Kabarettist Gabriel Vetter spricht im Interview über Würste, Vegetarier und Psychopathen mit Haustieren.
Das Museum der Kulturen ist auf die Wurst gekommen. An diesem Wochenende feiert das Museum ein Fest mit Lagerfeuerromantik, exklusiven Bistrowürsten und Wienerliprominenz (siehe Programm). Mit dabei ist auch Kabarettist Gabriel Vetter, er liefert an der Comedy-Night vom Samstag Wurstwortspiele. Wir haben uns vor dem Auftritt mit ihm auf Facebook für ein Chat-Interview über Würste verabredet.
Herr Vetter, sind Sie da?
Jau, hier bin ich. War noch auf Klo.
Oh. Das geht nicht so gut, nachdem man Würste gegessen hat. Die sind schlecht für die Verdauung.
Ich war nur klein, aber danke für den Tipp. Ist das jetzt schon Teil des Interviews?
Fangen wir an. Zur Wurst: Sie galt lange als minderwertig, jetzt widmet sich ihr sogar das Museum für Kulturen. Hat das mit der Schweizer Sehnsucht nach Heidi, Schellen-Ursli, Landfrauenküche und so weiter zu tun?
Oh huii, Sie haben sich diese Frage ausgedacht, nicht? Und haben die Fragen sicher vorgeschrieben und copy-pasten jetzt aus einem Word-Dokument, oder? Also Sie sind so richtig vorbereitet? Ich eben nicht so!
Nix copypasten. Aber danke fürs Kompliment. Wo sind Sie eigentlich gerade, dass wir uns auf Facebook unterhalten statt live?
Ich bin in Norwegen, dem Schweden Skandinaviens.
Viele Menschen lieben ihre Haustiere von ganzem Herzen.
Ja, aber wenn’s einem nicht passt, wird das Viech daheim gelassen, an der Leine, was auch immer. Natürlich, Hunde und Katzen sind auch Sturköpfe, aber das ist ja auch Teil ihres Komplettprogramms. Sie dürfen einen eigenen Kopf haben, aber nur in dem vom Hundehalter tolerierten und durchgesetzten Rahmen. Darum werden Hunde ja dressiert; damit sie nicht nerven. Einen Hund haben ist wie einen Freund haben, mit dem Unterschied, dass der Hund einen nicht nachts weinend anruft und um Rat fragt. Und genau darum hat man Hunde. Oh Gott, jetzt werden mich die Leute wahrscheinlich töten. Dabei mag ich Hunde sehr.
Sie werden es überleben, hoffe ich.
Es ist wahrscheinlich auch ein Gedanke, der nicht zu Ende gedacht ist von mir, vielleicht ist er falsch. Naja.
Aber genau dasselbe überlege ich mir jeweils mit meiner Tochter. Am liebsten wäre mir, sie wäre immer nett und herzig, zum Beispiel gestern Abend, als sie brüllte, statt zu schlafen, und ich endlich Serien gucken wollte.
Ja, Freundschaft und Familie sind keine Zigarettenautomaten.
Aber zum Haustier-Dikatoren: Wir machen ja auch Kinder und dann sind wir erst mal Chef, trotz aller nichtautoritären Erziehung.
Ja, aber wir sind Chef, weil es super unfair wäre dem Kind gegenüber, nicht erstmal Chef zu sein. Jesses, wenn so ein Kind alles selber entscheiden müsste, ohne zu wissen, was eigentlich was bedeutet, das wäre ja schrecklich. Also vor allem für das Kind.
Kinder und Freunde und Haustiere haben wir vielleicht, damit wir Liebe kriegen. Nutztiere, damit wir Würste kriegen. Und Kinder, Freunde, Haustiere und Würste geben ein wohliges Gefühl.
Ja klar, es geht um Bestätigung. Gibt dieses Interview eigentlich Credit Points vom küchenpsychologischen Seminar?
Hätten Sie lieber Credit Points von woanders?
Ich nehme alles. Aber nochmal zur Wurst, und gleichzeitig zum Hund. Das hängt ja alles irgendwie zusammen.
«Es wäre interessant zu sehen, was die Demokratie noch gilt, wenn der Wasserhahn einfach mal ne Woche trocken bleibt.»
Wie?
Da wäre die Frage nach Mensch und Tier beziehungsweise Mensch versus Tier: Soll man vegetarisch essen, um die Ressourcen nachhaltig zu wahren? Dann ist da halt die Frage nach der Effizienz.
Und: Sollten wir vegetarisch essen?
Ich weiss es nicht. Die Frage ist: Werden wir uns bald so effizient wie möglich ernähren müssen? Also auch juristisch? Und falls ja, wie geht das? Ist das dann nicht einfach faschistisch? Und wie berechnet man diese Effizienz?
Für ein gesetzliches Fleischverbot müsste man zuerst das Stimmvolk überzeugen. Das wäre in der Schweiz ziemlich schwierig und im Fleischfresserland USA noch schwieriger.
Naja, ich bin gespannt, was passiert, wenn es einmal nicht mehr genug Wasser gibt. Es wäre interessant zu sehen, was die Demokratie noch gilt, wenn der Wasserhahn einfach mal ne Woche trocken bleibt. Das ist ja ein Szenario, das überhaupt nicht absurd ist. Auch nicht für Europa.
Zur Auflockerung:
Es gibt doch heute schon bereits zu wenig Wasser, die Sahara wächst, Nestlé verkauft Trinkwasser an arme Leute in Bolivien und unsere Gletscher schmelzen davon. Das kümmert doch keinen. Hierzulande ist man Veganer, um dünn zu sein, oder wegen der lieben Tierchen, aber nicht wegen des Wassermangels. Und gleichzeitig ist die Wurst im Trend.
Ja, das Avocado-Dilemma.
Was ist das Avocado-Dilemma?
Die Avocado, diese mexikanische Gentrifizierungs-Birne. MAN KANNS JA AUCH ÜBERSPITZEN: Von jeder Avocadohälfte, die in einem europäischen Trendquartier in einem Kühlschrank vor sich herbräunt, wird in Mexikos Urwald ein Baum-Welpe erschossen. O.k., stimmt vielleicht nicht ganz, ist aber ein schwieriger Gedanke.
Also, doch lieber Wurst essen als Vegetarier werden?
Das ist halt die Frage. Was. Soll. Man. Tun.
Zur Revolution aufrufen oder den eigenen Kühlschrank reorganisieren?
In Schweden wollte ich neulich Zwiebeln kaufen. Es gab normale Zwiebeln, und es gab Bio-Zwiebeln. Die normalen kamen aus Schweden, die Bio-Zwiebeln aus Ägypten. Da frag ich mich, frei nach Hagen Rether, wie wurden die nach Schweden transportiert? Mit Bio-Kerosin?
Ja, bei uns in der Basler Migros gibt es dieselbe Geschichte mit Kartoffeln.
Ich bin nicht so pessimistisch, ich glaube schon, dass wir gut sein können. ich frage mich nur, ob selektiver Konsum die Lösung ist. Oh Gott, ich hab doch keine Ahnung.
Relax. Sie müssen heute die Welt nicht retten.
Morgen reicht.
Gut.
Wollen Sie noch etwas anfügen?
Alles wird gut. (Vor allem, wenn man es niedergart.)
Danke!
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Sa., 3./So., 4. September, Kultur kocht, Fest Museum der Kulturen
Sa, 20-24 Uhr Comedy-Night mit Gabriel Vetter und anderen (siehe Programm)