«Die Gefahr für die Uni ist gross»

Es ist eine heikle Phase, in der Christoph Eymann (LDP) das Präsidium der Schweizerischen Universitätskonferenz übernimmt. Der Basler Erziehungsdirektor befürchtet, dass die Schweizer Hochschulen den Anschluss verpassen könnten, weil der Bund in diesem Bereich die Ausgaben drosseln will. Das will Eymann verhindern.

Es ist eine heikle Phase, in der Christoph Eymann (LDP) das Präsidium der Schweizerischen Universitätskonferenz übernimmt. Der Basler Erziehungsdirektor befürchtet, dass die Schweizer Hochschulen den Anschluss verpassen könnten, weil der Bund in diesem Bereich die Ausgaben drosseln will. Das will Eymann aber verhindern – mit Vorschlägen, die in der Region Basel noch für sehr viel Diskussionen sorgen dürften, wie sich im Interview mit der TagesWoche zeigt.

TagesWoche: Der Bund will in den nächsten Jahren deutlich weniger für die Hochschulen zahlen, als diese gerne hätten. Die Folgen seien dramatisch, sagen Kritiker. Die Schweizer Hochschulen würden im internationalen Vergleich bald den Anschluss verlieren. Muss man das tatsächlich befürchten?

(Bild: Keystone)

Christoph Eymann: Im heutigen dynamischen globalen Umfeld ist es gefährlich, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Noch hat die Schweiz einen Vorsprung, aber nicht mehr lange. Darum geht man in Bern meines Erachtens auch von einem falschen Ansatz aus. Der Bund rechtfertigt die Kürzung für die Jahre 2013 bis 2016 damit, dass die Bildung auch danach noch immer die grösste Wachstumsquote im gesamten Bundeshaushalt hat. Die angekündigten 3,7 bis 3,9 Wachstum pro Jahr reichen aber bei weitem nicht, um die Schweiz im internationalen Wettbewerb gut zu positionieren. Dafür wäre eine Bildungsoffensive nötig. Gerade die Schwellenländer geben ganz andere Beträge aus. Standorte wie Singapur oder Shanghai gehen immer wieder offensiv auf Unternehmen der Pharmabranche zu, um Kooperationen in der Forschung einzugehen.

Wie stellen Sie sich eine Bildungsoffensive vor?

Der Bund müsste eine Anleihe von beispielsweise zwei Milliarden aufnehmen und diese in den nächsten fünf Jahren gezielt in die Hochschulen investieren – zusätzlich zu den bisherigen Beiträgen.

Neue Schulden zu machen, ist derzeit nicht sehr populär.

Es handelt sich um Investitionen, nicht um Ausgaben à fonds perdu. Der Bund muss sich das leisten – und kann es auch. Schliesslich steht er nicht alleine da. Die Kantone stehen ebenso in der Pflicht. Gemeinsam muss eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Bildungsinvestitionen erreicht werden. Es darf nicht sein, dass in der Bildung vorübergehend investiert und plötzlich wieder gespart wird.

Darauf könnte es aber gerade in der Region Basel hinauslaufen. Der Uniträgerkanton Baselland spart an allen Ecken und Enden.

Temporäre Finanzknappheiten dürfen die Entwicklung der Universität nicht auf Jahre hinaus bremsen. Das ist in der jetzigen Situation tatsächlich die grosse Gefahr. Volkswirtschaftlich gesehen drohen Folgekosten, die deutlich über den möglichen Einsparungen eines Trägerkantons liegen. Diese Gefahr abzuwenden, wird die grosse Aufgabe sein bei der Entwicklung der neuen Strategie für die Uni Basel im nächsten Jahr.

Wäre es vorstellbar, dass Basel-Stadt künftig einen höheren Anteil übernimmt, weil das Baselbiet nicht mehr zahlen kann oder will?

Ein solches Modell wäre unvorstellbar unter gleichberechtigten Partnern. Wenn ein Kanton den nötigen Entwicklungsschritt nicht mitmacht, dann zahlt auch der andere nicht mehr. Das wäre verheerend.

Offenbar plant der Kanton Baselland aber Einsparungen. Darum ist in Liestal auch schon von einer Kündigung der Univerträge die Rede.

Von einer Kündigung der Staatsverträge war nie die Rede in den Regierungsgremien. Allerdings sind die Nachrichten, die in dieser Sache nach Basel gelangen, nicht sehr kohärent. Mal heisst es, man stehe zu den Verträgen, dann wieder, man wolle sie überprüfen, auch mit dem Argument, möglicherweise würden von einer neuen Regelung ja beide profitieren. Im Bereich der Bildung schliesse ich das allerdings aus. Meines Erachtens zeigt aber der Landratsentscheid zum Globalbeitrag Fachhochschule Nordwestschweiz, dass Basel-Landschaft verlässlich ist, dort wo es darauf ankommt.

Wie viel müssten die beiden Kantone in der nächsten Subventionsperiode genau mehr zahlen?

Zahlen kann ich noch keine nennen, da gibt es noch zu viele Unsicherheiten, auch auf Bundesebene. Wichtig ist jedenfalls, dass die Geldflüsse transparent und nachvollziehbar sind. Die Parlamente möchten zu recht wissen, wofür sie Gelder sprechen sollen. Mir schwebt ein Pakt zwischen Bund und Kantonen vor, damit in Bern niemand mehr das Gefühl hat, Bundesbern zahle immer mehr, während die Kantone immer mehr sparen. Um solche Bedenken zu zerstreuen, schlage ich vor, dass die Hochschulkantone die Beiträge an die Universität jeweils im genau gleichen Umfang erhöhen wie der Bund. Man könnte das Prinzip allerdings auch umdrehen und sagen, der Bund richtet sich bei den Beiträgen nach den einzelnen Kantonen. Dann bekämen die grosszügigen Hochschulstandorte auch mehr Geld aus Bern – das wäre ein interessanter Anreiz.

Gibt es an der Universität nicht auch Sparpotenzial etwa bei jenen Kursen, in denen drei, vier Teilnehmer sehr lange über irgendwelche Fragen diskutieren, die kaum einen grossen Erkenntnisgewinn bringen?

Natürlich gibt einzelne solche. Finanziell fallen sie allerdings kaum ins Gewicht. Etwas top down zu verändern, ist zudem schwierig, wie wir in Basel bei der Portfoliobereinigung gesehen haben, bei der wir finanziell relevante und von der Grösse her problematische Disziplinen im Auge hatten. Bei der Astronomie zum Beispiel übertraf die Zahl der Studierenden kaum jene der Lehrenden. Dennoch gab es aus ganz Europa Proteste gegen die geplante Abschaffung, von der Sternwarte Bogota zum Beispiel. Und wegen der Streichung der Geologie wurde uns sogar gesagt, wir seien selber schuld, wenn es in Basel wieder ein grosses Erdbeben gebe. Das ist zwar absurd, zeigt aber, dass vor allem die seit Jahrhunderten organisch gewachsene Universität selber um die Weiterentwicklung der einzelnen Fachgebiete bemüht sein muss – auch um Konzentrationen. Nur so lässt sich die nötige Akzeptanz erreichen.

Als neuer Vorsteher der Schweizerischen Universitätskonferenz überlassen Sie die Arbeit aber nicht nur den Universitäten?

Keinesfalls. Meine Vorstellung ist eine Sammlung der Kräfte, eine Hochschullandschaft Schweiz mit Kompetenzzentren an den verschiedenen Hochschulstandorten, wo schwerpunktmässig verschiedene Fachgebiete angeboten werden. In Basel zum Beispiel liegt es nahe, die Life Sciences noch weiter auszubauen – einerseits, weil wir darin heute schon stark sind und andererseits wegen der Nähe zur Pharma, da haben wir eine einzigartige Ausgangssituation in Europa. Das müssen wir besser nutzen, mit einer engeren Vernetzung von Universität und Industrie auch unter Beizug anderer Hochschulen wie der ETH. Das ist ein weiteres wichtiges Ziel, das ich mir gesetzt habe.

Dagegen gibt es auch starke Vorbehalte. Die Universität müsse frei sein und dürfe sich nicht in den Dienst der Industrie stellen, sagen Kritiker. Sie haben Angst, dass die Uni jene Forschungsgebiete vernachlässigen könnte, die für die Gesellschaft zwar wichtig sind, aber höchstens längerfristig einen finanziellen Profit bringen.

Diese Bedenken gab es früher noch mehr als heute. Und diese Entspannung ist auch gerechtfertigt. Von der Pharma darf man sich in erster Linie Positives erwarten – eine neue Befruchtung für die Forschung an der Uni. Gleichzeitig merkt man bald einmal, dass das Interesse von Big Pharma an einer Vereinnahmung der Hochschulen sehr beschränkt sein muss, wenn man sieht, wie extrem viel höher die Forschungsetats in der Industrie als in der Universität sind. Ausserdem soll die verstärkte Zusammenarbeit mit der Industrie ein zusätzliches Element zur weiter bestehenden Volluniversität sein.

Sie selber haben die Hochschulpolitik des Bundes schon als Skandal bezeichnet und dem Bundesrat Versagen vorgeworfen, weil in Bern nur sehr wenig unternommen wird, um die Konzentration zu fördern. Sehen Sie das als designierter Präsident der Schweizerischen Universitätskonferenz nun plötzlich anders?

Na ja, ich habe gewöhnlich eine gehörige Portion Misstrauen gegen Politiker, die das Gefühl haben, jetzt sei die Stunde Null, nur weil sie irgendein Präsidium übernehmen. Nun bin ich aber selber in einer Situation, in der ich ein ganz klein bisschen diesen Eindruck erwecken könnte (lacht). Nein, im Ernst: Meiner Meinung nach ist das neue Hochschulgesetz tatsächlich eine halbpatzige Angelegenheit. Ich bin aber überzeugt, dass wir auch auf dieser dürftigen Grundlage etwas erreichen können, wenn es uns gelingt, den Dialog deutlich zu verbessern – einerseits zwischen Bund und Hochschulkantonen und andererseits innerhalb der Universitäten.

Mit dem neuen Hochschulgesetz könne man gar nichts erreichen, haben Sie selber vor ein paar Monaten noch gesagt.

Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Probleme hingewiesen. Nun muss ich mich aber abfinden mit dem, was die Bundesversammlung beschlossen hat. Il faut jouer le jeu. Und zwar möglichst gut.

An den Universitäten machen sich vor allem die Geisteswissenschafter Sorgen. In England werden diese Sparten nun einfach weggespart, im übrigen Europa wird versucht, die Hochschulen stärker auf die Wirtschaft auszurichten und nun fordern auch Sie eine engere Zusammenarbeit zwischen Uni und Industrie. Hat es in diesem Konzept noch Platz für Fächer wie Theologie, Geschichte oder Ethnologie?

Unbedingt – auch wenn immer wieder gesagt wird, man könne auf diese Fachgebiete gut verzichten. Dem kann man entgegenhalten, dass die Phil-1-Fakultät vergleichsweise günstig sind – aber das ist schon sehr defensiv argumentiert. Lieber wäre es mir, wenn die Geisteswissenschafter von sich aus mehr in die Offensive gingen und sich stärker in die öffentlichen Debatten einschalteten. Der Schwerpunkt Bild an der Uni Basel hätte zum Beispiel aufzeigen können, welche Auswirkungen die Über-Plakatierung in den Baselbieter Wahlkämpfen auf die allgemeine Wahrnehmung hat. Vielleicht hätten die Parteien dank dieser Erkenntnisse künftig auf die Zupflästerung ihres Kantons verzichtet. Oder eine andere interessante Idee: ein Lehrstuhl Islam, der aus dem entspannten Ambiente einer mitteleuropäischen Universität vielleicht etwas gegen den Extremismus in vielen Ländern bewirken könnte. Solche Projekte müssen vermehrt entstehen und zwar von unten, bottom up.

Sehen Sie da schon positive Ansätze?

Einige, ja. Ein Beispiel ist das UNU-Institut, (United Nations University,) welches das ETH-Architektur-Studio zusammen mit der Uni Basel, dem Tropeninstitut und dem Zentrum für Afrika-Studien plant. Dieses Institut könnte von Basel aus einen Beitrag zur Lösung der Urbanisierungsprobleme in den Ghettos der Dritt-Welt-Ländern leisten. Ein faszinierendes Projekt! Dafür braucht es nicht nur Architekten wie Herzog und de Meuron, die auch auf diesem Gebiet sehr viel Erfahrung haben und aller Voraussicht nach dabei sein werden. Nein, es braucht auch Geografen, Soziologen, Ethnologen und und und. Mit Life Sciences allein kommt unsere Welt auch nicht weiter. Darum muss es an der Uni Basel neben einem Schwerpunkt für Life Sciences und allenfalls für Chemie oder Physik auch starke Geisteswissenschaften geben. Mir geht es nicht um die Streichung ganzer Sparten. Ich will aber die Stärken stärken, was zur Folge hätte, dass nicht mehr unbedingt alle Schweizer Universitäten alle Fächer in der grösst möglichen Breite anbieten.

Schöne Pläne, die allerdings alle an der Finanzierung scheitern können. Ein Grund für das fehlende Geld in der Bildung sehen zumindest linke Politiker wie die Basler Ständerätin Anita Fetz (SP) im Entscheid für den Kauf der milliardenteuren Kampfjets. Setzt der Bundesrat falsche Prioritäten?

Ich bin entschieden dafür, dass die Bildung stark priorisiert wird – und dagegen, dass die einzelnen Ausgabenposten gegeneinander ausgespielt werden.

Möglicherweise kommt man aber nicht darum herum, sich für das eine und gegen das andere zu entscheiden. Was wäre Ihnen in diesem Fall lieber – eine bessere Bildung oder neue Kampfjets.

Na ja. Es gibt ja jene, die den Entscheid für den Kauf abstrus finden und jene, die ihn mittelabstrus finden. Und dann gibt es auch noch einige, die sich zuerst eine seriöse Abklärung der Bedrohungslage erwünscht hätten. Dann wäre man vielleicht auch zum Schluss gekommen, dass die Schweiz auf Cyber-Angriffe sehr viel anfälliger ist als auf Luftschläge. Aber das ist alles nur Spekulation. Feststeht, dass für unsere Zukunft vor allem die Bildung entscheidend ist.


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