Jérôme Beurret ist einer der umtriebigsten Wirte Basels. Zur Zeit ist der 58-Jährige, der die Öffentlichkeit scheut wie der Teufel das Weihwasser, Mitinhaber von vier Lokalen. Im Interview verrät er die Gründe seines Erfolgs.
Jérôme Beurret ist zur Zeit einer der umtriebigsten Gastronomen der Stadt. Der Quereinsteiger war sein halbes Leben in der Modebranche tätig. Erst vor sechs Jahren übernahm er mit dem «Rhyschänzli» im Basler St. Johann seine erste Beiz und ist in der Zwischenzeit Mitinhaber von drei weiteren Lokalen.
Zusammen mit seinem Geschäftspartner Stefan Grieder übernahm er die Kasernen-Buvette am Rhein und das «Union» an der Klybeckstrasse, welches zuvor unter drei Wirten keinen Erfolg hatte. Zuletzt eröffneten sie im vergangenen September das «Union Diner» an der Stänzlergasse, wo wir Beurret zum Gespräch trafen.
Im Interview spricht Beurret über die Gastronomie-Szene in Basel, die Gründe für seinen Erfolg. Und er sagt, weshalb er ohne die Kasernen-Buvette immer noch das Geld für seine Miete zählen müsste.
Es brauchte einige Zeit, bis wir Sie für dieses Interview gewinnen konnten. Woher kommt diese Scheu vor Öffentlichkeit?
Ich bin nicht gerne im Vordergrund. Der Erfolg eines Restaurants ist immer eine Teamleistung, auch bei uns. Stefan Grieder und ich sind nur die Ideengeber.
Ideen, aus denen zahlreiche Lokale entstanden: «Union», «Union Diner», «Rhyschänzli» und Kasernen-Buvette …
Und bis vor Kurzem waren wir noch am Restaurant Gempenturm beteiligt. Das hat in der Zwischenzeit aber mein Bruder übernommen.
«Verglichen mit den Grossen sind wir ganz klein. Ich würde uns als eine originelle kleine Kette bezeichnen.»
Sie haben in den vergangenen Jahren ein kleines Gastro-Imperium aufgebaut, wie sind Sie dazu gekommen?
Jesses, das ist nichts! Verglichen mit den Grossen sind wir ganz klein. Ich würde uns als eine originelle kleine Kette bezeichnen.
Inwiefern originell?
Wir sind flexibel und etwas verrückt. Im Fall des «Union Diner» war es einfach: Es fehlte ein guter Hamburger-Laden in der Innenstadt. Gleichzeitig gibt es viele Expats, die das regelmässige Essen von Burgern aus ihrer Heimat gewohnt sind. So kam das eine zum anderen.
Und diese Ideen kommen Ihnen am Bürotisch?
Am Ende sind es immer Zufälle gewesen.
«Ohne die Buvette würden wir vielleicht immer noch im ‹Rhyschänzli› stehen und rechnen.»
Zufälle?
Nachdem Stefan Grieder und ich das «Rhyschänzli» im St. Johann eröffnet hatten, merkten wir rasch, dass es für zwei Betreiber viel zu klein ist. Zufälligerweise schrieb der Kanton in diesem Winter die Buvette bei der Kaserne aus. Wir bewarben uns und erhielten den Zuschlag. Für uns war das ein Glücksfall. Alles, was wir dort verdient haben, ist ins Geschäft zurückgeflossen. Ohne die Buvette würden wir vielleicht immer noch im «Rhyschänzli» stehen und rechnen, damit wir die Miete zahlen können.
Anstatt sich zurückzulehnen, übernahmen Sie kurz darauf das «Union» an der Klybeckstrasse. Eine Beiz die zuvor unter drei verschiedenen Wirten nicht zum Laufen kam.
Die Buvette lief ausgezeichnet, wir hatten ein hervorragendes Team. Und als dann die Saison vorbei war, gab es für all die Leute keine Arbeit mehr. Da begannen wir, uns Gedanken zu machen, wie wir unser Team auch im Winter beschäftigen können.
Sie haben nur für Ihre Angestellten ein neues Lokal aufgemacht? Das klingt sehr selbstlos.
Es ist wirklich nicht einfach, wenn einem die Mitarbeiter ans Herz wachsen und du dann keine Arbeit mehr für sie hast. Schliesslich kam es zu einem weiteren Zufall. Wir machten im leer stehenden «Union» unser Weihnachtsessen. Irgendwann fragte uns dann der Eigentümer, ob wir das Restaurant nicht übernehmen wollten.
«Das Geld bleibt vollumfänglich in der Firma, wo es auch hingehört.»
Sie übernahmen es, bauten das Lokal um, brachten es zum Laufen – und eröffneten nur zwei Jahre später das «Union Diner». Wird Ihnen rasch langweilig?
Neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen, finde ich spannend. Das Geld bleibt vollumfänglich in der Firma, wo es auch hingehört. Stefan und ich leben sehr bescheiden.
Mit vier Beizen?
Wir haben das nie gemacht, um reich zu werden. Es macht mir Freude, neue Konzepte zu entwickeln. Die ganze Inneneinrichtung des «Union Diner» zu entwickeln, mit den Architekten zu planen und auszuprobieren, das war enorm spannend. Man sieht nicht, wie viel Arbeit in so einem Lokal steckt. Es gibt unendlich viele kleine Details zu beachten. Die Einrichtung besteht zu einem grossen Teil aus Einzelanfertigungen.
«Innenstadtlagen sind heute grossen Ketten vorbehalten. Als Kleiner hast du da keine Chance.»
Das klingt nach hohen Kosten.
Wir haben hier viel investiert. Alleine die Auflagen des Kantons haben uns eine Viertelmillion gekostet. Innenstadtlagen sind heute eigentlich grossen Ketten vorbehalten. Als Kleiner hast du da gar keine Chance.
Wie konnten Sie es sich leisten?
Wir haben einen Teil unserer «Rhyschänzli»-Aktien verkauft und das Geld hier investiert.
Wenn man Ihnen zuhört, klingen Sie wie ein abgebrühter Gastronomie-Profi. Dabei kommen Sie ja von einer ganz anderen Seite.
Zufälle, ich sags ja. Ein Freund von mir kaufte an der Elsässerstrasse ein Haus und hatte die Idee, daraus ein Restaurant zu machen, das heutige «Rhyschänzli». Da fragte er mich, ob mich das auch interessieren würde. Wir brauchten einen Koch und hatten das Glück, meinen jetzigen Partner mit einzubinden.
Zuvor waren Sie in der Modebranche tätig.
Das ist lange her.
Wie lange?
Mitte 20 fing ich in der Modebranche an. Ich stieg bei einer Firma ein, die damals in Deutschland und der Schweiz Grosshandel mit Strickwaren aus der Türkei betrieb. So nahm das seinen Anfang. Ich arbeitete in Bern und Basel, reiste viel. Einige Jahre, bevor ich das «Rhyschänzli» übernahm, stieg ich aus dem Textilgeschäft aus. Das Geschäft wurde immer mehr zur Rappenspalterei.
Ist das in der Lebensmittelproduktion nicht ähnlich?
Dem versuchen wir entgegenzuwirken. Wir beziehen alles Fleisch aus der Schweiz und möglichst regional. Insgesamt essen die Konsumenten immer mehr Phosphat und Geschmacksverstärker. Langsam gleitet auch die Gastronomie in diese Richtung ab. Hier in der Steinenvorstadt verschwinden fast alle Beizen und werden von Ketten abgelöst. Die Kosten steigen, und die Betreiber müssen knallhart rechnen. Gleichzeitig gibt es in der Gastronomie aber noch Kunden, die bereit sind, für Qualität zu bezahlen.
«Wenn alle Beizen richtig abrechnen würden, müsste die Hälfte den Laden zumachen.»
Ist es in der Gastronomie einfacher, Geld zu verdienen als in der Mode?
Im Gegenteil, es ist schwieriger. Wenn alle Beizen richtig abrechnen würden, müsste die Hälfte den Laden zumachen. Wenn sie ihre effektiven Stunden abrechnen würden, würden sie feststellen, dass sie einen Stundenlohn unter 15 Franken haben. Für eine einzelne Beiz wie beispielsweise das «Rhyschänzli» ist es heute fast unmöglich zu überleben. Beim «Union» brauchten auch wir fast drei Jahre, bis es sattelfest war. Und wir müssen immer noch jeden Monat genau hinschauen.
Was ist der Grund für euren Erfolg?
Ich denke, wir hatten im richtigen Moment die richtigen Ideen und viel Glück.
Das ist alles?
Wir haben klare Konzepte und Aussagen, das ist sicher eine unserer Stärken. Etwas, das viele Beizer vernachlässigen. Alle wollen alles machen, und das geht nicht mehr. Der Kunde will heute ein klares Erkennungsbild. Die Leute kommen hier zu uns wegen dem Burger, da kann man noch lange gute Salate und andere Gerichte zubereiten. Viele Beizen sind zu wenig erkennbar, sie wollen ein bisschen Italiener, ein bisschen Franzose sein und unterscheiden sich zu wenig von der Konkurrenz.
«Es sind im Moment viele Beizen auf dem Markt, die niemand haben möchte.»
Wie zeigt sich das?
Es sind im Moment viele Beizen auf dem Markt, die niemand haben möchte. Weil es eben nicht so einfach ist, ein klares Konzept zu entwickeln. Klar erkennbare Konzepte brauchen Konsequenz und Geduld bis sie fassen. Man muss sagen, ich mache nur das und dafür gut. Das «Santa Pasta» im St. Johann und «The Kitchen» sind gute Beispiele dafür.
Ist das alles, was eine erfolgreiche Beiz braucht?
Zudem muss ein Beizer knallhart rechnen können. Es gibt zwei Eckdaten bei uns: Einkauf und Personal. Und wenn diese beiden zusammen 70 bis 75 Prozent übersteigen, musst du dir grosse Fragen stellen. Wenn du bei 80 Prozent bist, dann hast du die Verlustzone erreicht. So einfach ist das. Die meisten können eben nicht rechnen und haben zu hohe Einkaufs- oder Personalkosten.
Sie werden bald 60, wie lange machen Sie noch weiter?
Wenn du dich für einen Weg entschieden hast, dann gehst du den. Ich schaue nicht weit voraus, und erst recht nicht zurück. Das einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich einmal in meinem Leben noch etwas ganz anderes machen möchte. Das kann mit 62 oder auch später sein, aber ich mache noch einmal etwas anderes. Längerfristig bindet mich nichts an diese Beizen. Und vielleicht übernimmt einmal einer meiner Söhne meine Rolle hier, das wäre ein Wunsch von mir.
«Auf die Sternenküche kann ich verzichten, auf diese ganzen Schäumchen und Sösschen.»
Können Sie selber eigentlich auch kochen?
Kann ich, ja. Früher kochte ich oft für meine Kinder, und sie beklagten sich nie. Heute koche ich gerne privat für Familie oder Freunde, aber nur im kleinen Rahmen.
Wenn Sie selber auswärts essen gehen, wohin zieht es sie?
Ich komme nicht oft dazu. Wenn, dann gehe ich in der Stadt gerne in die «Mägd» oder in die «Bodega». Ich bin auch gerne im «Heyer» in Biel-Benken oder im «Schärme» in Hofstetten.
Das sind alles Restaurants mit eher einfachem Essen.
Auf die ganz gehobene Sternenküche kann ich verzichten, auf diese ganzen Schäumchen und Sösschen. Kaninchen mit Polenta schmeckt mir, Hackbraten, schöne Pasta oder ein Eintopf. Aber die ganzen 17-, 18-, 19-Punkt-Restaurants langweilen mich.