Dass Pflanzen ohne Erde gedeihen, hat die Welt dem Berner Gerhard Baumann zu verdanken, dem Erfinder der Blähton-Kügelchen.
Eine Krebsstation ist nichts Lustiges. Das wusste auch der Gärtner des Berner Inselspitals, als er vor 45 Jahren den Auftrag erhielt, eben diese Station mit ein paar Grünpflanzen ein bisschen lebensfroher zu gestalten. Doch er wusste noch mehr: dass dort nichts wachsen würde, denn es gab kein Tageslicht.
Doch gab es da einen Berner namens Baumann Gerhard. Der hatte eben eine revolutionäre Erfindung gemacht, die er Luwasa nannte. Eine Abkürzung, die für Luft/Wasser/Sand steht. Auch Baumanns spätere Innovationen tragen rassige Abkürzungen, etwa Lutewa (Luft/Erde/Wasser) oder Teresa (Torfersatz).
Vom Baugeschäft in den Blumentopf
Die Revolution: Pflanzen wachsen ohne Erde. Baumanns Ursprungskomponente Sand jedoch wurde bald durch ein noch perfekteres Material ersetzt, das zum Symbol der Hydrokultur werden sollte: das charakteristische kleine Kügelchen, braun, 4 bis 8 mm oder 8 bis 16 mm, das in idealer Weise Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben kann. Das Kügelchen heisst Blähton (bei über 1000 Grad gebrannte Tonerde) und ist als Deckton in diversen Farben erhältlich. Durch die Kugelform erhält die Pflanze genügend Halt sowie Luft, und da Blähton keine organischen Bestandteile enthält, kann nichts faulen. Den Blähton übrigens fand Baumann im väterlichen Baugeschäft, wo er bis dahin als Isoliermaterial Verwendung fand.
«Wir haben den grünen Daumen eingebaut», lautete Baumanns Werbeslogan. Das Geschäft gedieh. Der aus Schweden einmarschierende Trend der Grossraumbüros schrie – zwecks Raumteilung – nach den braunen Kunststoffkisten (Modell Juri, aus Polystyrol), gefüllt mit Blähton, dem Wasserstandsanzeiger und Grünzeug mit Namen wie Euphorbia milii Gabriela oder Dieffenbachia maculata exotica perfecta. Eine dieser tollen Kisten wurde von Meisterdesigner Luigi Polani entworfen (Modell Polani). Es gibt sie auch aus Keramik (Modell Maya), Rattan (Modell Bali) oder Alu (Modell Orlando).
Der Nachbar muss nicht mehr giessen
An besonders dunklen Stellen, wie eben auf der Krebsstation des Berner Inselspitals, helfen Quecksilberdampflampen (Modell Akonto) nach. Das Inselspital wurde zu Baumanns erstem Kunden. Noch heute stehen über 350 Hydrokulturen fassende Gefässe verschiedenster Grössen im Spital verteilt. Von Bern aus ging es um die ganze Welt.
Die Hydrokultur verwandelte Dachwohnungen in grüne Höhlen, Verwaltungsgebäude lächelten fortan, Betonwohnblock-Eingangszonen waren plötzlich freundlich und auch modern, Bankschalterhallen blühten dollarnotengrün, und da man die Hydrokulturen nur alle zwei bis vier Wochen giessen muss, war ab sofort sogar ein Maledivenurlaub drin, ohne den Nachbarn (denen man nie so recht über den Weg traute) den Wohnungsschlüssel zu übergeben.
Noch immer der beliebteste Bewohner der Plastikgefässe ist der Gummibaum. Der kam einst aus China. Und von dort kommen heute die grossen unnatürlichen Feinde der Hydrokultur: Textilpflanzen. Nur die sind noch anspruchsloser.