Die Roboter kommen – auf satten 400 Seiten

Im Sachbuch «Smarte Maschinen» läutet Ulrich Eberl das Zeitalter der Roboter und autonomen Maschinen ein – ein grosses Vorhaben, das der Wissenschaftsjournalist leider nicht ganz erfüllt.

Gestatten: Pepper, der Roboter, der all Ihre Gefühle erwidert.

(Bild: Kim Kyung-Hoon)

Im Sachbuch «Smarte Maschinen» läutet Ulrich Eberl das Zeitalter der Roboter und autonomen Maschinen ein – ein grosses Vorhaben, das der Wissenschaftsjournalist leider nicht ganz erfüllt.

Vor drei Jahren hielten die Roboter erstmals Einzug in die Wohnzimmer der Schweiz: Das SRF strahlte die Serie «Real Humans» aus, eine schwedische Produktion, die ein Leben zeigte, wie es in wenigen Jahren Alltag sein könnte: Roboter als integraler Bestandteil der Gesellschaft, kochend und putzend, als Mitarbeiter in Fabriken und Betreuer von Senioren. So paradiesisch das auf den ersten Blick schien (nie mehr mühsame Hausarbeit! Gewerkschaftsstress! Besuche beim öden Opa!), so bitter war der Nachgeschmack, den uns «Real Humans» auf den Weg gab: Roboter sind schön und gut, nur leider sind sie keine Menschen.

 

Die Serie war deshalb so faszinierend, weil sie ein realistisches Bild einer Gesellschaft entwarf, die damit umgehen muss, dass ein Roboter Opa mit den richtigen Pillen füttert, dem Sohn bei den Hausaufgaben hilft oder dem Ehemann seinen Seitensprung verschafft. Der Roboter als Spiegel einer Gesellschaft, die sich optimierungsgesteuert und gewinnorientiert in die Hände von Maschinen begibt, dabei aber immer wieder an Grenzen stösst – weil sie eben doch grösstenteils aus Menschen mit Gefühlen besteht, die nicht maschinell reproduzierbar sind.

Infos zum Buch

Ulrich Eberl: «Smarte Maschinen. Wie künstliche Intelligenz unser Leben verändert», Hanser Verlag 2016. 408 Seiten. ISBN 978-3-446-44886-5.

Ein reizvolles Thema, für das sich ein Sachbuch geradezu aufdrängt: Überall auf der Welt werden Roboter gebaut, die unser Leben erleichtern und Abläufe optimieren sollen – und dabei immer wieder noch dazulernen. Sogenannte «smarte» Maschinen: Roboter, Automaten und Computer, die sprechen und zuhören und dabei Erfahrungen machen, aus denen sie Schlüsse ziehen. Die nachahmen und belohnt werden. Und die Gefühle erkennen und womöglich selbst welche entwickeln.



Robo-Doc: Auch am Operationstisch werden bereits Maschinen eingesetzt, wie dieser «da Vinci Xi robot-assisted system» in Sunnyvale, Kalifornien.

Robo-Doc: Auch am Operationstisch werden bereits Maschinen eingesetzt, wie dieser «da Vinci Xi robot-assisted system» in Sunnyvale, Kalifornien. (Bild: Reuters)

An die Fersen solcher Maschinen hat sich Ulrich Eberl für sein neues Buch geheftet: «Smarte Maschinen. Wie künstliche Intelligenz unser Leben verändert», so der Titel. Auf satten 400 Seiten zeigt der Biophysiker und Wissenschaftsjournalist eine Welt auf, in der Roboter an Hotelrezeptionen arbeiten, Finanzberatung betreiben und Krebsdiagnosen stellen. Er schildert auch, wie Drohnen beim «precision farming» behilflich sind, indem sie genau berechnen, welche Felder wie wann gedüngt werden müssen. Und erzählt vom «sozialen Kumpan» Pepper, den man für 1500 Euro plus monatlicher Abogebühr erwerben kann, der Gesichtsausdrücke und Körpersprache analysiert und entsprechend reagiert. 



Ist er nicht süss? Entwickler mit «Pepper», dem sozialen Roboter.

Ist er nicht süss? Entwickler mit «Pepper», dem sozialen Roboter. (Bild: Tyrone Siu)

Eberl besucht Institute wie das Istituto Italiano di Tecnologia (IIT) in Genua, wo Roboter-Kinder auf zukünftige Aufgaben vorbereitet werden, oder das Allen-Institut für künstliche Intelligenz in Seattle, wo Forscher daran arbeiten, Robotern Allgemeinwissen einzutrichtern. Dabei stellt er interessante Fragen: Was ist Wissen, was Intelligenz? Wie lassen sich Strukturen und Prozesse der Informationsverarbeitung nachbauen und Maschinen beibringen? 

Leider geht der Autor dabei selten in die Tiefe. Die Themen sind unerschöpflich und Eberl will sie alle erwähnen. Er lässt kaum etwas aus, was dazu führt, dass man zwar ganz interessante «fun facts» mitkriegt, die Fragen, die daraus resultieren, jedoch selten beantwortet werden. Zum Beispiel die Tatsache, dass in China bis 2020 ein sogenannter «Citizen Score» eingeführt werden soll: Jeder chinesische Bürger bekommt ein Punktekonto, das darüber entscheidet, ob er einen Kredit erhält, bestimmte Jobs bekommt, wo er wohnen und wohin er reisen darf. Die Punktzahl errechnet sich aus Kaufverhalten und Führungszeugnissen, aber auch aus dem digitalen Fussabdruck der Bürger – mithilfe von chinesischen Internetfirmen wird das Online-Verhalten gescannt und werden entsprechend Punkte verrechnet.

Grosse Faszination, fehlende Tiefe

Sowas ist unfassbar spannend, aber kaum auf einer Seite abzuhandeln. Und doch tut Eberl genau das. Direkt springt er zum nächsten Thema: teilautonome Killerroboter, die – mit Maschinengewehren und Granatwerfern ausgerüstet – an der südkoreanischen Grenze zu Nordkorea mit Wärme- und Bewegungssensoren feindliche Aktivitäten aufspüren können. Der Autor brennt für solche Geschichten, aber geht für den an Tiefe interessierten Leser zu kumulativ mit ihnen um.

So weiss man am Ende zwar tausend Beispiele aufzuzählen – das, was uns aber damals an der schwedischen Serie so begeistert hat, die ethisch-philosophische Komponente, das «Was stellen diese Tatsachen mit uns als Gesellschaft an?», bleibt dabei aussen vor. Die 400 Seiten enden mit einem fahlen Nachgeschmack: Bücher über Roboter sind schön und gut, nur darf man dabei nicht den Menschen aus den Augen verlieren. Denn am Ende sind immer noch wir die «Real Humans».
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Ulrich Eberl: «Smarte Maschinen», Hanser, 2016. 

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