Die vier grossen Klima-Irrtümer: Punkte zum Nachdenken und Fakten zum Angeben

Er steht im Fokus der Öffentlichkeit und ist doch nicht ganz leicht zu verstehen: Der aktuelle Klimawandel führt nach wie vor zu Missverständnissen. Höchste Zeit, sie mit dem Klimaexperten Eberhard Parlow von der Uni Basel auszuräumen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Er steht im Fokus der Öffentlichkeit und ist doch nicht ganz leicht zu verstehen: Der aktuelle Klimawandel führt nach wie vor zu Missverständnissen. Höchste Zeit, sie mit dem Klimaexperten Eberhard Parlow von der Uni Basel auszuräumen.




(Bild: Hans-Jörg Walter)

1. Zwei Grad mehr, das ist doch nicht so viel!

Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich das globale Klima bestenfalls um eineinhalb bis zwei Grad erwärmen. Damit rechnet der Weltklimarat IPCC in seinem letzten Bericht. 

Das mag harmlos klingen. In Wirklichkeit ist es aber ein gravierendes Szenario. Bei den bis zu zwei Grad Erwärmung geht es nämlich nicht um einen lokalen Temperaturanstieg, sondern um einen weltweiten Durchschnitt. Da sind alle saisonalen und regionalen Unterschiede mit eingerechnet. Und ein paar Grad verändern unseren Lebensraum dramatisch.

Zum Vergleich: Am Ende der letzten Eiszeit vor rund 10’000 Jahren lag Basel noch nahe an den grossen Gletschermassen. Diese bedeckten den gesamten Alpenraum und weite Bereiche des Mittellands. Professor Eberhard Parlow, Klimaexperte und Leiter der Forschungsgruppe für Meteorologie, Klimatologie und Fernerkundung der Universität Basel, beschreibt die Region von damals so: «Eine karge Tundra-Landschaft mit ein paar wenigen Zwergsträuchern und Tieren». Seit damals hat sich die globale Durchschnittstemperatur um gerade mal vier Grad erhöht.

Heute rechnet Parlow wieder mit einer Erderwärmung von drei bis vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, geht also von einem weit pessimistischeren Szenario aus als der Weltklimarat. Denn: «Im Grunde haben sämtliche Klimakonferenzen bisher nichts gebracht.»




(Bild: Hans-Jörg Walter)

2. Durch den Klimawandel wird es im Sommer und Winter wärmer!

Global erwärmt sich das Klima. Das bedeutet für uns Erdbewohner vor allem eins: immer öfter extreme Wetterereignisse. «Das Wetter bei uns wird nicht anders», sagt Parlow, «Sommer bleibt Sommer, Winter bleibt Winter». Allerdings prognostizieren Wissenschaftler für Mitteleuropa häufiger auftretende Hitzewellen und seltener extreme Kälteperioden.

Solche Ereignisse haben wir auch schon zu spüren bekommen. Während in Regionen wie dem Nahen Osten Niederschläge noch rarer ausfallen als zuvor, müssen sich Städte wie New Orleans darauf einstellen, dass Hurrikane wie Katrina sie öfters heimsuchen.

Hurrikane hängen direkt mit dem Klimawandel zusammen. Denn mit ihm erwärmen sich auch die Weltmeere. Ab 26 Grad Wassertemperatur können sich solche tropischen Wirbelstürme bilden.

Küstenregionen sind zusätzlich durch eine ganz andere Gefahr bedroht: Weltweit schmilzt das Eis, und der Meeresspiegel steigt. Die Folgen davon werden spätestens zum Ende des Jahrhunderts auch in Binnenländern wie der Schweiz zu spüren sein – wenn Millionen Klimaflüchtlinge kommen.

Im dunkelsten Szenario des Weltklimarats steigt der Meeresspiegel bis dann um einen Meter an. Besonders bedrohlich wird das für Asien mit seinen bevölkerungsreichen Küstenregionen. Sie halten die aktuelle Flüchtlingskrise für schlimm? Allein im flachen Bangladesch würden bei einem ungebremsten Klimawandel knapp 15 Millionen Menschen heimatlos werden.




(Bild: Hans-Jörg Walter)

3. So viel Einfluss kann doch der Mensch gar nicht haben!

Parlow vergleicht die Erdatmosphäre gerne mit einem Uhrwerk: grosse und kleine Rädchen, die ineinander verzahnt sind. Egal, wie winzig das kleinste Rädchen auch sein mag, wenn es sich dreht, dreht trotzdem das ganze Uhrwerk mit.

In der Erdatmosphäre bestünden die weitaus grössten Rädchen demnach aus Stickstoff- und Sauerstoffmolekülen. Zusammen machen sie 99 Prozent aus. Danach kommt das Edelgas namens Argon mit einem Anteil von 0.94 Prozent. Der geradezu verschwindend kleine Rest gehört den Treibhausgasen, unter anderem dem Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) und Wasserstoff (H2).

Heute kommen auf eine Million Gasteilchen rund 390 CO2-Moleküle. Die anderen Treibhausgase sind sogar noch seltener. Dennoch haben sie einen riesigen Einfluss auf den Temperaturhaushalt der Erde. Durch dieTreibhausgase wird Sonnenenergie innerhalb der Atmosphäre als Wärme gespeichert. Sie sorgen dafür, dass der Anteil der Sonnenenergie, der die Erde erreicht, nicht wieder ins Weltall abgestrahlt wird. Ohne Treibhausgase wäre es auf der Erdoberfläche minus 18 Grad kalt, mit ihnen sind es zurzeit 15 Grad.

Im Uhrwerk der Erdatmosphäre ist das Treibhausgas-Rädchen winzig klein. Aber eben, durch die Verzahnung drehen die anderen Rädchen gewaltig mit, wenn es bewegt wird. «Wir Menschen sind in der Lage, an diesem Mini-Rädchen zu drehen», sagt Parlow. Fossile Brennstoffe verbrennen? Intensive Landwirtschaft? Ja, dann tickt das Uhrwerk laut und deutlich.

Tatsächlich lag die CO2-Konzentration der Atmosphäre zu Beginn der Industriellen Revolution bei 280 Molekülen pro eine Million Gasteilchen, 110 Moleküle weniger als heute. Seit damals, also etwas mehr als 260 Jahre später, gelangten 2040 Milliarden Tonnen CO2 durch den Menschen in die Atmosphäre, die Hälfte davon allein in den letzten 40 Jahren. Und wir drehen unermüdlich weiter an diesem Rädchen.




(Bild: Hans-Jörg Walter)

4. Ich alleine kann ja nicht viel tun!

Güter- und Personentransport, inklusive internationalen Flugverkehr, machen in der Schweiz knapp 40 Prozent der Treibhausgas-Emission aus. Darauf hat man als Privatperson einen gewissen Einfluss. In einer Stadt wie Basel ist so manch einer vom Auto auf das Velo oder den öV umgestiegen. Das ist toll. Die grösste CO2-Schleuder ist jedoch der Flugverkehr. In Zeiten absurd billiger Flugtickets verdrängen wir das leider allzu gerne. 

Darum ein Beispiel: Einmal von Basel nach New York und wieder zurück, und schon haben wir zweieinhalb Tonnen CO2 produziert – pro Passagier wohlbemerkt

Was das bedeutet? Jemand, der ein ganzes Jahr lang, fünf Tage die Woche, jeweils 100 Kilometer mit einem durchschnittlichen PKW zur Arbeit pendelt, produziert nicht einmal halb so viel CO2 wie ein einziger solcher Flugpassagier. Während der Autopendler eine Tonne CO2 pro Jahr erzeugt, kostet ein kurzer Trip nach London bereits einen Drittel dieser Jahresproduktion. «Müssen wir wirklich für einen Städtetrip irgendwohin jetten oder für Badeferien nach Marokko fliegen?», fragt Parlow.

Nein, müssen wir nicht. Aber wir möchten es halt gerne.

Wer dabei das Klima schützen will, sollte sich bei der nächsten Reise fragen: Komme ich auch mit dem Bus oder Zug da hin? Will ich wirklich nach Marokko – oder gehts mir eigentlich nur um einen Tapetenwechsel, um ein bisschen Entspannung? 

Quellen

Hans Häckel: Meteorologie. 6. Auflage. Ulmer. 2008

https://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/syr/AR5_SYR_FINAL_SPM.pdf

http://www.grida.no/publications/vg/climate/page/3057.aspx

http://www.ipcc.ch/ipccreports/tar/wg2/index.php?idp=446

http://www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/about/global_means.html

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/02/06/ind17.indicator.1300203.13002.html

https://www.myclimate.org/de/privatpersonen/

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