Ein Fels in der Brandung

Yannick spricht über Männer, Militär und Machos. Und über grosse Gefühle.

Yannick (17) ist kein Fan vom Militär, will aber unbedingt diese Erfahrung machen. (Bild: Basile Bornand)

Yannick spricht über Männer, Militär und Machos. Und über grosse Gefühle.

Yannick ist 17 und macht die Maurerlehre bei einer der grösseren Baufirmen in der Region Basel. Erstes Lehrjahr, die Arbeit gefällt ihm. Sehr sogar. «Für mich stand schon lange fest, dass ich mit Hand und Körper arbeiten will.» Und am liebsten draussen. Er sei nicht der Typ, sagt Yannick, der den ganzen Tag im Büro vor einem Computer sitzen könne. «Draus­sen kann ich mich auspowern, wenn ich mal nicht gut drauf bin.» Zuerst habe er eigentlich an Landschaftsgärtner gedacht, ging auch schnuppern, es ­gefiel ihm nicht schlecht. «Aber als Maurer hast du definitiv bessere Weiterbildungs- und Aufstiegschancen.»

Yannick weiss, was er will. Nicht in ferner Zukunft – heiraten, Kinder, sesshaft werden, so weit will er noch nicht denken –, aber die nächsten paar Jahre sind klar: nach der Lehre ins Militär. Zivildienst sei nichts für ihn, «das ist doch langweilig, ich brauche Action». Aber bitte keine Missverständnisse, er sei kein Fan von Militär und Krieg, «absolut nicht». Yannick blickt treuherzig. Ihm gehe es nur darum, vom Militär ein Stück Lebenserfahrung mitzunehmen, sagt er. «Alle erwachsenen Männer, die ich kenne, erzählen das so.» Das Militär sei eine wichtige Erfahrung auf dem Weg zum Mann-Werden. «Ach, das tönt jetzt sicher voll daneben.» Er lächelt verlegen, zündet sich eine Zigarette an. Er wisse auch nicht genau, wie er das erklären solle. Ein Macho sei er jedenfalls nicht, sagt Yannick.

Schwer verliebt

In seinem Leben läufts momentan bestens, die Lehre gefällt ihm, die Noten in der Schule sind so gut wie nie – und er hat seit fünf Monaten eine feste Freundin. Er sei schwer verliebt, sagt er, «sie ist die Beste, die es gibt». Ein bisschen jünger als Yannick, aber demnächst ebenfalls 17, und sie geht noch zur Schule, ins Gym. Im vergangenen Herbst hat er sie kennengelernt, danach trafen sie sich immer wieder mal, gingen zusammen an Partys, wurden schliesslich ein Paar.

Yannick hat das Datum dieses wichtigen Tages nicht vergessen, es war am Geburtstag seiner Mutter. Er verbringt viel Zeit mit ihr, geht mit ihr ins Kino, in den Ausgang, sie sind aber auch oft gemeinsam zu Hause. Manchmal übernachtet er bei ihr, manchmal sie bei ihm.

Seit etwa einem halben Jahr bewohnt Yannick ein Zimmer im Kellergeschoss mit eigenem Zugang, hat sozusagen eine sturmfreie Bude im Elternhaus. Das heisst, Yannick und seine 13-jährige Schwester leben dort mit der Mutter zusammen; die Eltern sind geschieden. «Aber sie haben überhaupt keinen Stress miteinander.» Sie sehen sich oft, beide wohnen in Therwil, ganz in der Nähe voneinander. «Als Kind habe ich abwechslungsweise beim Vater und bei der Mutter gewohnt.» Er hats gut mit seinen Eltern – seit er die Pubertät hinter sich hat.

Bumm, und die Pubertät war da

«Die war heftig», sagt Yannick. Bei vielen Jugendlichen komme sie ja langsam und phasenweise, «bei mir machte es bumm, und sie war da.» Er war 14 Jahre alt. Und wütend, über alles und nichts. Über sich. Kleinigkeiten konnten ihn in die Sätze bringen, manchmal haute er einfach von zu Hause ab, nachdem er sich mit seiner Mutter oder seinem Vater gestritten hatte.

«Ich habe auch Seich gemacht», sagt er. Zum Glück ohne schwerwiegende Folgen. Deshalb lassen wir die Details, es ist vorbei. «Ich war jedoch nie agressiv gegen andere Menschen, Schlägereien hatte ich nie», das zu sagen ist Yannick wichtig. Etwa ein Jahr lang ging das so – Ärger in der Schule, Ärger mit den Eltern –, dann habe er gemerkt: «Mein Verhalten bringt mich nicht weiter.» Ebenso plötzlich, wie die Pubertät ihn erwischt habe, sei er von hundert auf null runtergefahren. Erneut ein treuherziger Blick aus blauen Augen: «Es war eine harte Phase, aber wichtig, ich bin daran gewachsen.»

Heute geniesst Yannick sein Leben, es ist ausgefüllt. Mit Freundin, Kollegen, Arbeit, Schule – und Sport, ein wichtiges Thema für Yannick. Zwei Mal pro Woche Fitness, zwei Mal pro Woche Fussballtraining. Er ist Goalie beim FC Therwil, A-Junior. Und natürlich FCB-Fan. Mit dem Vater geht er manchmal an die Matches, wenn er nicht selbst spielen muss. Mit Käppli und Schal – das volle Programm. Er besitzt ein Original-T-Shirt von Koumantarakis.

Körperliche Betätigung tue ihm gut, sagt Yannick. Sein Körper ist es auch, der ihn davon abhält, zu viel zu trinken oder zu rauchen. Er trinke gerne hin und wieder ein Bierli, vielleicht auch zwei. «Aber mein Körper signalisiert mir schnell, wenn genug ist.» So hat er auch gemerkt, dass Kiffen nicht sein Ding ist.

Ein Mann zeigt Gefühle

Wenn Yannick im Ausgang ist, will er Spass haben, tanzen, Musik hören. House, Electro. Was ihn nervt, sind die Typen, die immer wieder und wegen nichts Schlägereien anzetteln. «Einfach so, weil sie zeigen wollen, wer der Chef ist.» Das seien keineswegs nur Ausländer, wie das oft behauptet werde, sondern auch Schweizer. «Schweizer haben keinen Heiligenschein.» Yannick kommt noch einmal auf das Macho-Ding zurück: Dieses Gehabe stört ihn. Auch ein Mann soll seine Gefühle zeigen, meint er. «Ich verstecke meine jedenfalls nicht, ich zeige meiner Freundin gern, wie verliebt ich bin.»

Seine letzte Freundin habe ihn von einem Tag auf den anderen sitzen gelassen, ohne ihm den Grund zu sagen, «das hat mich sehr verletzt». Deshalb ist Vertrauen absolut wichtig für ihn; wenn eine Beziehung nicht mehr gut ist, soll man sich das sagen, findet er. Dann könne man auch besser damit umgehen, wenn Schluss ist. Nein, Yannick ist kein Macker, aber ein Jugendlicher auf dem Weg zum Mann – Typ «Fels in der Brandung».

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

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