Ein Denkmal für den Humanisten Castellio

1982 wurde ein Weglein im St.-Alban-Tal nach Sebastian Castellio benannt. Eine schöne Geste. Doch der Humanist, der am Rheinknie Griechischprofessor war, hat mehr verdient. Basel sollte ihm ein Denkmal setzen.

2015 bekam Sebastian Castellio bei Genf ein Denkmal – anders als Calvin hielt der Humanist nichts von der Verfolgung von Ketzern mit Feuer und Schwert.

(Bild: Wolfgang Stammler)

1982 wurde ein Weglein im St.-Alban-Tal nach Sebastian Castellio benannt. Eine schöne Geste. Doch der Humanist, dessen Geburtstag sich im ablaufenden Jahr zum 500. Mal jährt, hat mehr verdient. Basel sollte ihm ein Denkmal setzen.

Sebastian Castellio kam im Jahr 1515 im savoyischen Dorf St-Martin-du-Fresne zur Welt. Auf welchen Tag und Monat sein Geburtstag fiel, ist nicht überliefert und entzieht sich damit unserem Wissen.

Mit 20 Jahren ging Sebastian Castellio nach Lyon und lernte dort am Collège de la Trinité Latein, Griechisch und Hebräisch. Unter dem Eindruck der Hugenottenverfolgung verliess er die Stadt und zog nach Strassburg, wo er Calvin kennenlernte. Dieser verschaffte ihm in Genf eine Stelle als Rektor an der Lateinschule und als Prediger im Genfer Dorf Vandoeuvres.

Die Beziehung zwischen Castellio und Calvin war allerdings nicht konfliktfrei. Als ihm der Genfer Reformator zu engstirnig und zu herrisch wurde, kehrte Castellio 1544 Genf den Rücken und ging nach Basel. 

Griechischprofessor in Basel

Hier fand er keine Anstellung als Prediger und schlug sich zunächst als Mitarbeiter des Basler Druckers Johannes Oporinus und als Hauslehrer mehr schlecht als recht durch. 1553 verbesserte sich seine Lage, als er an der Universität Basel eine Griechischprofessur erhielt. Ein unbeschwertes Leben konnte Castellio trotzdem auch fürderhin nicht führen.

In Genf war nämlich der Spanier Miguel Servet, der auf der Flucht vor der katholischen Inquisition in die Calvin-Stadt geflüchtet war, verhaftet und nach einem Prozess am 27. Oktober 1553 bei lebendigem Leib als Häretiker verbrannt worden. Servet war zum Verhängnis geworden, dass er es gewagt hatte, die Dreifaltigkeit Gottes anzuzweifeln.

Die Nachricht von Servets grausamer Hinrichtung verbreitete sich rasch. Als Reaktion darauf publizierten Castellio und ein Kreis von Gleichgesinnten unter dem Titel «Über Ketzer und ob man sie verfolgen soll» anonym eine Sammlung von theologischen Texten aus verschiedenen Jahrhunderten, mit der sie sich gegen das Töten von Ketzern aussprachen.

Calvin und seine Freunde merkten rasch, wer hinter der Textsammlung und hinter deren Einleitung stand. Sie unternahmen alles, um die Verbreitung der Schrift zu verhindern und gingen mit Pamphleten gegen Castellio zum Gegenangriff über. Castellios Entgegnungen darauf zirkulierten nur in Abschriften, erst lange nach seinem Tode am 29. Dezember 1563 wurden auch sie gedruckt.

«Einen Menschen töten heisst nicht, eine Lehre zu verteidigen, sondern einen Menschen töten.» 

Sebastian Castellio

In einer dieser Entgegnungen findet sich auch der Satz, für den allein Castellio ein Denkmal gebührt: «Einen Menschen töten heisst nicht, eine Lehre zu verteidigen, sondern einen Menschen töten.» Mit anderen Worten: «Geistliche Sünden», so die Castellio-Biografin Mirjam van Veen, «sollen auf geistliche Weise bestraft werden, nämlich durch die Macht des Wortes, während die weltliche Obrigkeit das Schwert nur gegen Verbrecher gebrauchen sollte, damit nicht Menschen mit Gewalt gezwungen würden, einen Glauben anzunehmen und die Religion dem Schwert übergeben werde.»

Wegbereiter der Toleranz

Als einer der Wegbereiter der Toleranz gebührt Castellio ein Denkmal. Überlebensgross sollte es nicht sein. Denn wenn Castellio auch seine Feder in den Dienst der religiösen Toleranz stellte, so soll man auch seine Grenzen sehen. «Castellios Toleranz endete», schreibt Mirjam van Veen, «wo die Existenz Gottes in Frage gestellt wurde. Wer die Erschaffung der Welt durch Gott, die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung leugnete oder anzweifelte, musste auch nach Castellios Ansicht durch die Obrigkeit zur Rechenschaft gezogen werden, nur dass nicht die Todesstrafe, sondern stattdessen zum Beispiel eine Geldbusse verhängt werden sollte.»

 In Vandoeuvres bei Genf – Calvin dürfte sich wohl im Grabe umgedreht haben – hat Castellio dieses Jahr eine kleine Büste erhalten. Eine solche würde sich auch am Rheinknie gut machen – es muss ja nicht gleich im Kreuzgang des Münsters sein.


Mirjam van Veen: Die Freiheit des Denkens. Sebastian Castellio – Wegbereiter der Toleranz 1515–1563. Alcorde Verlag, 2015
 

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