In rund einem Drittel der Familien im Kanton Baselland übernehmen die Grosseltern regelmässig die Kinderbetreuung. Um die volkswirtschaftliche und soziale Bedeutung dieser Leistung unter die Lupe zu nehmen, organisierte die Fachstelle für Familienfragen den ersten Baselbieter Grosseltern-Kongress.
Sowohl Katrin Bartels, die Leiterin der Fachstelle für Familienfragen, als auch ihr Chef, Sicherheitsdirektor Isaac Reber, wissen aus persönlicher Erfahrung, wie angenehm es sein kann, wenn man bei der Kinderbetreuung auf die Grosseltern zurückgreifen kann. Ohne deren Hilfe, sagt Reber, wäre das Jobsharing mit seiner Frau nicht möglich gewesen. Und offenbar ist das bei vielen so, denn gemäss dem Baselbieter Familienbericht 2011 betreuen in 32 Prozent der Familien mit Kindern unter 12 Jahren regelmässig die Grosseltern den Nachwuchs. Die Zahl bei den Kleinkindern ist noch höher. Berechnungen haben ergeben, dass Grosseltern in der Schweiz insgesamt 92 Millionen Betreuungsstunden leisten.
Angesichts dieser Zahlen, sei es nur logisch, sagt Katrin Bartels den zur Medienkonferenz geladenen Journalisten, die wichtige Rolle der Grosseltern genauer zu beleuchten. Das Nein bei der Abstimmung zum Kinderbetreuungsgesetz im vergangenen März habe wieder einmal deutlich gezeigt, «dass die Familie für viele eine Privatsache ist». Dennoch hätten nicht alle Familien das Glück, bei der Kinderbetreuung auf Grosseltern zurückgreifen zu können. Deshalb wäre es falsch, die privat organisierten Betreuungsmodelle gegen die der professionellen Kitas auszuspielen. «Es braucht das ganze Spektrum», sagt Bartels. Und deshalb habe man den Grosseltern-Kongress organisiert, «um die wichtige Rolle, die die Grosseltern in unserer Gesellschaft einnehmen, mit all ihren Aspekten beleuchten zu können.» Nebst der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Gratis-Leistung der Grosseltern sollen am Kongress auch die emotionalen Werte Thema sein.
Positives Image
So wurde unter anderen der renommierte Altersforscher François Höpflinger als Referent eingeladen, der eine umfassende Studie über die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkeln gemacht hat. Nicht zuletzt deshalb, weil deren gemeinsame Lebensspanne durch die gestiegene Lebenserwartung heute viel länger ist als früher. Höpflinger hat ausserdem festgestellt, dass die Grosselternschaft zu den wenigen positiven Altersstereotypen gehört. Während ansonsten die älteren Menschen in unserer jugendorientierten Gesellschaft vor allem mit Gebrechlichkeit und Verlust der Attraktivität verbunden werden.
Eine weitere am Kongress vorgestellte Studie kommt zum Schluss, dass staatliche Kinderbetreuungseinrichten keineswegs, wie vermutet werden könnte, in Konkurrenz zu den Grosseltern stehen. Im Gegenteil. Wie die Soziologin Corinne Igel in ihrer Untersuchung herausgefunden hat, ist die Anzahl der betreuenden Grosseltern in Ländern wie Schweden, Dänemark und Frankreich, wo Kinder in der Regel Kitas besuchen, sogar höher als beispielsweise in Italien.
Weniger lang, dafür öfter
Die italienischen Grosseltern kümmern sich zwar, wegen des Mangels an staatlichen Kinderkrippen, intensiver um ihre Enkel. Aber es sind weniger, die diese Aufgabe übernehmen können oder wollen. In den Ländern mit einer guten Abdeckung staatlicher Einrichtungen, also dort, wo der Betreuungsbedarf weniger Zeit in Anspruch nimmt, stehen offenbar mehr Grossmütter und -väter zur Verfügung. Sie bringen und holen die Enkel in der Kita ab oder betreuen sie, wenn sie krank sind.
Um auf den Kongress und seinen Zweck zurückzukommen: Referate und Diskussionen zu einem wichtigen Thema sind ein Grund. Aber nicht der einzige: Es sei an der Zeit, sagt Isaac Reber, den Grosseltern einmal Danke zu sagen. «Danke für deren gigantische Leistung – die Gesellschaft würde ohne die Grosseltern nicht funktionieren, so wie sie jetzt funktioniert.»