Die Sozialistische Internationale: Gegen Militarismus und Krieg

Sozialismus und die Mittel, wie der Krieg zu verhindern sei, waren zentrale Themen an den Kongressen der Sozialistischen Internationale. Den Ersten Weltkrieg konnte sie gleichwohl nicht verhindern.

Sozialismus und die Mittel, wie der Krieg zu verhindern sei, waren zentrale Themen an den Kongressen der Sozialistischen Internationale. Den Ersten Weltkrieg konnte sie gleichwohl nicht verhindern.

Das 19. Jahrhundert war nicht nur das Zeitalter erstarkender Nationalismen, sondern auch der internationalen Arbeiterverbrüderung. Diese fand ihren Niederschlag etwa in der 1864 in ­London gegründeten Internationalen Arbeiter­assoziation («1. Internationale»), die 1872 in eine Krise geriet und schliesslich aufgelöst ­wurde. In ihr hatten sich verschiedene kleinere und grössere Gruppierungen zusammen­geschlossen, die zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen über das Wesen der neuen Gesellschaft und die Wege zu ihr hatten.25 Jahre nach Gründung der verblichenen Internationale wurde 1889 in Paris eine neue aus der Taufe gehoben. Die Sozialistische Internationale («2. Internationale») war, wie der Historiker ­Georges Haupt bemerkt, «eine Föderation von autonomen Parteien, aber auch von verschiedenen Tendenzen des Sozialismus, deren Wiedervereinigung auf internationaler Ebene nur schwache Bindekraft besass».

Wettrüsten als ständiges Thema

Ein Eigenleben entwickelte die Sozialistische ­Internationale zunächst nur in Form von inter­nationalen Kongressen. Erst 1900 wurde mit dem Internationalen Sozialistischen Büro (ISB) ein permanentes Gremium geschaffen, das sich aus je zwei Delegierten pro Land zusammensetzte. Es war Aufgabe des ISB, die Tages­ordnung des nächsten Kongresses festzusetzen und von den der Internationale angeschlossenen Ländern Berichte zu verlangen. Dem ISB stand ein besoldeter Sekretär zur Verfügung. Neben dem ISB wurde 1904 auch eine interparlamentarische ­sozialistische Kommission geschaffen, ohne dass dadurch die Autonomie der einzelnen Parteien infrage gestellt worden wäre. Das Wettrüsten der europäischen Grossmächte und internationale Konflikte waren für die ­Genossinnen und Genossen ein ständiges ­Thema. So wurde das ISB im Jahr 1900 in einer Kongress-Resolution gegen den Militarismus ­beauftragt, «in allen Fällen von internationaler Bedeutung in sämtlichen Ländern eine einheitliche antimilitaristische Bewegung des Protestes und der Agitation in Gang zu setzen».

Vom Weltkrieg überrollt

Die Frage, mit welchen Mitteln ein Krieg verhin­dert werden solle, stand auch 1907 am Kongress von Stuttgart auf der Tagesordnung. Jean ­Jaurès, der Präsident der Section ­française de l’Internationale ouvrière, trat engagiert für das Mittel des Massenstreiks ein, konnte aber keine Mehrheit der Delegierten hinter sich scharen.Als im Oktober 1912 der Balkankrieg ausbrach, reagierte das ISB rasch und beschloss, noch im November einen ausserordentlichen Kongress in Basel durchzuführen. Im Laufe des Jahres 1913 gelangten führende Köpfe des ISB zum (Trug-)Schluss, dass die Zeit der Spannungen und ­Konflikte zwischen den europäischen Grossmächten zu Ende gehe. 1914 wurde die Sozialistische Internationale vom Ausbruch des Weltkriegs völlig überrascht – und überrollt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.11.12

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