Mehr Fanarbeit, bessere Infrastruktur, konsequente Bestrafung: Die Swiss Football League präsentiert ihre neue Strategie gegen Gewalt in und um Fussballstadien. Anders als die Politik setzt die Liga nicht ausschliesslich auf Repression.
Zu Beginn der Veranstaltung der Swiss Football League am Donnerstagmorgen in Bern wähnte man sich an einer dieser wohlbekannten, aufgeblasenen Werbeveranstaltungen, die sich in erster Linie durch ihren verbrecherischen Umgang mit der Sprache auszeichnen. Eine jener Veranstaltungen, bei denen mit vielen Worten und schrägen Sprachbildern die latente Inhaltslosigkeit verschleiert werden soll: Von «Visionen» war die Rede, von «Toleranzfahrbahnen» und «Leitplanken». Von einem «soliden Fundament» und «Säulen» natürlich, die auf diesem Fundament mit «Dialog» und «Kooperation» gebaut werden sollen, ja müssen!
Nicht nur Repression
Als die drei Herren der Liga (Alex Miescher, Generalsekretär SFV, Claudius Schäfer, CEO SFL und Sicherheitschef Christian Schöttli) ihren ersten Schwall Marketingneusprech auf die anwesenden Journalisten ergossen hatten, geschah aber Erstaunliches: Die Liga hat sich tatsächlich etwas überlegt. Hat konkrete Massnahmen beschlossen. Und scheint auch gewillt, diese Massnahmen durchzusetzen.
«Wir müssen etwas tun», sagte Claudius Schäfer und verschwieg auch die Entstehungsgeschichte der Massnahmen nicht. In den vergangenen Jahren und speziell in den vergangenen Monaten ist der Druck aus Politik und Bevölkerung auf die Clubs stetig gewachsen. Runde Tische mit allen Beteiligten blieben wirkungslos. Und das wiederum hatte zur Folge, dass die Kantone die Themenführerschaft übernahmen und mit dem neuen Hooligan-Konkordat eine klare Ansage machten, wie Gewalt im Sport künftig verhindert werden soll: Mit Repression. Mit Repression. Und mit Repression.
Auch die Liga hat in seiner neuen Strategie Repressions-Elemente. Aber eben nicht nur. «Um unsere Vision von friedlichen Spielen zu verwirklichen, braucht es verschiedenste Elemente», sagte Schäfer und überliess es dann Christian Schöttli, dem Sicherheitschef der Liga, die sieben Massnahmen zu präsentieren.
- Fanarbeit. In Zusammenarbeit mit Swiss Olympic hat die Liga einen Zertifizierungskurs für Fanarbeiter entwickelt, den künftig alle Fanarbeiter absolvieren müssen. In Zukunft soll zudem ein Fanarbeits-Konzept Bestandteil der Auflagen für eine Lizenzerteilung sein und die Fanarbeit Richtung «sozioprofessioneller» Jugendarbeit ausgebaut werden. «An einem Spieltag ist das Stadion der grösste Jugendtreff der Stadt. Dem müssen wir Rechnung tragen», sagte Schöttli.
- Kommunikation. Abspracherapporte und Debriefings in den verschiedenen Stadien werden standardisiert.
- Infrastruktur. Auf Beginn der Saison 2013/14 müssen alle Schweizer Stadien als Zugang zu ihrem Gästesektor eine mannhohe Drehsperre pro 250 Zuschauer, Ballnetze auf den Stirnseiten und mindestens 2.20 Meter hohe Sektortrennungen installieren. Vor allem die baulichen Massnahmen bei den Eingängen der Stadien sollen deeskalierend wirken. Häufig sind nämlich die beengten Verhältnisse bei den Zugangskontrollen Ausgangspunkt von Provokationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fans und Sicherheitskräften.
- Stadionordnung. Auf die aktuelle Saison hin wurde eine einheitliche Stadionordnung für alle Clubs geschaffen. Neue Bestandteile sind ein allgemeines Vermummungsverbot (das anscheinend im halböffentlichen Raum des Stadions bisher nicht galt) und eine Vereinheitlichung der Einsatzkonzepte innerhalb und ausserhalb der Stadien. «Es kann nicht sein, dass die gleichen Fans in einer Stadt von 500 schwerbewaffneten Polizisten und in der nächsten Stadt von zwei Motorradfahrern empfangen werden», meinte Schöttli.
- Transport. Bis in einem Jahr sollen alle Clubs sogenannte Transportpartnerschaften mit den SBB abschliessen. Vorbild ist dabei das Berner Modell, bei dem die Clubs zusammen mit den Fans selbst für Sicherheit und Sauberkeit in den Zügen sorgen. Langfristig sei das Ziel, dass alle Fans in den Extrazügen transportiert werden. Gegen Fan-Märsche hat die Liga nichts – solange sie friedlich ablaufen. Hingegen sprechen sich die Verantwortlichen gegen das geplante Kombi-Ticket aus. Aus Gründen der Umsetzbarkeit: Um das Kombi-Ticket wirklich durchsetzen zu können, müssten die Fans an gewissen Standorten mit Bussen ins Stadion gebracht werden. «Kennen Sie ein Busunternehmen, das tausend FCB-Fans transportieren möchte?», fragte Claudius Schäfer in die Runde.
- Ausbildung. Die «Schlüsselfunktionen» – Sicherheitsverantwortliche, Sicherheitsdelegierte, Fan-Verantwortliche, Schiedsrichter und Stadionsprecher – sollen besser ausgebildet werden.
- Bestrafung. Um Täter gezielt bestrafen zu können, werden die Abläufe zwischen Clubs und Polizei gestrafft. Ziel ist, den einzelnen Täter konsequent zu verfolgen – und Kollektivstrafen zu vermeiden.
Die Massnahmen wurden in einem Ausschuss der Liga erarbeitet und stossen laut Aussage von Schöttli bei den Clubs auf grosses Wohlwollen. Eine etwas vage Haltung hat die Liga weiterhin beim Einsatz von Pyros. Man müsse darauf achten, dass die Diskussion sich nicht ausschliesslich darum drehe, sagte Schöttli, für den der Einsatz von Feuerwerk Ausdruck einer Jugendbewegung und nicht auf den Fussball beschränkt ist. «Pyro ist und bleibt verboten. Aber es ist nicht unser einziges Problem.» Ausserdem seien Eingangskontrollen, mit denen der Schmuggel von Feuerwerk total verhindert werden können, nicht realistisch.
Verschobene Anspielzeiten: «Wir werden eine Lösung finden»
Mit «bestmöglicher Zusammenarbeit» will die Liga die Gewalt aus dem Sport entfernen. Dass die Zusammenarbeit dabei nicht immer sehr einfach ist, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Basel. Wie «20 Minuten» berichtete, hat der Basler Polizeikommandant Gerhard Lips bei der Liga offiziell gegen die zwei Stunden spätere Anspielzeit für Spiele am Samstag (neu 19.45 Uhr) protestiert. Wenn die Spiele zu dieser Zeit stattfänden, würden Polizisten für die Grundversorgung in der Innenstadt fehlen, schrieb Lips dem Verband und drohte via Polizeisprecher Klaus Mannhart mit der Nichtbewilligung der Spiele. Bei der Liga zeigt man sich überrascht über den Brief aus Basel. «Es war nicht unser Wunsch, die Spiele später anzusetzen, sondern ein Wunsch aus den Städten», sagt Schäfer. Der spätere Anpfiff sei vor allem von jenen Stadien mit Mantelnutzung gefordert worden. Schäfer hält den Brief aus Basel für «nicht so dramatisch». «Wir werden schon eine Lösung finden.»