Die Krähe – der natürliche Wecker der Städter

Die Zivilisation frisst den Lebensraum vieler Wildtiere auf. Doch manche von ihnen finden mittlerweile Gefallen am urbanen Leben. Wir stellen in einer Serie die häufigen Exoten vor. Heute: die Saatkrähe.

Kaum noch ausserhalb der Stadt: Zwei Drittel aller Schweizer Saatkrähen leben in Stadtgebieten. (Bild: Martin Addison)

Die Zivilisation frisst den Lebensraum vieler Wildtiere auf. Doch manche von ihnen finden mittlerweile Gefallen am urbanen Leben. Wir stellen in einer Serie die häufigen Exoten vor. Heute: die Saatkrähe.

Die Wildtiere sind zurück in der Stadt. Wildbiologen haben herausgefunden, dass manche Grossstädte eine grössere Artenvielfalt aufweisen, als landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Nächtliche Begegnungen mit Käuzen und Schleiereulen sind insbesondere im St. Johann schon fast normal.

Wenn man in Kleinhüningen erzählt, dass die Saatkrähe noch vor wenigen Jahren vom Aussterben bedroht war, tippt man sich an den Kopf. «Ein grosser Teil der Rastatterstrasse ist für Menschen kaum noch benutzbar», klagt eine Anwohnerin. Die dortige Krähenkolonie hat die Allee weitgehend okkupiert.

Die Bestände der Saatkrähe haben sich derart erholt, dass Bauern lautstark eine intensivere Bejagung dieses Vogels verlangen. Doch die scheitert meist an der hohen Intelligenz der Krähen. Sie sind in der Lage einen Menschen mit Schrotflinte als Bedrohung zu erkennen (während sie sich um unbewaffnete Spaziergänger kaum kümmern), und ihre Artgenossen detailliert zu alarmieren. Sie wissen auch sehr genau, dass der Mann mit der Schrotflinte nicht täglich kommt. Die effektivste Art zur Vergrämung der Saatkrähe ist die Beizjagd mit Greifvögeln. Vermutlich nehmen die Krähen an, dass der Falke oder Habicht dauerhaft in der Nähe auf der Jagd ist.

Zwei Drittel aller Saatkrähen leben in Stadtgebieten

Heute leben zwei Drittel aller Schweizer Saatkrähen in Stadtgebieten. Die Basler Saatkrähen sind, wie die Füchse, Pendler. Zur Futtersuche fliegen sie tagsüber mit Vorliebe auf die Felder bei den Langen Erlen und kehren abends zu ihren städtischen Brutplätzen zurück, wo sie sicher sind vor Schrotflinten und Habichten. Ausserdem ist es in der Stadt immer um einige Grad wärmer als im nächtlichen Wald. Im Gegensatz zu Rabenkrähen und Kolkraben leben Saatkrähen in hochorganisierten Kolonien. In einem einzigen Baum werden bis ein Dutzend Nester gebaut, und oft werden mehrere Bäume nebeneinander besiedelt, zum Teil auch ganze Alleen und Parkanlagen.

Saatkrähen verfügen über ein vielfältiges Repertoire an spezifischen Rufen, die eine regelrechte Sprache bilden, mit der sie offensichtlich recht komplexe Informationen weiterleiten können. Wie die meisten Rabenvögel gehen Saatkrähen lebenslange Partnerschaften ein. In Letzter Zeit haben Ornithologen beobachtet, dass Saatkrähen-Kolonien ein Art Kinderhütedienste betreiben und sich kollektiv um den Nachwuchs kümmern. Saatkrähen sind so intelligent, dass sie nicht nur in der Lage sind, Werkzeuge zu benutzen, sondern sogar herzustellen.

Wachsende Population von grossen Krähen

Relativ neu ist die wachsende Population von Aas- oder Rabenkrähen. Diese deutlich grössere nur paarweise nistende Krähenart ist noch nicht lange als Kulturfolger bekannt. Die prachtvollen Vögel mit dem typisch kräftigen schwarzen Schnabel, haben lieber ihre Ruhe und zeigen ein ausgeprägtes Revierverhalten.

In der freien Natur sind das oft ganze Täler, in der Stadt gibt sich ein Rabenkrähenpärchen mit einem Hinterhof zufrieden. Dort nerven die gefiederten Siedler zwar die Anwohner, halten diesen aber Tauben und zeterndenSaatkrähenschwärme vom Hals. Und das Männchen, dass im Morgengrauen lautstark in alle vier Himmelsrichtungen krakeelt, erspart den Hahn oder Wecker.

Bereits vorgestellt haben wir in der Serie: den Steinmarder und den Turmfalken. Das nächste Tier in unserer Online-Serie: die Fledermaus. Warum die Wildtiere in die Stadt zurückkehren? Die Hintergründe lesen Sie in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 16. Mai 2014 auf Papier oder in der App der TagesWoche.

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