SP-Regierungsrat Hans-Peter Wessels verteidigt den umstrittenen Entscheid der Stadtbildkommission: Die Solaranlage an der Holeestrasse sei nicht fachmännisch gestaltet und installiert. Das Baugesuch sei zu Recht abgelehnt worden, sagt der Baudirektor im Interview.
Basel-Stadt hat sich auf die Fahne geschrieben, als Energiestadt ein Vorbild zu sein. Die Regierungsräte Christoph Brutschin und Hans-Peter Wessels kündigten im Herbst 2012 eine Solaroffensive an. Kein Jahr später sorgt das Bau- und Gewerbeinspektorat mit dem negativen Entscheid zur Solaranlage der Genossenschaft Holeestrasse für Schlagzeilen. Sie berief sich in der Ablehnung auf die Stadtbildkommission, die eine «nicht gute Gesamtwirkung» kritisierte.
Die Genossenschaft muss nicht nur ihre Investition von 650’000 Franken abschreiben, sondern auch für den Rückbau weitere 200’000 Franken investieren. «Kein Einzelfall», kritisierte Jörg Vitelli. Die Richtlinie für Solarenergie der Stadt sei «kleinlich» und «praxisfern», sagt der SP-Grossrat. Sie sabotiere die Fördermassnahmen. Er fordert deshalb als Präsident des Wohngenossenschaftsbundes Nordwestschweiz ein Moratorium und eine Anpassung der Richtlinie. Baudirektor Hans-Peter Wessels sieht dafür keine Möglichkeit und verteidigt im Interview den Entscheid der Stadtbildkommission.
Herr Wessels, eine Genossenschaft investiert 650’000 Franken in eine Solaranlage und muss sie nun abreissen, weil sie der Stadtbildkommission nicht gefällt. Ist das die 2012 angekündigte Solaroffensive von Basel-Stadt?
Mit der neuen Richtlinie für Solaranlagen hat man deutlich liberalisiert. Es ist heute klar einfacher, in Basel eine Solaranlage zu bauen als zuvor. Zu beachten ist aber, dass in Basel der Stadtbildschutz einen sehr hohen Stellenwert geniesst. Fast alle Parteien stehen dahinter: Als die Regierung vor zwei Jahren vorschlug, die Kompetenzen der Stadtbildkommission einzuschränken, war die Empörung gross. Die grosse Mehrheit sprach sich in der Vernehmlassung dafür aus, der Stadtbildkommission nach wie vor ein uneingeschränktes Entscheidungsrecht über Bauvorhaben einzuräumen.
Das beantwortet nicht die konkrete Frage zum Fall.
Wenn man sich die Solaranlage der Genossenschaft Holeestrasse – die sich an die Medien gewandt hat– anschaut und die Richtlinie liest, sieht man auf den ersten Blick, dass die Anlage nicht den Gestaltungskriterien entspricht. Jeder Fachmann hätte gewusst, dass deshalb eine Baubewilligung nötig gewesen wäre. Ganz offensichtlich ist die Genossenschaft unprofessionell beraten worden.
Ein Baugesuch wurde nachträglich eingereicht.
Ja, weil sich Genossenschafter beim Bauinspektorat über die Anlage beschwert haben. Das Bauinspektorat spaziert nicht in der Stadt herum und sieht sich Dächer an. Genossenschafter haben angerufen, weil sich Schnee von der Anlage gelöst hatte und sie sich fürchteten, in das Haus zu gehen. Das Bauinspektorat hat daraufhin festgestellt, dass Dachlawinenstopper fehlen und die Anlage nicht den gestalterischen Richtlinien entspricht. Sie verlangte deshalb ein nachträgliches Baugesuch. In dessen Rahmen hat die Stadtbildkommission die Anlage geprüft und musste sie ablehnen. Mit Anpassungen wäre die Anlage auf dem Dach der Genossenschaft wohl jedoch problemlos zu bewilligen.
Die Dachstopper wurden nachgerüstet, die Genossenschaft reichte auch ein Baugesuch ein. Es wurde dennoch abgelehnt. Nicht wegen der Gefahr, sondern weil es der Stadtbildkommission nicht gefiel – die sich offensichtlich auch bei bewilligungspflichtigen Bauten an die Gestaltungskriterien der Richtlinie hält. Ausnahmen sind so ja gar nicht möglich.
Das stimmt natürlich nicht: Es werden durchaus Anlagen bewilligt, die nicht den Richtlinien entsprechen. Wenn ich mir die Bilder der angesprochenen Anlage anschaue, kann ich den Entscheid der Stadtbildkommission gut nachvollziehen. Was nicht immer so ist. Dass man diese Anlage aber aus ästhetischen Gründen ablehnen muss, liegt meines Erachtens auf der Hand – mindestens so lange wir in Basel ein sehr strenges gesetzliches Erfordernis haben, dass sämtliche Bauten im Kanton hohen gestalterischen Anforderungen genügen müssen. So lange dieses Gesetz herrscht – und es wurde gerade erst vom Grossen Rat bestätigt – müssen sich die Behörden, konkret die Stadtbildkommission und das Bauinspektorat, daran halten. Man kann nicht auf der einen Seite an einem strengen Gesetz festhalten und auf der anderen Seite – wenn es einem gerade einmal nicht passt – verlangen, dass die Behörden beide Augen zudrücken.
Können Sie sagen, was konkret an der Anlage nicht gut ist?
Dafür bin ich nicht die richtige Stelle, da müssen Sie die Stadtbildkommission fragen.
Die Bauherren wissen es aufgrund des Entscheides auch nicht, angeführt wurde die «nicht gute Gesamtwirkung». Nicht sehr nachvollziehbar.
Wir haben die Stadtbildkommission ja gerade umorganisiert, nach den Sommerferien tagt sie in neuer Zusammensetzung. Ich bin gespannt, was sie in der neuen Zusammensetzung und der neuen Organisation mit Fachsekretariat für eine Praxis entwickeln wird in der Beurteilung von Solaranlagen. Ich erhoffe mir – nicht nur für Solaranlagen, sondern bei allen Baugesuchen – dass die Entscheide transparenter und besser nachvollziehbar werden. Ich könnte mir zudem vorstellen, dass die neue Stadtbildkommission inhaltliche Retuschen in der Beurteilungspraxis entwickelt – nicht nur bei Solaranlagen, sondern auch bei anderen Themen.
Sie wünschen sich selber also auch mehr Transparenz bei den Entscheiden der Stadtbildkommission. Dass sich Fachleute wie auch Bauherren aufgrund der Entscheide verunsichert fühlen und sich mehr Rechtsicherheit wünschen, können Sie dementsprechend wohl auch nachvollziehen?
Natürlich, darum organisieren wir die Stadtbildkommission ja neu. Ab dem Herbst bietet die Stadtbildkommission beispielsweise Sprechstunden an, die man auch ohne vorgängige Terminabsprache besuchen kann. Dort wird man sich informieren und mit den Fachleuten der Stadtbildkommission Unsicherheiten besprechen können. Nichtsdestotrotz: In der Regel kann eine gut gestaltete Anlage selbstverständlich schon heute problemlos realisiert werden.
«Mein Ziel ist eine überarbeitete Richtlinie für Solaranlagen – sobald das neue Raumplanungsgesetz in Kraft ist. Vorher haben wir keinen Handlungsspielraum.»
Das Problem bleibt: Die Richtlinie, die unbürokratisch Solaranlagen ermöglichen sollte, ist so restriktiv, dass 90 Prozent der Anlagen in Basel-Stadt ein Baugesuch benötigen, weil sie nicht den Richtlinien entsprechen.
Ich bezweifle, dass es so viele sind. Aber selbst wenn dem so wäre: Das ist doch kein Riesendrama – sofern die Anlagen professionell gestaltet sind. In Basel wurden bereits zahllose, auch grosse Anlagen via Baugesuch realisiert. Der Wille des Gesetzgebers ist aber, dass jeder Bau gut aussehen muss – und den setzen wir um.
Der Wille des Volkes war auch das neue eidgenössische Raumplanungsgesetz: Es setzt den Nutzen von Solaranlagen grundsätzlich über ästhetische Ansprüche.
Das ist so, dieser Passus im neuen Raumplanungsgesetz ermöglicht es, sich bei Solaranlagen über kantonales Gesetz hinweg zu setzen. Was eine weitere Liberalisierung der Praxis ermöglichen würde – hoffe ich jedenfalls. Das Gesetz, für das ich mich persönlich stark eingesetzt habe, ist aber noch nicht in Kraft. Gemäss Bundesrätin Doris Leuthard will der Bund es frühestens im Frühling 2014 in Kraft setzen. Mein Ziel ist, dass wir an dem Tag, an dem das Gesetz in Kraft ist, eine überarbeitete Richtlinie für Solaranlagen haben und eine noch liberalere Bewilligungspraxis. Im Moment können wir aufgrund der kantonalen Gesetzgebung nicht weiter gehen.
Die Anlage der Genossenschaft wurde von der IWB gelobt, sie erhält auch die kantonale Einspeisevergütung, die Gebäude liegen innerhalb der Nummernzone – und dennoch wurde aus rein ästhetischen Gründen abgelehnt. Das klingt widersprüchlich, wenn man sich Ihre und Herrn Brutschins Ankündigung von 2012 in Erinnerung ruft: «Basel soll ein Kraftwerk werden», «jedes geeignete Dach soll eine Solaranlage erhalten – notfalls mit Zwangsmassnahmen».
Wir gehen soweit, wie der gesetzliche Rahmen es uns ermöglicht. Eine Mehrheit des Grossen Rates hat sich dafür ausgesprochen, dass sich die Stadtbildkommission auch ausserhalb der Schonzonen – in den normalen Bauzonen also – um Bauten kümmert. Das tut die Stadtbildkommission – sogar in der Industriezone. Eine politische Mehrheit war bisher nicht zu finden, das Wirkungsfeld einzugrenzen – wie Jörg Vitelli mit einem entsprechenden Vorstoss im Grossen Rat selbst erfahren hat. Dies, obwohl die Regierung Vitellis Vorstoss unterstützte. Ich bin ja selber auch nicht unbedingt bekannt dafür, dass ich die Stadtbildkommission nicht etwas zurückbinden wollte. Im Gegenteil.
«Dass es einen gewissen Grad an Subjektivität gibt, lässt sich nicht von der Hand weisen.»
Dann bremst der ästhetische Anspruch ans Stadtbild der Baslerinnen und Basler die Solaroffensive?
Ich bin auch für ein schönes Stadtbild. Ich glaube aber auch nicht, dass das Potenzial der Solarenergie stark beschnitten wird, nur weil man den Anspruch hat, dass auch eine Solaranlage vernünftig zu gestalten ist.
Was gut gestaltet ist, ist aber relativ – und genau das monieren die Fachleute. Sie beklagen eine fehlende Rechtssicherheit.
Das ist tatsächlich ein spannender Punkt: Wie beurteilt man, was gut gestaltet ist? Die einzige Lösung ist hier ein Fachgremium. In der Stadtbildkommission diskutieren verschiedene Fachleute für Gestaltung gemeinsam die Baugesuche. Dass es einen gewissen Grad an Subjektivität gibt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Einen objektiven Weg, Ästhetik zu beurteilen, gibt es nicht. Die Richtlinien für Solaranlagen sind jedoch klar und einfach. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. Probleme können entstehen, wenn ein Bauherr ohne gestalterische Beratung eine Solaranlage realisiert
An der Eichhornstrasse erhielt ein Bauherr eine Busse von 1340 Franken, weil seine im Dach integrierte Solaranlage um zehn Zentimeter die Kriterien der Richtlinie nicht einhielt. Installiert hat sie die EBM (Genossenschaft Elektra Birseck), die IWB lobte es als «sehr schöne Anlage»…
Das ist ein Fall, der mich auch sehr ärgert. Wir müssen mit dem neuen Raumplanungsgesetz versuchen, an den Punkt zu gelangen, an dem eine solche wirklich wunderschön gestaltete Anlage bewilligungsfrei erstellt werden kann. Aber auch er hätte kein Problem, wenn er von Anfang an ein Baugesuch eingereicht hätte.
Ihm wurde gesagt, es sei nicht nötig.
Ich weiss nicht, wen er gefragt hat.
Das ist ein weiterer Problem: Wer eine Solaranlage bauen will, muss sich mindestens mit vier Ämtern beziehungsweise Stellen beschäftigen. Alle beurteilen aber eine andere Sache. Wäre eine einzige Anlaufstelle nicht angebracht?
Ich verstehe diesen Wunsch: Es ist anspruchsvoll für einen Bauherren mit dem Gang zur IWB für die Energieberatung, dem AUE für Subventionen, dem Bauinspektorat für Baugesuche und der Stadtbildkommission für ästhetische Fragen. All diese Punkte in einer Stelle zusammenzufassen, ist allerdings schwierig. Ich denke, dass die Richtlinie ein guter gemeinsamer Punkt ist. Sie wurde von den involvierten Ämtern zusammen erarbeitet.
«Liberal, einfach und klar»
Baudirektor Hans-Peter Wessels ist voll des Lobes für die Richtline für Solaranlagen in Basel-Stadt. Die Richtlinie (ein Auszug im Bild) zeigt die Gestaltungskriterien unter welchen Solaranlagen ohne Bewilligung möglich sind. Das Problem ist gemäss Fachleuten, dass in Basel so ziemlich alle Gebäudedächer aussehen, wie das bewilligungspflichtige Beispiel: Sie verfügen über Fenster und Kamine, der Rest des Daches reiche nicht für eine Solaranlage, die wirtschaftlich sei. Mehr dazu im Artikel: «Von wegen Solaroffensive».