Die Roboter sind los

Von Roboterärzten, maschinellen Anwaltsgehilfen und virtuellen Managern: Wie Automatisierung und künstliche Intelligenz die Berufswelt verändern.

epa04709727 Visitors look at Ham, a humanoid robot developed by Hanson Robotics, to visitors during the Global Sources spring electronics show in AsiaWorld Expo, Hong Kong, China, 18 April 2015. The robot can answer simple questions and can be used in the field of medical simulation and hospitality industry, according to a Hanson Robotics product manager. The show runs through 21 April. EPA/JEROME FAVRE

(Bild: JEROME FAVRE)

Von Roboterärzten, maschinellen Anwaltsgehilfen und virtuellen Managern: Wie Automatisierung und künstliche Intelligenz die Berufswelt verändern.

In Amazons Logistikzentren sind seit Dezember 15’000 Roboter im Einsatz, die Pakete sortieren. Die kleinen, orangen Flitzer sind mit einer Transportkapazität von 1,2 Tonnen ausgestattet und können meterhohe Regale von A nach B transportieren. Just in time, so, wie es das Bestellsystem befiehlt.

Der Versandhändler will, wie der chinesische Konkurrent Alibaba auch, Kunden künftig mit Drohnen beliefern. Der Paketzusteller ist von gestern.

 

Die Automatisierung schreitet immer weiter voran. Der deutsche Automobilhersteller Volkswagen plant eine umfassende Automatisierung und Digitalisierung seiner Produktion. Durch den verstärkten Einsatz von Robotern soll der Nachteil des Hochlohnstandorts Deutschland ausgeglichen werden, sagte Personalvorstand Horst Neumann der «Welt».

In der deutschen Automobilindustrie liegen die Arbeitskosten bei mehr als 40 Euro pro Stunde, in Osteuropa bei elf, in China gegenwärtig noch unter zehn Euro. Ein Roboter am Band kostet je nach Einsatz und Maschinenart drei bis sechs Euro pro Stunde – Kosten für Instandhaltung und Energiekosten inklusive. Schon jetzt erledigen Roboter in einigen Fabriken Arbeiten am Fliessband. Sie schweissen Karosserien zusammen und liefern Teile an. Roboter sind billiger und schneller als der Mensch. Und sie könnten uns im Alltag noch öfter begegnen.

Ein Arbeiter kostet 40 Euro, ein Roboter im teuersten Fall 6 Euro.

Selbstfahrende Lastwagen donnern demnächst über die Autobahnen, in den Städten werden schon bald die ersten autonomen Fahrzeuge unterwegs sein. Wenn wir künftig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Arzttermin fahren, könnte es sein, dass wir es nur noch mit Maschinen zu tun haben. Google tüftelt in seinem Geheimlabor X an Robotern, die mithilfe künstlicher Intelligenz Krankheiten erkennen und Behandlungen vornehmen können.

Im März gab der Suchmaschinenriese eine Kooperation mit dem Pharmakonzern Johnson & Johnson bekannt, um gemeinsam an einem roboterassistierten Behandlungsraum zu arbeiten. Googles erklärtes Ziel ist es, mithilfe von Algorithmen Aufnahmen und Messwerte (etwa Blutzuckerspiegel) zu analysieren.

Das Unternehmen da Vinci hat einen Roboter entwickelt, der minimal-invasive Operationen durchführen kann. Auf einem Video ist zu sehen, wie der OP-Roboter die Haut einer Weintraube zusammennäht. Bei der Uniklinik Saarland kommt der automatisierte Arzt bereits zum Einsatz. «Diese Roboter-unterstützte Technik ermöglicht es, Bauchspiegelungseingriffe (Laparoskopie) mit maximaler Präzision bei minimaler Belastung vorzunehmen», heisst es auf der Website. Gewiss, den behandelnden Arzt wird der Roboter nicht ersetzen. Doch er wird das Krankenhauswesen verändern. Richtig programmiert, leistet sich der Roboter keine Fehlgriffe. Er ist unermüdlich – und immer einsatzbereit. 24/7.

 

Mehr Sicherheit und Effizienz – das ist das Versprechen der Automatisierung. Gut möglich, dass wir bald auch mit einem vollautomatisierten Zug zum Arzt fahren. Schon jetzt gibt es fahrerlose Züge im öffentlichen Nahverkehr, etwa die Metrolinie 14 in Paris oder Red Line in Washington. Zähe Arbeitskämpfe wie bei der Gewerkschaft der Lokführer, die die halbe Republik lahmlegte, würden der Vergangenheit angehören. Denn: Roboter streiken nicht.

Wie die «New York Times» vor Kurzem berichtete, arbeiten US-Regierungsbehörden mit Hochdruck an Roboterflug-Technologien. Das Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa), eine Forschungsorganisation des US-Verteidigungsministeriums, entwickelt derzeit das Automatisierungssystem «Alias» (Aircrew Labor In-Cockpit Automation System), bei dem eine Maschine die Aufgaben des Copiloten übernimmt. Der Roboter soll Sprach- und Steuerbefehle erteilen und per Voice-Recognition mit den Fluglotsen kommunizieren. Wie ein menschlicher Copilot soll er die Instrumente im Cockpit bedienen und auch in der Lage sein, das Flugzeug zu landen. Die Vision ist, analog zum autonomen Fahren eine Art roboterisiertes Fliegen zu ermöglichen.

Ärzte, Journalisten, Piloten, Mechaniker – kaum ein Beruf, in dem nicht irgendwo ein Roboter ist.

Auch die Artikel, die wir in der Zeitung lesen (mit Ausnahme von diesem), müssen nicht mehr allesamt von Menschenhand verfasst sein. Unternehmen wie Automated Insights bieten inzwischen Softwarelösungen an, die aus vorgegebenen Datensätzen Texte basteln. Zum Beispiel Sportmeldungen oder kurze Finanzberichte. Ärzte, Journalisten, Piloten, Mechaniker – kaum ein Beruf, in dem nicht irgendwo ein Roboter ist.

Sogar das Management könnte automatisiert werden. US-Ökonomen haben ein virtuelles Managementsystem entworfen, das komplexe Arbeitsschritte automatisiert, indem es sie in kleinteilige Aufgaben aufspaltet. Der virtuelle Manager – iCEO genannt – delegiert diese Aufgaben und überwacht sie. Der Boss ist eine Maschine. Devin Fidler und sein Team programmierten den iCEO, um die Ausarbeitung eines 124-Seiten-Berichts für einen prestigeträchtigen Kunden zu kontrollieren.

Die Forscher stellten die Parameter des Projekts ein, z.B. den Aufgabenfluss, und drückten auf den Startknopf. Um herauszufinden, wie man den Werkstoff Graphen produziert, beauftragte der iCEO Schreiber auf Amazons Crodworking-Plattform Mechanical Turk mit der Erstellung einer Artikelliste. Nachdem die Duplikate entfernt wurden, redigierten Mitarbeiter weiterer Crowdworking-Plattformen die Texte und verbesserten sie. Nach drei Tagen stand der komplette Bericht, ohne dass die Programmier gross eingreifen mussten. Der Computer hat das Projekt allein gemanagt.

Der Computer als Personalverantwortlicher

Der Fahrdienstleister Uber hat das mittlere Management faktisch abgeschafft. Es gibt keinen Einstellungsprozess, keinen Arbeitsvertrag und faktisch keine Vorgesetzten. Der Fahrer wird von einer Software zum nächsten Kunden geschickt, den Preis bestimmt ein Algorithmus. Die App sendet über eine Programmierschnittstelle eine Anfrage (inklusive Account-Daten, Pickup- und Dropoff-Punkte) an die Uber-Server, die verfügbare Fahrer in der Nähe «poolen» und dann einen Auftrag vergeben. Auf Grundlage eines Ratings werden die Fahrer dann entlassen – völlig geräuschlos, ohne dass Personalprozesse dazwischen geschaltet sind. Es gibt überhaupt keine Interaktion zwischen den Fahrern und dem Unternehmen. Die einzigen Personen, die involviert sind, sind der Fahrer und der Kunde.

Wenn Uber seine Ankündigung wahrmacht, in Zukunft nur noch mit autonomen Fahrzeugen in Städten unterwegs zu sein, kommuniziert der Kunde nur noch mit Maschinen. Die Frage ist, was das nicht nur für die Hierarchie, sondern für die Arbeitsorganisation insgesamt bedeutet, wenn immer mehr Teile der Wertschöpfungskette automatisiert werden. Nehmen Roboter uns die Jobs weg?

Die drei Lager bei der Automatisierung

In den USA wird diese Diskussion mit Leidenschaft geführt. Grob gesagt gibt es drei Lager:

  • Die Optimisten glauben, dass wir in einer Roboterwelt mehr Geld und Freizeit haben.
  • Die Pessimisten sind der Ansicht, dass Roboter unseren Wohlstand vernichten.
  • Und das neutrale Lager ist der Meinung, dass Roboter genauso viele Arbeitsplätze schaffen, wie sie vernichten.

Schon vor 100 Jahren, zu Beginn der zweiten industriellen Revolution, grassierte die Angst, Maschinen würden uns dereinst alle arbeitslos machen. Es kam bekanntlich anders. Der Wohlstand ist, zumindest global gesehen, gewachsen. Das Neue an der Entwicklung ist jedoch, dass Roboter nicht nur Tätigkeiten von Geringqualifizierten wie etwa Fliessbandarbeit übernehmen, sondern zunehmend auch komplexe Arbeiten.

Eine Software sagt Rechtsurteile voraus

Der Rechtsprofessor Daniel Katz von der Michigan State University hat ein Computerprogramm entwickelt, das auf Grundlage bisher ergangener Urteile 70 Prozent der Entscheidungen des Supreme Courts vorhersagen kann. Der Algorithmus weiss schon vorher, was die Richter urteilen werden – und kann Juristen helfen, sich frühzeitig an die verändernde Rechtslage anzupassen.

Die renommierte Kanzlei Winston & Strawn nutzt eine Technik namens «predictive coding». Ein Algorithmus wird mit massenhaften Daten (Gerichtsurteile, Gutachten) gefüttert, die nach bestimmten Kriterien sortiert werden. Auf Knopfdruck spuckt die Software relevante Informationen aus. Gut zwei Drittel ihrer Zeit verbringen Anwälte mit dem Aktenstudium. Mithilfe künstlicher Intelligenz soll ihre Arbeit erleichtert werden. Der Algorithmus als Anwaltsgehilfe.

Ralph C. Losey, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Jackson Lewis in Orlando, glaubt, dass Maschinen die Arbeit von Juristen übernehmen könnten – oder zumindest einen Teil davon. Die Beweisführung könne von Robotern mit aktiven Lernkapazitäten besser bewältigt werden. «Die künstliche Intelligenz ersetzt bereits die Arbeit von Anwälten, die sich auf Aktendurchsicht spezialisiert haben», sagt Losey im Gespräch: «Ich nutze eine Software, die die Arbeit von 50 Anwälten macht.»

Der Roboter wird manche Arbeiten überflüssig machen, dafür aber neue Kapazitäten freimachen.

Die spannende Frage ist auch, wozu künstliche Intelligenz in der Lage ist. Computer sind nicht nur stupide Rechenprogramme, sie können auch dazulernen. Machine Learning heisst das Stichwort, über das bei den Tech-Giganten ein regelrechter Talentkrieg ausgebrochen ist. Gleichwohl: Maschinen sind nicht empathiefähig – sie entwickeln keine Gefühle.

«Künstlichen Intelligenz-Robotern mangelt es an Kreativität, Imagination und einem Gerechtigkeitsgefühl», konstatiert Anwalt Losey. Auch können Roboter (noch) keine komplexen Satzkonstruktionen bilden und Plädoyers oder Meinungsbeiträge verfassen. Und so muss man auch keine Angst haben, dass uns irgendwann im Gerichtssaal ein Roboter vertritt und nur noch Computer in der Zeitungsredaktion sitzen.

Der Roboter wird manche Arbeiten überflüssig machen, dafür aber neue Kapazitäten freimachen. Mit jeder technischen Innovation verschwinden Berufe, neue kommen hinzu. Und mal ehrlich: Wer beschwert sich heute, dass es keine Küfer oder Köhler mehr gibt?



epa04709727 Visitors look at Ham, a humanoid robot developed by Hanson Robotics, to visitors during the Global Sources spring electronics show in AsiaWorld Expo, Hong Kong, China, 18 April 2015. The robot can answer simple questions and can be used in the field of medical simulation and hospitality industry, according to a Hanson Robotics product manager. The show runs through 21 April. EPA/JEROME FAVRE

Ham könnte die Frage beantworten. Der «humanoid robot» beantwortet simple Fragen und könnte im Gesundheitswesen eingesetzt werden – prophezeit der Hersteller «Hanson Robotics». (Bild: JEROME FAVRE)

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Wie wahrscheinlich ist es, dass bald ein Computer Ihren Job macht? Die Kollegen von «watson» haben aus einer Oxford-Studie einen Rechner gebastelt.

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