Die Mär von der linken Mehrheit

Linke Journalisten? Mag ja sein. Aber für Bauern, das ­Parlament, die Polizei, Freikirchen und sogar die SRG gilt: Wer eher links tickt, tickt in der Unterzahl.

Als Linker ist man in der Polizei in der Minderheit. Mehrheiten finden allenfalls Linke, die der Polizei gegenüber stehen. (Bild: Illustration: Nils Fisch)
  1. Drei Viertel der SRG-Journalisten ticken also links. Ich würde dem gerne entgegensetzen, dass dafür drei Viertel der Schweizer Medienmogule einen rechten Tick haben. Und dann kann man sich natürlich auch über die Begriffe links und rechts streiten. Wenn links bedeutet, dass man sich einen besser verteilten Wohlstand wünscht, Bildung und soziale Institutionen wichtiger findet als Militär und Polizei und sich für eine humanere Flüchtlingspolitik einsetzt, dann bin ich links.

Die Schweiz als Ganzes ist es mitnichten. Wer eher links tickt, tickt in der Unterzahl. Hier eine unvollständige Liste von Institutionen und (Berufs-)Gruppen, die in der Schweiz nicht links sind.

1. Die SRG: Wenn ich das Programm und die Ausrichtung von Schweizer Radio und Fernsehen anschaue, sehe ich da vor allem volksnahe Inhalte. Mit vielen Formaten will eindeutig die bürgerliche Mitte und eher alles rechts davon angesprochen werden.

Kennen Sie einen Moderatoren mit Migrationshintergrund, der eine Sendung präsentiert, die das nicht betont?

Fast alle Sendungen überzieht eine folkloristische, ja patriotische Glasur. Wir sehen ausserdem kaum Inhalte für Secondos, geschweige denn von Secondos präsentierte Inhalte. Natürlich gibt/gab es Ausnahmen wie «Tama Gotcha» und «Müslüm TV», aber auch die werden für das Volk zurechtgestutzt. Völlig untervertreten sind Moderatoren mit Migrationshintergrund, die eine Sendung präsentieren, wo dieser nicht im Vordergrund steht. Klar haben extern produzierte Formate wie «Reporter» oder «DOK» oft einen SVP- und Blocher-kritischen Duktus, aber wer, der das Wort Duktus kennt, hat das nicht.

2. Die Zeitungen: BaZ und «Weltwoche» sind schon in die Hände rechter Schwurbler gefallen und Blocher will weiter einkaufen. Aber auch sonst ist mir kein grosses Medienhaus bekannt, das «links» berichtet. Bei den Chefetagen und Besitzern kann man froh sein, wenn sie FDP und nicht SVP wählen. Die NZZ FDP, die «Berner Zeitung» Mitte/rechts – und wer in letzter Zeit mal die «Sonntags-Zeitung» aufgeschlagen hat, musste sich gerade bei «Ausländerthemen» immer wieder versichern, dass er nicht aus Versehen zur «Weltwoche» gegriffen hatte.

Klar gibt es viele Journalisten bei den erwähnten Zeitungen und Medienhäusern, die durchaus links ticken, aber die halten es irgendwann nicht mehr aus, steigen aus und gründen etwas Neues, das dann einen ähnlich schweren Stand hat wie die WoZ oder dieses edle Blatt hier.

3. Die Polizei: Wer einen dunkelhäutigen Freund hat, selbst Migrantin ist oder lieber im Schlabberlook als im Anzug rumläuft, weiss, dass er oder sie eher Ziel von Polizeikontrollen ist als andere. Das heisst nicht, dass alle Polizisten Rassisten sind, und ich finde es als kritisch Denkender auch ziemlich bescheuert, den «Bullen» allgemein als Feindbild zu sehen. Aber dass die Polizei eher rechts als links ist, ist vor allem allen Linken recht klar.

«Wenns hert uf hert chunnt, luege di Lingge i», sagte mir damals in der RS ein Korporal.

4. Das Militär: «Wenns hert uf hert chunnt, luege di Lingge i», sagte mir damals in der RS ein Korporal bei einer Übung. Allgemein galt ich im Militär als linker Chaot, weil ich der Meinung war, die ganze Übung, die wir da veranstalteten, sei relativ überflüssig, so wie die Milliarden, die dafür ausgegeben würden. Das Weltbild eines erschreckend grossen Teils der Armee-Angehörigen (vor allem des Kaders) ist: Wir müssen unsere Grenzen gegen Eindringlinge schützen; wer nicht pariert, muss mit harten Konsequenzen rechnen; dieses Land braucht wieder mehr echte Männer, die auch mit einer Waffe umgehen können. Eher Law and Order. Definitiv rechts.

5. Die Bauern: Wer während eines Abstimmungs- oder Wahlkampfs übers Land fährt, den erwartet auf Äckern und Wiesen ein grusliges Daumenkino von Wahlplakaten mit abgelöschten Köpfen und brandstifterischen Sprüchen. Die Bauern unterstützen grösstenteils die SVP. Diese sorgt im Gegenzug für grosszügige Subventionen. Eine eigenartige Liaison, wenn man bedenkt, dass die Spitze der Volkspartei vor allem aus elitären Millionären besteht, die mit dem ruralen Leben des echten Bauern kaum etwas gemeinsam haben. Aber ticken tun definitiv beide rechts.

6. Das Parlament: Ja, die SP ist eine grosse Partei, die Juso macht öffentlichkeitswirksame Aktionen und die Grünen kommen immer wieder prominent zu Wort, vor allem, wenn es um aktuelle Umweltkatastrophen geht. Aber das Parlament ist bürgerlich bis stramm rechts.

Die FDP ist meistens nur dann ausländerfreundlich, wenns um Arbeitskräfte geht; die SVP ist vom Gedankengut her inzwischen eine Mischung aus FDP und AfD; CVP und EVP schlittern mit ihrer Angst vor dem Islam auch immer öfter in rechtspopulistische Gefilde; und selbst die SP kann ihre Grösse – auch wenn sie immer noch bedeutend kleiner ist als die SVP – nur halten, wenn auch sie moderater, also bürgerlicher ist in Ausländerthemen. Insgesamt tickt das Parlament auffällig rechts.

Islamophobie bringt viele Christen dazu, das Gebot der Nächstenliebe links liegen zu lassen und rechts zu wählen.

7. Die (Frei-)Kirchen: Wie in den USA unterstützen auch hierzulande gläubige Christen eher rechte Anliegen. Leo Bigger, Gründer des ICF, der grössten Schweizer Freikirche, steht der SVP nahe wie auch ein grosser Teil seiner Schäfchen. Islamophobie und der Glaube an ein christliches Abendland bringen viele Christen dazu, das Gebot der Nächstenliebe links liegen zu lassen und rechts zu wählen.

8. Die Ausländer: Dies meine kühnste Behauptung. Bestimmt ticken viele junge gebildete Secondos eher links. Aber in fast allen oben erwähnten Berufsgattungen gibt es rechte Hardliner mit Migrationshintergrund. Eltern von Secondo-Kollegen sind oft eher konservativ. Muslime – konservativ. In meinen diversen Brotjobs während meiner Gymi- und Studienzeit habe ich im Service, in KMU und in Werkstätten öfters Diskussionen mit Einwanderern gehabt, die mir in gebrochenem Deutsch den feuchten Traum eines jeden SVP-Politikers zusammenargumentiert haben.

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