Die Leidensgeschichte der Basler Plätze

Manche Basler Plätze sind unbelebte und gesichtslose Steinwüsten, an denen man sich nur ungern aufhält. Die Stadt hat Besseres verdient.

Nach den Vorstellungen des Vereins Pro Münsterplatz soll der Vorzeigeplatz Basels «seine Würde als sakraler und besinnlicher Ort» behalten.

(Bild: Dominique Spirgi)

Manche Basler Plätze sind unbelebte und gesichtslose Steinwüsten, an denen man sich nur ungern aufhält. Die Stadt hat Besseres verdient.

Die Herbstmesse macht alle gleich. Wuselnde Menschenmassen, Vergnügungsbahnen, Wurstbuden und Marktstände verwandeln sie alle in Rummelplätze: den würdevollen Münsterplatz, den Barfüsserplatz als Sammelbecken der urbanen Eventkultur, den zurückhaltend vornehmen Petersplatz, das Kasernenareal als sich ewig neu erfindender Ort der Multi-, Alternativ- und mittlerweile auch Militärkultur – und den Messeplatz.

Auf dem Messeplatz hat es die Herbstmesse nicht mehr so leicht, seit der mächtige Neubauriegel die Hälfte des Platzes überdeckt und diesen in eine schwer definierbare Mischung aus Foyer und überdimensionierter Unterführung verwandelt hat. Nachts oder bei bedecktem Himmel dringt trotz imposanter Öffnung in der Mitte kein oder kaum Licht ein. Und die Vergnügungsbahnen, die sich darunter drehen, werden vom schweren Deckel schier erdrückt.

«City Lounge» hat die Messe Schweiz den überdeckten Teil des Platzes etwas übermütig getauft. Lounge-Stimmung kommt allenfalls dann auf, wenn die Messeverantwortlichen den Platz während der Leitmesse Baselworld mit Zierbäumchen und Sitzbänken schmücken und möblieren. Sonst ist vom «hellen Ort mit einer warmen Atmosphäre», wie es in einem Beschrieb der Messe Schweiz heisst, wenig bis gar nichts zu spüren.

Das Diktat der Funktion

Der 2013 eingeweihte neue Messeplatz ist kein Produkt minutiöser Stadtplanung, sondern ein Resultat, das sich aus dem Diktat der Funktion ergeben hat. Er ist so, weil die Messe den Neubau so gross wollte, so dass er nun als Querriegel die wichtige Strassen- und Platzachse zwischen Mittlerer Brücke und Badischem Bahnhof durchbricht.

Die Strassenkreuzung Rütimeyerplatz wurde auch nach der Umgestaltung nicht zum richtigen Platz.

Der Verein wehrt sich gegen das Image als Verhinderer. Er hatte 2010 zwar erfolgreich die Einrichtung einer Buvette unter den Bäumen beim Kleinen Münsterplatz verhindert. Gleichzeitig trat der Vorstand im vergangenen Jahr aber als Veranstalter eines kleinen, aber hochstehenden Musikfestivals auf dem Platz auf.

Wie viel Leben dem Platz neben den bereits bestehenden Events wie Herbstmesse oder Open-Air-Kino guttun würden, darüber wird man sich wohl noch lange Zeit streiten. In der grossen städtebaulichen Erneuerungsphase nach dem Zweiten Weltkrieg dürfte die Ruhe dem Platz gutgetan haben. So ist es wohl nicht zuletzt seiner Abgeschiedenheit und der Distanz zur lebendigen Talstadt zu verdanken, dass der Platz nie dem Investitionsdruck des Gewerbes ausgesetzt war und damit von profitorientierten Verschandelungen verschont blieb, wie der im vergangenen Jahr verstorbene ehemalige Basler Dekmalpfleger Alexander Schlatter 2011 in einem Aufsatz bemerkte.



Nach den Vorstellungen des Vereins Pro Münsterplatz soll der Vorzeigeplatz Basels «seine Würde als sakraler und besinnlicher Ort» behalten.

Nach den Vorstellungen des Vereins Pro Münsterplatz soll der Vorzeigeplatz Basels «seine Würde als sakraler und besinnlicher Ort» behalten. (Bild: Dominique Spirgi)

Funktionierende Plätze

Es gibt sie aber auch noch, die Plätze in der Basler Innenstadt, die funktionieren, ohne dass der Staat gestalterisch aktiv eingreift. Der lauschige Andreasplatz gehört dazu, auf dem das Nebeneinander von Leben auf dem Platz und Wohnen in den kostspieligen Wohnungen darüber zu klappen scheint. Oder das Kasernenareal als Schmelztiegel der nicht-institutionalisierten Multikultur. Es gibt Strassen und Wege wie das Kleinbasler Rheinufer, die Rheingasse und die Steinenvorstadt, die den wirklichen Plätzen ihre Rolle als Treffpunkte und urbane Aufenthaltsorte streitig machen.

Und es gibt Plätze, die auf den ersten Blick zwar einen verwahrlosten Eindruck machen und in den Augen rechtsbürgerlicher Ruhe- und Ordnungspolitiker ein Schandfleck sind. Dazu gehört der Claraplatz, den Alkoholiker und missionierende Muslime, herausgeputzte Gäste der Baselworld und Kleinbasler aller Nationalitäten auf Shoppingtour miteinander teilen, ohne sich ins Gehege zu geraten.

Auf dem Claraplatz, dem wohl grossstädtischsten aller Basler Plätze, zeigt sich, dass es letztlich die Menschen sind, die das besondere und eigenständige Flair eines Platzes ausmachen.

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