Die Geschichte der ältesten Bäckerei Basels soll weitergeschrieben werden

Die Bäckerei an der Riehentorstrasse 18 erlebt einen weiteren Besitzerwechsel und wird ausser Brötchenlieferant auch zum Treffpunkt für partizipative Backkunst. Mit einem aussergewöhnlichen Konzept wollen sich die neuen Pächter von der Konkurrenz abheben – vorausgesetzt das Geld kommt bis Ende Oktober zusammen.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Die Bäckerei an der Riehentorstrasse 18 hat zwei Geschichten: Eine lange, die ist eine Erfolgsgeschichte. Und eine kürzere, nämlich jene der jüngeren Vergangenheit, deren Bilanz bestenfalls durchzogen ist. Nun soll ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden mit dem Ziel, die Bäckerei aus den Konjunkturschwankungen heraus und zurück auf die Erfolgsstrasse zu führen. 

«Wir wollen nicht an die letzten fünf Jahre anknüpfen, sondern an die letzten 300», Sagt Leon Heinz, der zusammen mit Felicia Schäfer und Lea Gessler den Neustart lanciert. Heinz streicht über die Tischplatte, sein Blick wandert der blauweissen Verzierung an der Decke entlang. Die Vergangenheit der Lokalität sei ihm durchaus bewusst, aber was seit 300 Jahren bestehe, das könne insgesamt gesehen nur eine Erfolgsgeschichte sein.

Als Berater angefragt, als Pächter eingestiegen

Eine Erfolgsgeschichte, die in den letzten Jahren aber von Krisen durchzogen wurde. Der Betrieb 2013 geriet durch Misswirtschaft und hausinterne Querelen in Schieflage, die Wege des Hauseigentümers und damaligen Verwaltungsratspräsidenten der Bäckerei, Bruno Kopp, und dem Betreiberpaar trennten sich im Unfrieden. Dass auch unter dem nachfolgenden Betreiber nicht alles rund lief, lässt sich aus der Kontaktaufnahme Kopps mit den neuen Betreibern schliessen.

«Ursprünglich wurden wir angefragt, ob wir der Bäckerei beratend zur Seite stehen können», erzählt Felicia Schäfer, «aber als wir endlich Zeit dazu fanden, war der Betrieb bereits geschlossen». Schäfer, Gessler und Heinz sind Teil der Gastronautischen Gesellschaft, die in Basel mit ihrem innovativen Konzept von sich Reden machte. 

Dann ging alles sehr schnell. Gessler, die zu diesem Zeitpunkt noch eine Anstellung in Paris hatte, kehrte nach Basel zurück und die drei Hyperwerk-Absolventen beschlossen, ihre eigene Bäckerei zu eröffnen. «Kult» soll die neue Bleibe heissen, «weil in diesem Namen der Charakter des Ortes und gleichzeitig unser Programm zusammenkommen», sagt Heinz.

Ein Auszug aus diesem Programms liest sich wie folgt:

«Wir sehen uns als Treffpunkt für backbegeisterte Teigforscher und Ofen-affine Kulinariker, wo gelernt und ausgetauscht werden kann. Du möchtest Sauerteig ansetzen? Oder endlich wissen, wie man Macarons macht? Wir sind offen für deine Anregungen und gestalten das Workshopprogramm mit dir zusammen.»

Oder so:

«In der Bäckerei ‹Kult› wird der beschwipste Peter am Samstagmorgen nach dem Ausgang das gleiche Pain au Chocolat kaufen wie die frühe Gabi vier Stunden später. Hier trifft das gute Bio-Vollkornbrot fürs Familienznacht auf den deftigen Croque Monsieur für den Gymi-Schüler am Mittag. Hier grüssen selbstgepflückte Zwetschgen und regionales Mehl die Kiwi aus Neuseeland.»

Die Jungbäcker wollen offensichtlich mehr, als nur Brötchen über die Theke reichen. An der Riehentorstrasse 18 sollen der Backraum und die technische Ausstattung auf das Know-How und die Neugierde der Kundinnen und Kunden treffen, die damit zumindest zeitweise von der Konsumenten- auf die Produzentenseite wechseln können.

Viele Bäckereien auf engem Raum

Eine Werbe-Aktion vor der offiziellen Eröffnung (geplant im November) deutete bereits an, was dereins in der Bäckerei alles möglich sein könnte: Schäfer, Gessler und Heinz verteilten kostenlos Pizzateigklumpen in der Stadt und luden zum gemeinsamen Backen, «abends hatten wir dann die Backstube voll und alle wollten ihre Pizzen geniessen», berichtet Gessler. Der Abend war trotz der noch unfertigen Einrichtung ein voller Erfolg und bestätigte die Initianten in ihrem Vorhaben.

Aktionen wie diese wird die Bäckerei auch nötig haben, wenn sie sich in der Gegend ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten möchte. Zur nächsten Suter-Beck-Filiale sind es knapp 100 Schritte, am Wettsteinplatz überzeugt das Kaffi-Sandwich dank seiner Aussenterrasse und direkt gegenüber verkauft das«Café des Artistes» Spezialitäten.

Zweifel ob der hohen Konkurrenzdichte hat das angehende Bäckerteam nicht. «Wir wollen hier etwas Neues auf die Beine stellen, das es so noch nicht gibt», sagt Gessler. Den benötigten Umsatz, der alleine mit Laufkundschaft ohnehin nicht zu machen sei, soll mit Lieferungen an Cafés und kleine Läden erreicht werden. Erste Aufträge liegen bereits vor. 

Ausstehende Startfinanzierung

Noch stehen die Knetmaschinen allerdings still, noch liegt kein Mehlgeruch in der Luft. Denn bis zur geplanten Eröffnung im November fehlt der Bäckerei «Kult» ein entscheidender Faktor: Geld. 30’000 Franken sollen per Crowdfunding bis zum 31. Oktober zusammenkommen, weitere 30’000 sollen über Stiftungsgelder hereingeholt werden.

«Mit dem Crowdfunding liegen wir im Fahrplan», sagt Heinz für den diese Art der Finanzierung gleichzeitig Zukunftsprognose ist: «Wenn wir in Basel keine 300 Menschen finden, die bereit sind die älteste Bäckerei der Stadt am Leben zu erhalten, dann macht unser Projekt ohnehin keinen Sinn.»

Die Neugierde der Quartierbevölkerung haben Schäfer, Gessler und Heinz bereits auf ihrer Seite. Während des Gesprächs klopfen immer wieder Passanten an die Scheibe und fragen: «Gibts ein Croissant?» Noch müssen die hungrigen Passanten vertröstet werden, mit ihrer Hilfe könnte aber bald ein weiteres Kapitel über die Bäckerei an der Riehentorstrasse 18 geschrieben werden.

Wer sich mit einer Spende an der Neueröffnung der Bäckerei «Kult» beteiligen möchte, kann dies über die Plattform We Make It tun.

Nächster Artikel