Die liebenswerte Bösartigkeit der Thrash Metaller

Das Z7 ist für Rockfans mehr als nur eine Konzertlokal, das zeigen die Reaktionen auf die aktuellen Probleme zwischen Veranstalter Norbert Mandel und den Prattler Behörden. Doch was geht eigentlich ab, wenn sich die Metal-Gemeinde zum Stelldichein trifft? Wir stürzten uns ins adventliche Headbangen zu Kreator und Arch Enemy.

Völkerverbindung durch freundliches Rempeln: Mille Petrozza von Kreator stachelt die Massen an. (Bild: Oliver Christe)

Das Z7 ist für Rockfans mehr als nur eine Konzertlokal, das zeigen die Reaktionen auf die aktuellen Probleme zwischen Veranstalter Norbert Mandel und den Prattler Behörden. Doch was geht eigentlich ab, wenn sich die Metal-Gemeinde zum Stelldichein trifft? Wir stürzten uns ins adventliche Headbangen zu Kreator und Arch Enemy.

Der Weg zum Z7 führt ins Dunkel. Die Zufahrt ist kaum beleuchtet, doch sein Ziel findet man auch so, denn man hört das Konzertlokal, bevor man es sieht. Es ist kurz vor sechs an diesem Sonntagabend, die erste Band bereits am Werk.

Am Schalter, wo sich Gäste und Journalisten einfinden, erhält man ein Blatt vorgelegt. Darauf steht die traurige Geschichte eines Tontechnikers geschrieben, dem hier unlängst ein Koffer mitsamt seiner Gage für die ganze Tour gestohlen wurde. Und weil unsereiner keinen Eintritt zahlen muss, fände es das Z7 schön, wenn man dafür dem armen Mann einen Fünfliber spenden möchte. In der Metal-Gemeinde schaut man zueinander. Da gibt man gern.

Vader, die Death-Metal-Pioniere aus Polen, sind schon fast durch, als der Chronist die Halle betritt. In Hardrock-Kreisen gilt «Mehr ist mehr» und darum sind Tour-Packages, bei denen gleich vier Bands auftreten, recht verbreitet. Metal im Multipack – da muss unsereiner dosieren, damit die Kraft bis zum Ende reicht.

Das Shirt verrät den Novizen

Richtig bereit sind wir dann bei Sodom. Die gibt es seit 32 Jahren, wie Frontmann Tom Angelripper erklärt. Und mit dem Stolz des Malochers führt «Onkel Tom» sein Trio durch ein straffes Set, das seine Höhepunkte in der Darbietung von Frühwerken wie «Outbreak of Evil» findet. «Prost, ihr Säcke», hebt der Mann aus dem Ruhrgebiet zwischen zwei Stücken den Becher. «Prost, du Sack» schallt es wie auf Kommando zurück. Call and response: Hier werden die Rituale gepflegt, fast wie in der Kirche.

Vor dem WC-Wagen draussen ist die Männerschlange die längere. Wer ansteht, trägt Bandshirts von Szenegrössen, was insofern der Distinktion dient, als sich der Novize dadurch verrät, dass über seiner Brust der Schriftzug einer der heute auftretenden Bands prangt. Gemäss einer ungeschriebenen Regel kauft man sich deren Textilien aber erst nach dem Konzert am Verkaufsstand. Zur Belohnung, wenn es gut war.

Der Einkauf fällt leicht, denn die Preise sind moderat: 20 Stutz nehmen die Vorbands für ein Shirt, 30 die Hauptacts. Der Eintritt ist mit 50 Franken für vier Bands schon fast ein Schnäppchen, der halbe Liter Bier in der Büchse kostet 6 Franken, Depot wird keines verlangt. Dank insgesamt drei Bars muss niemand beim Anstehen verdursten, auch wenn das Konzert ausverkauft ist.

Frau mit fieser Stimme

Arch Enemy sind ein Stück jünger als ihre Kollegen heute Abend. Ihr melodischer Death Metal stammt aus den 90ern, als dank dem technischen Fortschritt auch verzerrte Sounds stadiontauglich produziert werden konnten. Berühmt sind sie dank ihrer Frontfrau. Das ist in der Männerdomäne Metal an sich schon ungewöhnlich und hier umso mehr, als das Aushängeschild von Arch Enemy mit heftigem Growling den Beweis erbringt, das gutturaler Gesang kein Privileg der Männer ist.

Nun haben Arch Enemy aber ein Problem: Letztes Jahr hat Angela Gossow, die Sängerin mit der unglaublichen Stimme, die Band verlassen. Ihre Nachfolgerin Alissa White-Glutz macht auf dem neuen Album «War Eternal» eine gute Falle, im Konzert aber muss sie sich erst noch beweisen

Und das tut sie. Auf der Bühne klingt die Neue noch fieser, noch brachialer als ihre Vorgängerin und erobert die Fans mit liebenswerter Bösartigkeit. Doch nach drei Songs wendet sie sich ans Publikum: «I feel fucking sick tonight.» Absagen habe sie nicht wollen, doch sie brauche Unterstützung, eine interaktive Show soll es werden: «You do my Job».

Fremdkörper zwischen Prügelkappellen

Die Fans verzeihen ihr die Unpässlichkeit, denn White-Glutz steht ehrlich zur Schwäche und zeigt Einsatzwillen – traditionelle Tugenden, die der Metaller würdigt. Und so singt das Publikum die melodiösen Refrains, die White-Glutz Stimme heute nicht zu tragen vermag. Im Gegenzug bringt die Sängerin die Growl-Parts, an denen sie gemessen wird, umso heftiger.

Die Band ist eingespielt und fetzt im Galopp durch einen forcierten Parcours. Bandleader Michael Amott spielt gerne Gitarrenläufe à la Ritchie Blackmore, und gelegentlich tritt der zweite Gitarrist hinzu, um die Leadstimme zu doppeln. Dabei verlieren Arch Enemy bei aller Härte nie den eingängigen Refrain aus dem Blick, was sie im heutigen Setting aus lauter Prügel-Kappellen ein bisschen zum Fremdkörper macht.

Etwas ärgerlich ist die Sache mit der Lautstärke. Auch wenn es den Ton in unseren Videos überschlägt, bleibt die nämlich brav im Rahmen der strengen Schweizer Vorschriften. Wer zweifelt, findet Bestätigung bei der Anzeige an der Wand, die beweist, dass die Grenzwerte zuverlässig eingehalten werden. Metal muss richtig knallen, aber gut, da Z7-Leiter Norbert Mandel gerade mit den Behörden über die Zukunft seines Ladens diskutiert (wir haben berichtet), macht es wohl Sinn, wenn man der Gegenseite keine Munition liefert.

Weiterentwicklung nur in kleinen Dosen

In der Pause kommt man an den Stehtischen vor der Halle schnell ins Gespräch. Zum Beispiel mit Remo und Benno aus Luzern, die regelmässig ins Z7 pilgern. Benno ist heute vor allem wegen Sodom hier. Er hat die Band nun zum vierten oder fünften Mal gesehen. «Sie haben viele alte Nummern gespielt», das findet Benno super, denn die neueren, moderneren Sachen, sind für ihn «nicht mehr Sodom».

So ist das im Metal. Weiterentwicklung wird nur in kleinen Dosen akzeptiert. Am liebsten ist vielen Fans, wenn ihre Band so klingt, wie sie immer schon geklungen hat. Das Leben bringt ja auch so genug Veränderung.

Wenn man einen Ellenbogen in die Rippen bekommt, dann geschieht das in gegenseitigem Respekt.

Kreator sind eine Institution des Thrash Metal. Die Band funktioniert seit den 80ern wie eine Maschine: deutsche Wertarbeit in feinjustierter Grobmotorik. Das Quartett aus Essen bringt die alte und die neue Metal-Welt zusammen: Einerseits verstehen sie es wie sonst nur die Szenekönige Slayer ansatzlos vom Bollern ins Schnetzeln zu wechseln und alles mit grosser Präzision kaputt zu machen; auf der anderen Seite liefern sie die eine oder andere melodiöse Passage in etwas moderneren Arrangements.

Frontmann Mille Petrozza, Sohn eines italienischen Einwanderers, der in einer Zeche schuftete, hat zwischen zwei Songs etwas zu sagen: «Kreator glauben, dass Musik alle Menschen und Kulturen zusammen bringen kann. Politik und Religionen hingegen spalten die Menschen.» Dann formiert er sein Publikum erst zur Wall of Death und dann zum Circle Pit. Die Leute rennen aufeinander los und rempeln sich gegenseitig an, ohne dass das auch nur einen Moment lang gewalttätig wirkt.

Früher war das anders: In 80ern arteten Hardrock-Konzerte schon mal in Schlägereien aus. Heute aber folgt der Tumult klaren Konventionen und wenn man einen Ellenbogen in die Rippen bekommt, dann geschieht das in gegenseitigem Respekt. Es ist wie eine Umarmung, einfach auf die harte Tour.

Mit Flammenwerfern in die Hölle

Gegen Ende des Auftritts von Kreator zeigt das Publikum Abnützungserscheinungen, aber Mille hält das Volk mit allerlei Animationen bei der Stange. Als erste Zugabe zieht die Band dann einen Joker aus dem Ärmel: «The Number of the Beast» von Iron Maiden, ein Stück, das in Metallerkreisen den Status einer Hymne hat. Es mag der dritte Advent sein, doch hier lauten die Zahlen zur Seligkeit «Six, Six, Six». Am Bühnenrand spucken Flammenwerfer Feuer und Kreator öffnen die Pforten zum Heiligsten und Höchsten im Heavy Metal – der Hölle. Dann ist Feierabend.

Kurz vor elf strömen die 1500 Besucher zufrieden und geordnet zum Ausgang. Jeder findet seinen Platz, keiner drängelt oder schubst. Und die angebrochene Bierbüchse bleibt zurück, denn die Veranstalter wollen keine Sauerei vor dem Laden. Das wird klaglos akzeptiert. Das Z7 ist für die Metal-Gemeinde ein Stück Heimat und der trägt man Sorge.

Nächster Artikel