Seit über einem Jahrzehnt zeigt das neue Kino auf der Siloterrasse im alten Hafen Filme in 16mm und 45 Metern Höhe. Am Mittwoch läutete das erste und höchste Basler Sommerkino die Openairkino-Saison ein.
Am Anfang des Abends muss man in erster Linie eines: pünktlich sein. Von 17 bis 18:30 Uhr nimmt das neue Kino Reservationen entgegen, danach wird das Telefon ausgeschaltet. Für bis zu zwei Personen darf man reservieren, mehr werden wegen beschränkter Platzzahl nicht abgegeben. Um 20 Uhr öffnet die Kasse, bis 21 Uhr können die Tickets abgeholt werden. Wer bis dahin nicht auftaucht, muss damit rechnen, nicht reinzukommen.
Ziemlich kompromisslos, denkt man nach einem Blick auf diese Infos auf der Webseite des neuen Kinos. Aber je komplizierter die Tür, desto schöner der Innenraum, das hat uns schon das Berghain gelehrt. Also ran ans Telefon und hin aufs Dach.
Gefühlte 10’000 Stufen Richtung Leinwand
Bereits der Weg zum Silo lohnt sich. Mit dem Velo fährt man dem Rhein entlang durch Basels wild-romantische Industrielandschaft, vorbei an Ex-Favelas und versprayten Bahnwaggons, Richtung Deutschland. Kurz vor dem Dreiländereck befindet sich der Westquai des Rheinhafens und da steht das Silo, ein massiver Turm, der 11’000 Tonnen Getreide fassen kann und im Zweiten Weltkrieg Fliegerabwehrtruppen als Beobachtungsstützpunkt diente.
Heute sind auf dem Turm keine Soldaten mehr stationiert, sondern ein 16mm-Projektor und eine Leinwand. Nach kurzem Anstehen (die Vorstellung ist ausverkauft) kommt man über gefühlte 10’000 Stufen oder etwas bequemer per Lift auf die Aussichtsterrasse und muss erstmal Luft holen.
Filmreife Aussicht
Das liegt nicht etwa an der schlechten Luft im Aufzug oder der strapazierten Lunge ob des Treppensteigens – sondern an der Aussicht, die sich einem auf der Plattform bietet: In Sonnenuntergang getränktes Frankreich trifft herbe Hafenlandschaft. Kitschiger und schöner kann ein Kinoabend nicht anfangen.
Organisiert wird das Openair auf dem Silo vom neuen Kino. Das kleine Eiland in Kleinhüningen bietet seit bald zwanzig Jahren den kommerziellen Betrieben in Basel mit ausgefallenem Kinoprogramm die Stirn und hat auch für diesen Sommer unter dem Thema «Die Welt vom Silo aus» ein vielfältiges Programm zusammengestellt, das Filmperlen aus 15 verschiedenen Ländern zeigt, die in den üblichen Kinos selten zu sehen sind. Erfrischend weit weg vom Blockbuster bewegt sich auch der heutige Film.
Zweifaches Szenario
«Dôlè – Das Glücksspiel» ist eine Komödie aus Gabun, gedreht mit Laienschauspielern, die im Wesentlichen ihre eigenen Rollen spielen: Schulschwänzer, die sich mit pfiffigen Ideen durch die Elektronikläden der Hauptstadt Librevilles klauen, um an Rap-Musik-Equipment zu kommen. Die Story ist lustig und ehrlich und kommt trotz trauriger Szenen mit einer Leichtigkeit daher, die perfekt zur abendlichen Stimmung auf der Terrasse passt.
Man kann sich fast nicht entscheiden, wo man lieber hinschauen würde: Auf die Leinwand oder den Himmel, dessen Stadien von Dunkelheit hier oben noch viel intensiver zu verfolgen sind. Durchzogen vom Aufblitzen der Mücken, die immer wieder die Lichtbahn des Projektors streifen, verwandelt er sich in sein eigenes Spektakel, das dem Film fast Konkurrenz macht.
Soviel Herrlichkeit muss erst einmal verdaut werden. Dafür hat sich die Capribar eine Ebene höher eingerichtet, die mit Getränken von Bier bis Mojito jeden Magen besänftigt, der nach aufwühlendem Film oder überwältigender Kulisse nach Beruhigung schreit. Und so fährt man nach der Vorstellung zu später Stunde leicht beduselt nach Hause und freut sich über den Einblick in Filmgeschichte und Hafen, in Himmel und Welt – und notiert sich schon mal mental die Anrufzeiten des Reservationstelefons für die nächste Woche.
- Das Neue Kino zeigt in seinem Sommerprogramm 15 Filme aus (beinahe – Westberlin und Bayern sind zumindest fast nicht im gleichen Land) 15 Ländern. Reservationen sind empfohlen. Zum ausführlichen Sommerprogramm gehts hier.
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