Ein delikater Auftrag für Thomas de Courten

Von Thomas de Courten, dem neuen Baselbieter Wirtschaftsförderer, wird viel erwartet – zu viel vielleicht von einem SVPler. Bis jetzt war die neuerdings wieder propagierte Zusammenarbeit mit Basel-Stadt seine Sache jedenfalls nicht.

Muss sich neu orientieren: Thomas de Courten, SVP-Nationalrat und angehender Wirtschaftsförderer Baselland. (Bild: zVg)

Von Thomas de Courten, dem neuen Baselbieter Wirtschaftsförderer, wird viel erwartet – zu viel vielleicht von einem SVPler. Bis jetzt war die neuerdings wieder propagierte Zusammenarbeit mit Basel-Stadt seine Sache jedenfalls nicht.

Wir kämpfen nun als Team – für ein starkes Baselbiet mit einer starken Wirtschaft! Es war ein beeindruckender Auftritt mit einer klaren Botschaft, den die fünf Baselbieter Regierungs­räte am Dienstag in Liestal hinlegten. Nach der Präsentation ihrer Entwicklungsstrategie blieb an der Pressekonferenz eigentlich nur noch eine Frage offen: Was wird nun tatsächlich anders im Baselbiet, heute, morgen, übermorgen? «Erst einmal erwarten wir eine positivere Berichterstattung», sagte Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) lächelnd. Und Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) murrte: «Auch in der TagesWoche.»

Die gute Presse

Nun, ihr erstes Ziel haben der federführende Volkswirtschaftsdirektor Peter Zwick und die Regierung erreicht. Die Presse war gut. «Endlich ist nicht mehr nur von schlechten Zahlen und hartem Spardruck die Rede», stellten wir bei der TagesWoche fest. «Endlich!», resümierte danach auch die «Basler Zeitung», «überfällig!», die «Basellandschaftliche Zeitung».
Was dabei fast schon wieder in Vergessenheit geriet, war Zwicks wenige Tage zuvor bekannt gegebene Berufung des SVP-Nationalrats Thomas de ­Courten (45) als neuen Baselbieter Wirtschaftsförderer. Ordentlich ausgeschrieben wurde die Stelle erst im allerletzten Moment. SP und Grüne sprachen darum schon bald von einer «Hals-über-Kopf-Aktion» (siehe Dokumente auf der Rückseite).
Bemerkenswert ist die Wahl auch noch aus anderen Gründen. Zum Beispiel, weil das Duo Zwick/de Courten schon einmal eine «Aktivierung der Wirtschaftspolitik des Kantons Baselland» progagierte – in einem Postulat, das die beiden 2005 in ihrer Zeit im Landrat zusammen mit Rolf Richterich (FDP) einreichten. Passiert ist seither aber wenig bis gar nichts – obwohl zumindest Zwick als Volkswirtschafts­direktor inzwischen schon über vier Jahre Zeit gehabt hätte, um seine eigenen Forderungen zu erfüllen.
Mit der Entwicklungsstrategie soll nun aber – endlich, endlich – alles besser werden. Man hofft auf neue Unternehmen in neuen Industriegebieten, auf neue Arbeitsplätze und sehr viel höhere Steuereinnahmen. Einnahmen, die der finanziell angeschlagene Kanton Baselland dringend nötig hätte.

Wüthrichs Versprechen

Aufgehen kann die Strategie aber nur, wenn sich das Baselbiet als starker Forschungs- und Innovationsstandort behaupten kann. Auch das wurde bei der Präsentation in Liestal immer wieder betont. Und fast noch häufiger sagte Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP), wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen sei, vor allem im Bereich der Hochschule: «Wir müssen verlässliche Partner sein.»

Bis jetzt war das nur bedingt der Fall. In den vergangenen Monaten versuchte das Baselbiet zumindest vor­übergehend auch auf Kosten der Universität und der Fachhochschule zu sparen, was bei den Nachbarn erhebliche Irritationen auslöste. Freuen konnte sich dafür die SVP, die Partei des möglichst eigenständigen Baselbiets. Und die Partei des neuen Wirtschaftsförderers Thomas de Courten.
Er selber kämpfte als Landrat ebenfalls mit grossem Einsatz gegen eine Baselbieter Beteiligung an der Uni­versität, gegen höhere Beiträge an die Fachhochschule, gegen alles, was mit Basel irgendwie zu tun hat – so jedenfalls kam seine Politik in der Stadt an.

Rechte vorerst ruhig gestellt

Unzufrieden war de Courten auch mit der angeblich «einseitigen Fokussierung» der Region Basel auf Life ­Sciences und die «Vernachlässigung» der anderen Branchen. Und gar noch mehr schien ihn die Personenfrei­zügigkeit zu stören, die einen «Ansturm von Ausländern» zur Folge habe, wie er im März 2010 in einem Vorstoss kritisierte. Nun soll der gleiche de Courten zusammen mit dem neuen Kompetenzzentrum für Wirtschaftsentwicklung und Standortmarketing dafür sorgen, dass die Unternehmen im Baselbiet gute Rahmenbedingungen erhalten und sich auch neue Firmen ansiedeln – vorzugsweise solche mit «hoher Wertschöpfung». Das heisst: Life-Sciences-Betriebe, die nur dank des «Ansturms von Ausländern» funktionieren, auf die de Courten offenbar lieber verzichten würde.
Wegen solcher Widersprüche zweifeln linke und grüne Politiker wie ­Ruedi Brassel (SP) daran, dass es der Regierung so richtig ernst ist mit all ihren schönen Ankündigungen. Wenn nicht, kann sich der zuletzt viel gescholtene Peter Zwick zumindest über einen persönlichen Erfolg freuen: Mit der Wahl de Courtens hat er zumindest die rechten Kritiker fürs Erste wahrscheinlich etwas ruhiger gestellt.

 

Auch andere SVPler sind in einem Dilemma

Mit der Lancierung ihrer Zuwanderungsinitiative hat die SVP einige ihrer Mitglieder in Bedrängnis gebracht. Würde die Initiative angenommen, müsste wohl die Personenfreizügigkeit mit der EU gekündigt werden – was den wirtschaftsnahen SVPlern ein Graus wäre. Prominentester Fürsprecher der Personenfreizügigkeit innerhalb der SVP ist der Thurgauer ­Nationalrat Peter Spuhler. Auch Nationalratspräsident Hansjörg Walter ist ein dezidierter Befürworter.

Regelmässig geraten Vertreter der Volkspartei denn auch in Erklärungsnot, wenn es um die wirtschaftlichen Vor­züge des freien Personenverkehrs geht. Der Basler SVP-Präsident Sebastian Frehner sagte kürzlich in einem Interview mit der TagesWoche: «Die Wirtschaft will natürlich Personenfreizügigkeit. Ich bin aber nicht nur ein Wirtschaftsvertreter, sondern auch ein Partei- und Volksvertreter.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.02.12

Nächster Artikel