Am 1. November beginnt der «World Vegan Month». Auch in Basel sind dazu verschiedene Aktionen geplant. Aber wer sind überhaupt Basels Veganer? Alles «Gemüse-Nazis», pseudoreligöse Fanatiker oder einfach nur bewusster als andere? Ein Blick an den Basler Veganerstammtisch.
Die kleine Gruppe der Veganer macht immer wieder auf sich aufmerksam. Derzeit zum Auftakt des World Vegan Month, der am 1. November beginnt. Laut Bundesamt für Statistik ernähren sich weniger als 0.1 Prozent der Schweizer Bevölkerung vegan. Nach Einschätzung der veganen Gesellschaft Schweiz sind es etwa ein Prozent.
Aktuelle Zahlen gibt es nicht. Vegane Ernährung sei nachhaltiger, ethischer und gesünder, behauptet die vegane Gemeinschaft. Alles nur ein Lifestyle-Phänomen, so die Gegenmeinung. Auch ein starker Missionsdrang wird Veganern vorgeworfen. Wer sind die eigentlich? Wir haben uns beim Basler Veganerstammtisch umgehört.
Normalerweise treffen sich dort etwa 20 bis 50 Personen, bei unserem Besuch ist etwas weniger los. Wegen einer Konkurrenzveranstaltung und weil das ayurvedische Menü im «Bacio» wohl nicht jedem schmeckt. Das vermutet Marielle Kappeler, die das monatliche Treffen organisiert. Seit es so viele Teilnehmer geworden seien, sei die Organisation etwas mühsam geworden, sagt sie. Es gebe nicht viele Orte in Basel, an denen man so viele Personen vegan verpflegen könne.
Wer genau die Gäste jeweils sind, weiss die Initantin selbst nicht. Schon auf den ersten Blick wird klar: die vegane Community Basels ist äusserst divers, viele Altersklassen und Einkommensstufen sind vertreten. Wir haben fünf Teilnehmer gefragt, wer sie sind, warum sie vegan leben, wie das im Alltag funktioniert und was überhaupt ein richtiger Veganer ist.
Anne Treccarichi
Isst aus gesundheitlichen Gründen vegan: Anne Treccarichi. (Bild: Daniela Gschweng)
«Mein Name ist Anne Treccarichi. Ich bin seit dreieinhalb Jahren Veganerin, davor habe ich 25 Jahre lang vegetarisch gegessen. Fleisch mochte ich eigentlich noch nie besonders gern. Wurst habe ich nicht mehr gegessen, seit ich 13 war. Den Umstieg auf vegane Ernährung habe ich aber erst gemacht, als mein Sohn eine schlimme Laktoseintoleranz entwickelt hat.
Mittlerweile weiss ich, dass ich auch eine habe, die aber weniger stark ausgeprägt ist. Mein Mann isst nach wie vor Fleisch, kochen muss er es aber selbst. Das macht er dann am Wochenende.
Gesundheitlich hat mir die vegane Ernährung sehr gut getan. Seit Kurzem interessiere ich mich auch für die theoretischen Grundlagen veganer Ernährung und habe einen veganen Cateringservice aufgemacht. Ob sich jemand für einen veganen Lebensstil entscheidet, muss er für sich selbst entscheiden.»
Ursula Weder, Bewusstseinstrainerin und Yogalehrerin
«Vegan leben ist für mich eine Philosophie», sagt Ursula Weder. (Bild: Daniela Gschweng)
«Mein Name ist Ursula Weder. Ich bin seit zwei Jahren Veganerin, vorher habe ich vegetarisch gelebt. Das erste Mal mit veganer Ernährung in Berührung gekommen bin ich auf einem Bewusstseinstraining. Dort haben ein paar Teilnehmer angefangen, vegan zu essen. Danach habe ich mich vermehrt mit Tierhaltung beschäftigt und Schritt für Schritt aufgehört, tierische Produkte zu essen.
Mein Bekanntenkreis findet meine Ernährungsweise zum Teil interessant. Wenn ich mit anderen essen gehe, mache ich schon manchmal Kompromisse, ein Paar Lederschuhe habe ich auch noch. Den Geruch von Leder mag ich aber nicht mehr.
Beruflich bin ich Yogalehrerin und «Avatarmaster», Bewusstseinstrainerin. Das ist ein Weg, absichtsvoll und bewusst zu leben und zu einer besseren Welt beizutragen. Vegan leben ist für mich eine Philosophie. Sowas wie «richtige» Veganer gibt es nicht – den Gedanken finde ich sektiererisch.
Ob ich finde, dass alle Menschen vegan leben sollten? Nein. Jeder muss selbst wissen, ob er diesen Weg gehen möchte. Es wäre schön, wenn es mehr vegane Menüs gäbe in Kantinen und Gaststätten, aber Indoktrination finde ich nicht gut.»
Yannik Belloto, Schüler
Hat durch die vegane Lebensweise kochen gelernt: Yannik Belloto (Bild: Daniela Gschweng)
«Ich heisse Yannik Belloto und bin seit einem Jahr Veganer, hauptsächlich aus ethischen Gründen. Auf einer Seite der Tierrechtsorganisation PETA habe ich mal ein wirklich grausames Bild einer Katze gesehen, die verschiedene Apparaturen in und am Kopf hatte – das war der Auslöser.
Ich gehe noch zur Schule und versuche mich vegan zu ernähren, so gut es geht. Salat mit italienischem Dressing geht zum Beispiel fast immer. Die Umstellung war schwierig, weil ich viele vegane Produkte noch nicht kannte. Jetzt gibt es nur noch Probleme, wenn ich irgendwo eingeladen bin oder wenn es mich an einen Ort verschlägt, wo das Angebot nicht gross ist wie kürzlich auf einer Alpenwanderung im Wallis.
Meine Familie akzeptiert meine Lebensweise. Durch die vegane Lebensweise habe ich gelernt zu kochen. Es essen aber nicht immer alle mit. Ich trage keine Lederbekleidung und gehe nicht in den Zirkus. Zoos finde ich nicht gut, Medikamente nehme ich momentan auch keine. Ein richtiger Veganer ist für mich jemand, der auf das Ausnützen von tierischer Unterdrückung verzichtet. Natürlich wäre es schön, wenn alle vegan essen würden. Zwingen würde ich aber niemanden.»
Noelia Guzmán
Noelia Guzmán: «Vegane Ernährung finde ich sehr interessant, aber auch sehr extrem.» (Bild: Daniela Gschweng)
«Mein Name ist Noelia Guzmán. Ich bin keine Veganerin und mit einer Freundin zum Veganerstammtisch mitgekommen. Mein Mann ist Vegetarier, also esse ich sehr wenig Fleisch. Vergangen Sonntag habe ich zum Beispiel welches gegessen. Viel Fleisch auf einmal vertrage ich gar nicht mehr. Ich fühle mich dann aufgebläht und unwohl.
Ich arbeite in der Markthalle und bekomme daher viel über Ernährung mit. Vegane Ernährung finde ich sehr interessant, aber auch sehr extrem. Warum nicht Eier und Milch? Ich kann nichts Schlechtes dabei finden. Es ist auch eine Art Lifestyle, finde ich.»
Adrian Marmy, Vegane Gesellschaft Schweiz
«Für die Tiere wäre es wünschenswert, wenn jeder vegan leben würde»: Adrian Marmy. (Bild: Daniela Gschweng)
«Ich bin Adrian Marmy, Veganer seit dem 1. Januar 2007 und nein, es war keine Wette. Eigentlich wollte ich Ende 2006 schon umstellen, habe dann aber Weihnachten durchgehen lassen, weil ich meine Grossmutter nicht überfordern wollte. Inzwischen bekomme ich statt Dessert eben Obst.
Im «Baslerstab» gab es damals ein Portrait zweier Veganerinnen, die sich aktiv für Tierrechte einsetzen. Zu denen habe ich Kontakt aufgenommen und mich ein paar Mal mit ihnen getroffen. Dabei habe ich erfahren, wie für Tierprodukte Tiere ausgebeutet und getötet werden. Das hat mich dazu gebracht, Veganer zu werden.
Ich habe kaum noch Nicht-Veganer in meinem Bekanntenkreis. In sieben Jahren hat sich da viel verändert. Das liegt auch daran, dass ich als einziger Angestellter der veganen Gesellschaft Schweiz ständig neue Leute kennenlerne, die auch vegan leben.
Ob jeder vegan leben sollte? Das wäre schon wünschenswert – für die Tiere.»
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Der Veganerstammtisch Basel ist ein monatliches Treffen ohne spezielle Agenda, der an wechselnden Orten stattfindet. Organisiert wird das Treffen über die Facebookgruppe «Vegan in Basel und Umgebung». Der nächste Stammtisch findet am 24. November im «Hirschenegg» satt.
World Vegan Month
Zur Erinnerung an die Gründung der ersten veganen Gesellschaft, The Vegan Society am 01. November 1944 wird jedes Jahr am 01. November der Weltveganertag begangen. Inzwischen ist daraus ein ganzer Monat geworden während dessen die vegane Lebensweise in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll.
Im November lädt die vegane Gesellschaft Schweiz zusammen mit regionalen Partner schweizweit zu verschiedenen Veranstaltungen ein. Auf dem Programm stehen unter anderem Kochkurse, Einkaufstouren, Degustationen und Vorträge. Zum Kick-off in Basel gibt es neben einem Infomarkt am Samstag, 01. November den Vortrag «Wie gesund ist vegan».