebe zu sinnieren; als Fotografie-Begeisterter trage ich hier in kurzer Form zusammen, wohin sich die Fototechnik voraussichtlich entwickeln wird.

Das Objektiv wird Algorithmus

Die Litrokameras, eine Plenoptische Kamera die seit zwei Jahren erhältlich sind, machen völlig unscharfe Aufnahmen, die nachträglich scharfgerechnet werden. Fokussiert wird nach dem Abdrücken. Gegenwärtig steckt dies Aufnahmetechnik in den Kinderschuhen, aber es ist absehbar, dass das Objektiv im klassischen Sinne durch Mathematik ersetzt wird. 

Objektiv, Bildsensor und Display werden zu einer Einheit verschmelzen. Schon jetzt wird an objektivlosen Aufnahmesystemen getüftelt, Monitore mit den Eigenschaften eines Bildsensors ausgestattet.

Kameras werden ununterbrochen und in höchster Qualität aufzeichnen, der Moment der Auslösung verwischt auf der Zeitachse, die Belichtungszeit und der Aufnahmezeitpunkt werden erst nachträglich vom Fotografen oder von einem Computerprogramm definiert.

Heute schafft eine gute Kamera maximal 1/8000 Sekunde. Das ist für Sport- und Actionbilder interessant. Da sich die Lichtempfindlichkeit der Sensoren drastisch steigern wird, werden künftig kurze Belichtungszeiten im Bereich von Trillionstelsekunden möglich. Dadurch könnte mit Überlicht-Geschwindigkeit fotografiert werden, was ungeahnte neue Möglichkeiten bringt: Fotografieren um die Ecke etwa oder Effekte, die man erst von Zeichnungen kennt, wie das bekannte Bild von Lucky Luke, der schneller zieht als sein Schatten.

Die Kamera löst sich auf

Die Auflösung steigt ins Gigantische, ein nachträgliches Zoomen wie in der berühmten Szene «Blade Runner» wird bald Realität. Jetzt reden wir noch vom Megapixel, Gigapixel ist im Anflug, und in 20 Jahren wird Terapixel Alltag sein. 

Die Technik wird immer kompakter und leistungsfähiger. Kameras schrumpfen und verschmelzen mit anderen Geräten zu neuen Maschinen. Das haben wir gerade mit den Smartphones erlebt: Kamera, Videokamera, Bildschirm, Telefon, Schreibmaschine, Fax, Zeitungskiosk, Taschenlampe, Walkman, Fotoarchiv, Bibliothek und noch einiges mehr wird in einem 112 Gramm schweren Böxchen untergebracht. Wir produzieren damit Inhalte, bearbeiten, publizieren und konsumieren sie auf einem Gerät. Die Miniaturisierung kann eigentlich gar nicht mehr weitergehen, noch kompaktere Geräte würde man nur noch mit einer Pinzette halten können.

Es liegt auf der Hand, dass unser Körper als Gehäuse zukünftiger Technik dienen wird. Der etwas makabere Wunsch, sich mit Technik zu erweitern, wird nicht vor unserer Netzhaut haltmachen. Schon jetzt sind Kontaktlinsen in Entwicklung, welche Daten in das Auge beamen können. Google Glass ist nur ein Zwischenschritt zu einem nicht mehr sichtbaren Interface von Mensch und Maschine. Der Mensch wird Kamera und ist unentwegt am Aufzeichnen und Publizieren.

Tarnkappenlack macht Panzer unsichtbar

Das wird Konsequenzen haben: Der Dokumentcharakter von Aufgenommenem wird fluid. Irgendwann wird man nicht mehr zwischen bewusst aufgenommenen Bildern und beiläufig aufgezeichnetem unterscheiden können. Das Urheberrecht wird sich dieser Herausforderung stellen müssen und daran zugrunde gehen. Nur noch angemeldete oder patentierte Bildinhalte werden die Voraussetzung für einen Urheberschutz erfüllen.

Die Fortschritte in der Fotografie schwappen auch in andere Bereiche. So träumt die Autoindustrie von Lacken, die als Bildsensor und Bildschirm funktionieren. Auch die Waffenindustrie wird bei der Entwicklung solcher Oberflächen kräftig mitmischen, denn sie könnten dereinst Panzer mit Tarnkappenlack durchsichtig machen.

Ich könnte noch lange weiterfahren. Aber nur schon mit den bisherigen Ausführungen laufe ich womöglich Gefahr, dass jemand, der diesen Text in 20 Jahren liest, herzhaft lacht über die Zukunftvorstellungen eines Menschen anno 2014.

Nächster Artikel