Die Frau ist das Hauptproblem

Die Frauen sind zu widerspenstig und die Männer zu einfallslos – darunter leidet die Bierbranche. Dabei hat sie doch so viel unternommen, damit Frauen wie Männer etwas abenteuerlustiger werden. Vielleicht zu spät allerdings.

«Chiflet d’ Frau …»: Gute Ratschläge aus der Bierwerbung der 1940er-Jahre. (Bild: Archiv SBV)

Die Frauen sind zu widerspenstig und die Männer zu einfallslos – darunter leidet die Bierbranche. Dabei hat sie doch so viel unternommen, damit Frauen wie Männer etwas abenteuerlustiger werden. Vielleicht zu spät allerdings.

Weibliche Wesen sind wunderbar. Sie sind bereits in der Schule besser als die männliche Konkurrenz, entwickeln bald eine höhere emotionale Intelligenz und können schliesslich – besonders schmerzlich – auch noch besser Auto fahren. Aus unerfindlichen Gründen haben die Männer aber immer noch das Sagen auf der Welt. Immerhin haben sie es sich abgewöhnt, über die rein physisch unterlegenen Frauen herzuziehen. Einzige Ausnahme: die Bierbrauer.

Beim Geplauder bezeichnen sie die Frauen noch immer erschreckend offen als Problem. Und irgendwie muss man sie sogar verstehen. Denn was ­haben diese bemitleidenswerten Herren nicht alles unternommen, damit sich die Frauen etwas mehr für sie und ihr Gebräu interessieren? Neue Sorten mit süsslichen Aromen haben sie entwickelt und sogar alkoholfreies Bier, was für echte Brauer schon einige Überwindung braucht. Und zu allem Überfluss gaben sie noch sehr viel Geld für Werbekampagnen aus, die auch der begriffsstutzigsten Frau (falls es solche überhaupt gibt) klar machen sollten, dass Bier kein Männergetränk ist. Und wie reagieren die sonst so wunderbaren Wesen? Sie trinken weiterhin lieber Wein und Prosecco.
Gemäss einer Markterhebung von Feldschlösschen sagen 70 Prozent aller Schweizerinnen, sie würden nie oder nur selten Bier trinken. Im Ausland ist dieser Prozentsatz deutlich tiefer. Darum spricht man bei Feldschlösschen von einem «gesellschaftlich-kulturellen Phänomen».

Liebe zu spät entdeckt

Ganz unschuldig daran sind allerdings auch die Schweizer Brauer nicht. In frühen Werbekampagnen reduzierten sie die Frau auf die Rolle als Bierzuträgerin, die höchstens noch «Prost, lieber Mann!» sagen durfte. Aber – und das muss man den Brauern wiederum zugute halten: Sie merkten bald, dass die Frauen auch noch anderes machen (den Abwasch, dem Mann das Leben schwer) – und zogen sofort die nötigen Konsequenzen. «Wotsch zum Bier und chiflet d’ Frau, seisch halt einfach: Chum doch au!», riet die Werbung in den 1940er-Jahren. Es war eine erste kleine Avance der Bierbranche. Daraus entwickelte sich dann dieses tiefe Inte­resse an der Frau, das aber leider nicht erwidert wurde.

Das ganze Problem auf die Frau zu reduzieren, wäre allerdings unfair. Auch der Schweizer Mann hatte lange nur wenig Sinn für das Bier – ganz im Gegensatz zum Durchschnittsdeutschen, der dem Trank schon im Mittelalter eifrig zusprach. In der Schweiz gab es dagegen bis ins 19. Jahrhundert erhebliche Widerstände. Die Winzer wehrten sich gegen die unangenehme Konkurrenz – mit Unterstützung der Zünfte und: mit Erfolg. Vielleicht auch, weil die Behörden bald erkannten, dass der Trunk nicht jedermann bekommt. Das zeigte sich an den «argen Übelständen» rund um die Braustuben und -schenken, an «entstellten Trottoirs» und «verpesteten Nachbarschaften», wie eine Kommission des Basler Kleinen Rates 1864 feststellen musste.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Bierschwemme nicht mehr aufzuhalten, als immer mehr Männer in den Fabriken arbeiteten und nach ein bisschen Abwechslung dürsteten. Für sie war das Bier ideal, weil es günstig war, den Durst nach der harten Arbeit löschte und – nach einigen ­Gläsern – auch die monotonste Plackerei vergessen machte. So erreichte das Bier mit ein paar Jahrhunderten Verspätung schliesslich doch auch noch die Schweiz.
Doch selbst diese wichtige kultur­geschichtliche Errungenschaft regte die Phantasie des Mannes nur sehr bedingt an. In der Beiz bestellt er einfach eine Stange, ohne eine Sekunde daran zu denken, allenfalls einmal eine andere Biermarke oder -sorte zu probieren.
Wobei die Brauereien auch daran nicht ganz unschuldig sind. In der Kartellzeit produzierten ohnehin fast alle das gleiche Bier, auch «Einheitspfütze» genannt. Man trank es, liebte es aber nicht. Oder besser gesagt: Man erkannte die Liebe – wie so oft –, als es schon zu spät war und nach dem Ende des Kartells eine Traditionsbrauerei nach der anderen von den grossen Unternehmen geschluckt wurde. Nun sprach man plötzlich vom Verlust einer alten Liebe und dem Ausverkauf der Heimat. Auch nicht gerade konsequent, aber na ja, so sind sie eben, die Männer.
Ihren Schmerz versuchen nun die regionalen Klein- und Kleinstbrauereien zu lindern, von denen immer mehr mit neuen Produkten und Spezialitäten auf den Markt drängen – teilweise sogar mit einigem Erfolg. Bestes Beispiel: «Unser Bier» aus Basel. Geschäftsführer Luzius Bosshard träumt bereits von einer «neuen Bierkultur» mit Beizen, in denen «Bierkarten» aufliegen und die Gäste ihr Getränk sorgsam auslesen.Wenn das die Männer bloss nicht überfordert!

Mehr zur Geschichte des Biers in der Schweiz: Matthias Wiesmann, «Bier und Wir», 2011.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.03.12

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