Die Olympia-Clique hat für ihre Laterne den Graffiti-Künstler Tarek Abu Hageb ins Fasnachtsboot geholt. Das Resultat lässt sich sehen.
Es ist der Sonntag vor dem Morgestraich und die Olympia-Clique will ihre Laterne in die Innenstadt transportieren. Als sie in der St. Alban-Vorstadt beim Gerüst des Kunstmuseums durchgehen wollen, streikt die Laterne: Sie ist viel zu hoch, um durch das Gerüst zu passen. Die Olympia-Clique muss das sperrige Ding schliesslich querstellen, um hindurchzukommen. Eine alte Frau hat die Männerclique beobachtet und schimpft vor sich hin: «Diese grössenwahnsinnige Olympia Clique! Immer muss sie übertreiben!»
Die massive Laterne geht auf die Kappe des Künstlers Tarek Abu Hageb: Vor neun Monaten fragte ihn die Olympia-Clique für eine Laterne an. Sie wollten für einmal einen Laternenkünstler, der nicht unbedingt ins Fasnachts-Schema passte. Da waren sie bei Tarek an der richtigen Stelle: Der Künstler ist vor allem bekannt für seine Graffiti-Kunst und hat mit Fasnacht eher wenig am Hut.
Trotzdem war er sofort Feuer und Flamme: «Fasnacht mag total verrückt und übertrieben sein – aber es lässt das Kind in dir wieder aufleben.» Also fing Tarek Abu Hageb mit der Arbeit an. Das Einzige, was die Clique vorschrieb, war das Sujet: «So uff Tschi – Olympia Gold».
Die Assoziationen waren schnell da: Skier, olympisches Feuer, Goldmedaillen. Besonders das Gold liess Tarek nicht mehr los: Vom Goldzahn bis zum Modeschmuck sammelte er alles, was ihm an Abbildungen von goldenen Objekten in die Hände kam. Ziemlich schnell war klar, dass die Laterne golden werden sollte.
Goldene Laterne
Ganz einfach war das nicht: Versuche mit 18 verschiedenen Goldtönen und etliche Variationen mit verschiedenen Malmitteln und -Techniken brauchte es, um die Laterne nachts golden leuchten zu lassen. Der Einfachheit halber auf digitale Mittel zurückzugreifen, kam für den Künstler nicht in Frage: «Sich Fasnacht aus dem Internet zu bestellen, ist nichts für mich. Ich will handwerklich arbeiten, Tradition mit Moderne verbinden, ohne gleich in die Tasten hauen zu müssen.»
Ein Sinnbild zu finden, welches das Sujet der Clique nicht nur spiegelte, sondern kritisch hinterfragte, war mindestens so aufwändig. Abu Hageb wollte eine Laterne mit Substanz, besonders bei dieser Thematik: «Sotschi ist ein weltbewegendes Thema, das über die olympischen Spiele hinausgeht. Es geht um Machtdemonstration und Dekadenz und um einen Werte-Zerfall eines Staates, den ich immer noch als sozialistisch in Erinnerung habe», meint der Künstler.
Entstanden ist eine Laterne, die beide Seiten der Medaille Russlands zeigt. Auf der einen Seite ist eine Matrioschka zu sehen, die typische russische Holzpuppe. «Fast ein bisschen das Mami der Olympia-Clique, die doch ausschliesslich aus Männern besteht», lacht Abu Hageb. Dann wird er wieder ernst: «Es geht darum zu fragen, was unter den vielen Schichten dieser Mutter Russlands eigentlich noch besteht.» Die Armee von androgynen Gestalten und das abgehängte Hammer- und Sichel-Symbol sind weitere Anstösse, das Russland, das sich in Sotschi präsentierte, zu hinterfragen.
Die zweite Seite der Laterne, die tagsüber als Rück- und in der Nacht als Vorderseite benutzt wird zeigt Hände unter einem Feuer, aus dem ein Bär steigt. «Finger wie geplatzte Bratwürste», sagt der Künstler und meint im nächsten Atemzug, das seien die Hände, die Russland aufgebaut hätten, dazu das Feuer, das die alten Werte verbrenne und der Bär, der schmerzhaft aus dem Feuer trete.
Keine Värsli
Wie das alles gelesen werden kann, ist letztendlich dem Zuschauer überlassen. «Hauptsache, es kurbelt das Nachdenken an», meint Abu Hageb. «Värsli», die weiterhelfen, wird der Betrachter vergeblich suchen. Trotzdem: All jenen, die nicht darauf verzichten können, sei dieser Spruch von Andres Guth zu Tareks Laterne mitzugeben:
«Dr Putin sait zu sinere Miss – Ha Schiss vor Teddys mit Gebiss.»