Sieben serbische Jungschauspieler setzen sich mit den Spielformen von Männlichkeit und Gewalt auseinander. «Macho Men» ist eine eindringliche Performance am Schnittpunkt von Identität und gesellschaftlichen Erwartungen ans Mannsein.
Wie inszeniert man Männlichkeit? Dieses Gewirr aus Konnotationsfäden, die sich zu einem grossen klischierten Knäuel verknoten? Wie bringt man Mut und Muskeln, Stärke, Durchsetzungsvermögen, Klugheit und Charme in einer Performance zum Ausdruck?
Indem man zum Beispiel auf die Bühne tritt und sich in eine Box stellt. Darauf stehen Name und Geburtsdatum, der Ausgangspunkt jeder (nicht nur) männlichen Biografie.
Danach folgen, wenn wir die Stereotype noch kurz als Leitplanken beibehalten, ein blaues Kinderzimmer, Spielzeuge für Jungs, Raufereien in der Schule und erste Frauengeschichten, die den männlichen Erfahrungsschatz bereichern. Als Erwachsener führt man Männergespräche und altert danach in Würde. Denn man ist Mann und das Bäuchlein geht da in Ordnung.
Raus aus der Box! Enge Raster können Ihrer Identität schaden. (Bild: CentreE8 «Macho Men»)
Aber was bedeutet es eigentlich, dieses Mannsein? Kann diese simple Box Ausgangspunkt des geschlechtlichen Werdegangs sein? Diese Fragen stellen sich sieben Junge Männer aus Serbien, die mit ihrem Theaterstück «Macho Men» im Ackermannshof gastieren.
Die Schauspieler sind 22 bis 26 Jahre alt und gehören damit zur Generation jener Kinder, deren Sozialisation inmitten von Militärstiefelgetrampel und Fliegergeheul stattfand. Jetzt sind sie in Basel und denken darüber nach, was für Männer sie eigentlich sein wollen. Sie tun dies in ihrer Muttersprache – deutsche Untertitel werden auf zwei schwarze Leintücher über der Bühne projiziert.
Einladung aus Basel
«Macho Men» gastiert auf Einladung der Basler Entwicklungsorganisation Iamaneh, die sich für die Gesundheit von Frauen in Westafrika und im Balkan einsetzt. Um der Gewalt an Frauen vorzubeugen, die in den meisten Fällen im häuslichen Umfeld ausgeübt wird, bemüht sich Iamaneh vor Ort um Angebote für Männer. Keine Therapien, keine Selbsthilfegruppen, sondern Foren, wo sich Männer mit den Ursprüngen und Gründen unkontrollierter Gewaltimpulse auseinandersetzen können. In diesem Rahmen entstand auch das inzwischen preisgekrönte Projekt «Macho Men» des Theaters Centar E8.
Sechs gegen einen: «Macho Men» zeigt, was passieren kann, wenn Mann mal den vermeintlichen Normen nicht entsprechen will. (Bild: CentreE8 «Macho Men»)
Im Stück werden mit einem Minimum an Ausstattung sämtliche Formen von Männlichkeit durchexerziert. Krawatten, nackte Oberkörper, Bart und Bizeps: Viel mehr brauchen die serbischen Jungs nicht für die Inszenierung ihres Stücks, dessen Botschaft durch das Weglassen von Kulissen an Raum gewinnt und vor allem da eindringlich wird, wo sich zwischen den Muskelspielen Lücken auftun. Tränen, die Liebe, Männerfreundschaft, Nervenschwäche – menschliche Züge, die nicht ins Mosaik stereotyper Männlichkeit passen.
Reduzierte Männerbilder
Aber eben – welcher Männlichkeit? In der Programmankündigung ist von einer Gesellschaft die Rede, die von Männern Stärke, Durchsetzungsvermögen und Mut erwartet, was zu destruktivem Verhalten führen könne. Hier werden Zuschreibungen genannt, die in ihrer schemenhaften Absolutheit einer Gesellschaft im Jahr 2015 eigentlich nicht mehr gerecht werden.
Natürlich werden Männer noch immer mit tradierten Erwartungen konfrontiert: Sie sollen Geld verdienen, Beschützer sein, sich vorbildlich verhalten. Aber diese Rollenbilder bröckeln. Die Zeit der harten Jungs ist vorbei und damit auch eine Gesellschaftsgeschichte, die Männern ohne Bizeps und ohne Hang zu machohaftem Verhalten das Mannsein abspricht.
Aber: Dass dieses Urteil aus einem mitteleuropäischen Denkmuster entspringt, zeigen die Schauspieler mit ihren Berichten aus einer Sozialisation im Krieg. Symbole von Macht und Stärke waren im Serbien der 1990er-Jahre allgegenwärtig und prägen die dortige Gesellschaft bis heute: «Ich musste meiner Familie und meinem Umfeld einige Male erklären, warum ich in einem Stück mitspiele, dass sich mit Männlichkeit und Identität auseinandersetzt», sagt Uroš Novović, einer der Schauspieler.
Spezialvorstellungen für Schulklassen
Drei der sechs Vorstellungen in Basel finden vor Schulklassen aus verschiedenen Basler Berufs- und Mittelschulen statt, deren Schülerinnen und Schüler damit zur Auseinandersetzung mit der eigenen Identität angeregt werden sollen. Dass diese auch in der Schweiz eng mit dem eigenen kulturellen Hintergrund verbunden ist, zeigte die erste Vorstellung, in der zum Teil ungehalten auf im Stück vorkommende Schmährufe gegen Albaner reagiert wurde.
Im Gespräch, das jeweils im Anschluss an die Vorstellungen stattfindet, wurde aber klar, dass die Schauspieler die betreffende Szene als belastendes Überbleibsel ihrer eigenen Sozialisation inszeniert haben. Die Reibung zeigt, wie «Macho Men» das Eigene und Fremde in vielen Spielarten zusammenführt – und zur kritischen Reflexion über Standpunkte anregt.
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Weitere Vorstellungstermine: 2. und 3. Dezember jeweils 14.00 Uhr für Schulklassen und 20.00 Uhr öffentlich. Im Ackermannshof, St. Johanns-Vorstadt 19–21. Eintritt: 15 Franken, für Schulklassen gratis.
Das Stück findet im Rahmen der internationalen Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» statt. Neben Iamaneh engagierte sich die «Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern des Präsidialdepartements Basel-Stadt». Das Institut «Gewaltberatung Prävention» bietet die Möglichkeit, sich über die Vorstellungen hinaus in Workshops mit dem Thema Gewalt auseinanderzusetzen.