Dieses Gold stinkt nicht: Ein Profiteur des schmutzigen Systems wird sauber

Goldschürfer Francisco Ccama hat jahrelang von der Zerstörung seiner Heimat profitiert. Heute ist er Minenbesitzer in Peru und sagt: Die Zukunft liegt im umweltverträglichen Abbau.

Geschüttelt, nicht geätzt: Faires Gold wird ohne Einsatz von giftigem Quecksilber abgebaut.

Schon als Kind schürfte Francisco Ccama nach Gold. In seiner Heimat Ananea, einem Dorf im Süden Perus, häufte er mit Schaufel und Hacke poröses Gestein auf, er legte darin eine Rinne an und liess so viel Wasser durchlaufen, dass unten im Sieb der ganz feine schwarze Sand übrigblieb. In der Waschpfanne wusch er die kleinen Goldsplitter heraus. Der Erlös war ein Zustupf für seine Eltern, die mit ein paar Alpakas und Schafen ihre vielen Kinder durchbrachten.

40 Jahre später will Francisco Ccama wieder zurück zur ökologischen, mechanischen Goldförderung seiner Kindheit. Seine Mine Oro Puno S.A. wurde im Januar  von der Alliance for Responsible Mining mit dem «ökologisch und Fairmined»-Siegel zertifiziert. Damit werden kleine Goldminen ausgezeichnet, die sozial und ökologisch verantwortlich gefördertes Gold produzieren.

Als fair gilt eine Mine, wenn sie die Arbeiter unter guten Bedingungen anstellt und für ihre Sicherheit garantiert. Das bedeutet: Ein Lohn von 1200 Soles, was deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 850 Soles liegt, sowie Kranken- und Rentenversicherung. Das ökologische Zertifikat erfordert, dass beim Goldabbau auf giftiges Quecksilber und andere Chemikalien verzichtet wird. Und der Endkunde weiss genau, aus welcher Mine sein Gold kommt. Das ist sonst bei Gold aus Kleinbergbau unmöglich.

Schafweiden wichen riesigen Kiesgruben

Ccamas Mine liegt auf 4600 Metern Höhe. Die nahen Schneegipfel sind wolkenverhangen, die Schlammpiste ist aufgeweicht und löchrig. Es ist Regenzeit in den Anden. Francisco Ccama, heute 52 Jahre alt, trägt verblichene Jeans und einen dicken Anorak. Sein pausbäckiges Gesicht wird von Mütze und Schal umrahmt. Es ist bitter kalt, die Luft dünn.

Francisco Ccama: vom Alpaka-Hirten zum Minenbesitzer.

Hier ist er aufgewachsen. Damals weideten Alpakas und Schafe auf der rauen Hochebene. Heute steht das Dorf, eher schon eine Stadt, inmitten einer 4000 Hektar grossen Kiesgrubenlandschaft. Eine dieser Kiesgruben ist Ccamas Mina Oro Puno. Ein paar Holzbaracken dienen als Büro, Schlafräume für die zehn fest angestellten Arbeiter, Küche und Essraum. Sie haben vorschriftsgemäss ihren Helm auf.

Erde, Sand und Gold

«Unsere Erdmoränen sind goldhaltig», sagt Francisco Ccama, «wir müssen also nicht in den Berg hineingehen, wie in der nahen Rinconada.» Ein grosser Bagger holt Erde und Steine aus einer Grube und füllt damit einen Kipplaster nach dem anderen. Williams Snina ist in dieser Mine für die Einhaltung der Umweltregeln zuständig. «Wir erkennen schon an der Farbe der Steine, ob sie goldhaltig sind», sagt er.

Die Lastwagen kippen die angehäufte Erde über eine Art Rutsche einen Abhang hinunter. Zwei Arbeiter spritzen mit einem Schlauch Wasser dazu, sodass die Erde sich auflöst in Steine und Sand. Die braune Brühe wird unten am Hang zuerst über ein grobes Gitter und danach über eine Art Vlies geführt und landet als schlammige Brühe in einem Becken. Das schlammhaltige Wasser wird dann über zwei weitere Rückhaltebecken geleitet, in denen sich die Erde absetzt.

Das Umgraben gigantischer Flächen für wenige Gramm Gold lohnt sich. Aber nur, weil der Goldpreis so hoch ist.

Das klare Wasser wird wieder zur Rutsche hochgepumpt und für den nächsten Waschvorgang verwendet. «Dieser geschlossene Kreislauf ist wassersparend und verhindert, dass der ganze Schlamm in andere Wasserläufe gelangt und dort das Wasser verunreinigt», sagt Francisco Ccama. Längst nicht alle Minen in Ananea arbeiten nach diesem Grundsatz.

Beim nächsten Schritt schauen alle gespannt zu, wie drei Arbeiter den feinen schwarzen Sand herauslösen, der sich im Gitter und dem Vlies angesammelt hat. «Zehn bis zwölf Kilogramm schwarzen Sand erhalten wir, nachdem wir rund 250 Tonnen Erde durchgewaschen haben», sagt Francisco Ccama. Daraus werden schliesslich zehn bis 15 Gramm Gold gefiltert.

Wasser trennt Schlamm vom dunklen Sand. Darin sind die Goldkörner.

Dass sich das Umgraben so grosser Flächen für ganze 15 Gramm lohnt, liegt am hohen Goldpreis. Rund 43 US-Dollar (circa 40 Franken) kostet das Gramm Gold heute. «Wenn es unter 30 Dollar fällt, dann rentiert es sich nicht mehr», meint Ccama.

Im Moment macht er sich deswegen aber keine Sorgen. Seit 2002 ist der Goldpreis stetig gestiegen, seit zehn Jahren hält er sich über 1000 Dollar pro Unze (28,35 Gramm), während der Finanzkrise 2009 stieg er sogar auf 1800 Dollar.

Giftiges Goldfieber

Der Goldrausch der 2000er-Jahre führte dazu, dass immer mehr Männer als Bergleute ihr Glück suchten. Francisco Ccama organisierte sich mit anderen Goldschürfern in Genossenschaften. Diese erhielten offizielle Schürfrechte und kauften Maschinen, mit denen sie grosse Erdmassen bewegen konnten. Dazu kamen Goldschürfer, die ohne jegliche Schürfrechte nach Gold suchten.

https://tageswoche.ch/form/reportage/das-glaenzende-schweizer-gold-kommt-vom-dreckigsten-ort-der-welt/

Umweltverträglichkeit war damals noch weniger Thema als heute, und die Kleinschürfer gruben wie wild, verschmutzten den nahen Fluss Ramis mit ihrer Schlammbrühe und gefährdeten mit dem Einsatz von Quecksilber und Zyanid die eigene Gesundheit und die Gesundheit der Anwohner flussabwärts. Kleinschürfer binden damit das Gold und trennen es so vom feinen Sand. Quecksilber ist sehr effizient, schnell und billig. Aber hochgiftig für alle Lebewesen.

«Ja, wir sind damit gut gefahren», gibt Ccama zu. Er habe seine Gewinne vor allem in die Bildung seiner Kinder investiert. Selbst hat er als Hirtenkind nur ein paar Jahre Volksschule besucht.

An der Wand ein Spruch von Gandhi: «Die Welt hat genug für die Bedürfnisse aller, aber nicht für jedermanns Gier.»

Als Präsident des Dachverbandes der Minengenossenschaften wurde Francisco Ccama für diese Methoden zur Verantwortung gezogen. Wegen Verschandelung der Landschaft und weil er keinen Sanierungsplan vorgelegt hatte, wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Das war früher. Heute ist Francisco Ccama stolz darauf, ohne Quecksilber Gold zu fördern. Aus den Fehlern der Vergangenheit hat er gelernt. In einer Baracke stehen zwei elektrische Schütteltische. Sie vibrieren und führen damit das feine Wasser-Sand-Gemisch durch kleine Rillen hinunter zu einem Abfluss. In den Rillen bleiben die ersehnten Goldsplitter liegen, weil sie schwerer sind als der Sand. «Damit holen wir rund 70 Prozent des Goldgehaltes aus dem Sand heraus», sagt Ccama.

Schütteln statt ätzen

Obwohl die Schütteltische in der Anschaffung relativ günstig sind, verwenden die meisten Bergleute weiterhin Quecksilber. «Damit geht es schneller, und viele haben keine Geduld. Wir aber suchen keine grosse Rendite, sondern wollen nachhaltig Gold fördern», sagt der Minenbesitzer. Er weiss auch, dass der Einsatz von Quecksilber in den nächsten Jahren wahrscheinlich verboten wird. «Spätestens dann müssen alle auf eine andere Technologie umstellen.»

Die tote Lagune von Sillacunca, durch Quecksilber verseucht.

Ccama hält seine Ausbeute in die Kamera, ein paar Gramm Gold. Pro Monat kommen sie auf anderthalb Kilogramm, die direkt an Fairgold-Händler nach Europa exportiert werden. Der Verkaufspreis ist dank des Fairmined-Zuschlages höher. Die Differenz muss in Gemeinschaftsprojekte für die Arbeiter oder die umliegenden Dörfer investiert werden.

Exporte in die Schweiz: Unter einem Prozent sind «fair»

Im Comedor, dem rustikalen Essraum mit einem langen Holztisch und Plastikstühlen, wartet Donha Lydia, die Köchin, mit dem Mittagessen und einem warmen Koka-Tee, der die Auswirkungen der Höhe auf den Körper mindert. Zu essen gibt es eine Fleischsuppe mit den in den Hochanden beliebten gefriergetrockneten Kartoffeln, danach einen übervollen Teller mit Huhn, Kartoffelgratin, Mais und grünen Bohnen. Die körperliche Arbeit in der Höhe macht hungrig.

An der Wand des Comedor hängt eine grüne Tafel mit einem Spruch von Gandhi: «Die Welt hat genug für die Bedürfnisse aller, aber nicht für jedermanns Gier.»

Es geht den Arbeitern hier vergleichsweise gut. Flüsse und Seen werden zumindest aus dieser Mine nicht vergiftet. In ganz Peru gibt es sechs als fair zertifizierte Kleinminen. Ihr Gold macht weniger als ein Prozent des Exports von Peru in die Schweiz aus.

Aber auch vorbildliche Minen wie die Oro Puno hinterlassen gigantische Krater in der Landschaft. «Früher war hier alles schönes Grasland», erinnert sich Francisco Ccama fast nostalgisch an das Ananea seiner Kindheit. «Wenn wir die Mine nach und nach schliessen, müssen wir die Gruben füllen und Gras sähen. Damit wieder Alpakas hier weiden können.»

https://tageswoche.ch/gesellschaft/woher-das-gold-an-der-baselworld-kommt-wollen-die-aussteller-nicht-wissen/

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