«Ein indianischer Wigwam bildete die Laterne» – Am Cortège mit einem Massaker als Sujet

An der Fasnacht von 1891 warf die Schnaebele-Clique einen Blick auf die USA und die Indianer.

Ein Händler, ein Medizinmann und zwei stolze Häuptlinge: Detail des von Karl Jauslin gezeichneten Basler Fasnachtsumzugs 1891.

(Bild: Ortsmuseum Muttenz / K J 25.55)

An der Fasnacht von 1891 warf die Schnaebele-Clique einen Blick auf die USA und die Indianer.

Das Basler Fasnachtstreiben ist weit mehr als «Drummle und Pfyffe». Es zielt nicht nur auf die Gehörgänge des Publikums. Ebenso sehr spielt es mit der Schaulust der Zuschauerinnen und Zuschauer. Diese kommen beim Morgestraich, beim Gässle, aber natürlich auch beim Cortège auf ihre Kosten.

Zum Fasnachtsspektakel gehört auch, dass die verschiedenen Cliquen jeweils ein Sujet ausspielen und das gewählte Thema möglichst originell umsetzen. Als besonderer Blickfang wirken jeweils die Laternen. Das war auch an der Fasnacht 1891 schon so, wie aus den Berichten der «Basler Nachrichten» jenes Jahres hervorgeht.

Der Fantasie schien dabei keine Grenze gesetzt. So gab es unter anderem Cliquenlaternen in Form einer deutschen Pickelhaube, einer Kaffeemühle, einer Eisenbahnlaterne, eines Petitionsbogens, eines Obelisken und eines Indianerzeltes. Die einen spielten auf Lokales an, die anderen beleuchteten nationale oder gar internationale Themen.

Ein bekehrter Mucker

Die Kaffeemühle-Laterne war Teil einer Inszenierung, die die Basler «Klatschsucht» – sei es in privaten Kaffeekränzchen oder sei es in Zeitungsredaktionen – aufs Korn nahm.

Die Petitionsbogen-Laterne machte sich über eine Petition lustig, mit der fromme Kreise das fasnächtliche Treiben haben einschränken wollen. Dem Berichterstatter der «Basler Nachrichten» gefiel diese Laterne besonders gut: «Ein köstliches Bild ist die Vorderseite, wo ein Mucker von einem Dummpeter und einer dekolletierten Tänzerin zur Fasnacht bekehrt wird.»

Der Central-Club seinerseits schwelgte in afrikanischen Fantasien. Sein Zug hatte die Emin-Pascha-Expedition des Afrikaforschers Henry Morton Stanley zum Thema, dessen Abenteuer auf der Laterne in der Form eines Obelisken abgebildet waren.

Telegramm aus Omaha

Eine ganz besondere Bewandtnis hatte es mit der Indianerzelt-Laterne auf sich. Am 31. Dezember 1890 war in den «Basler Nachrichten» folgende Kurzmeldung zu lesen:

«Eine Depesche aus Omaha sagt: Ein Gefecht hat stattgefunden bei Porrupine (richtig: Porcupine, sto.) zwischen Indianern und einer Truppenabteilung der Vereinigten Staaten. Die beiderseitigen Verluste sind beträchtlich. Es herrscht eine grosse Erregung in den reservirten Gebieten.»

Die gleiche Zeitung präzisierte in ihrer Ausgabe vom 1./2. Januar 1891, beim Gefecht vom 29. Dezember in Porcupine seien «75 amerikanische Reiter getötet oder verwundet und 110 indianische Krieger mit 250 Weibern und Kindern getötet» worden. Und weiter: «Wahrscheinlich sind nur noch 6 Kinder vom indianischen Kamp am Leben.»

«Geistertänze»

Das Massaker war das schreckliche Ende der «Geistertanz»-Bewegung, die im April 1890 in den Lakota-Reservaten begann und von Anführern wie Sitting Bull propagiert wurde. Mit den Tänzen verband sich die Hoffnung, die Geister der Ahnen und die einst grossen Büffelherden der Prärie würden zurückkehren. Viele der Tänzer trugen auch bemalte Hemden, die sie vor Gewehrkugeln schützen sollten.

Am 15. Dezember 1890 ordnete der Verwalter der Standing Rock Reservation, in der Sitting Bull lebte, dessen Verhaftung an. Dabei wurde der etwa 60 Jahre alte Häuptling durch einen Kopfschuss getötet. Viele Lakotas flohen darauf in die Badlands. Unter ihnen befand sich auch Häuptling Big Foot mit «Geistertanz»-Anhängern aus der Cheyenne Reservation. Die Armee stellte sie schliesslich, und Big Foot ergab sich. Als die Gruppe am 29. Dezember in der Nähe des Wounded Knee Creek entwaffnet werden sollte, fiel ein Schuss – und es kam zum Massaker.

In ihrer Ausgabe vom 4. Januar 1891 übernahmen die «Basler Nachrichten» eine Meldung, die die Schuld den Indianern zuwies. Darin heisst es:

«Die scheinbare Kapitulation der Bande des Häuptling Grossfuss und die späteren Angriffe auf die Mannschaften des 7. Kavallerieregiments, während dieselben die Zelte nach Waffen durchsuchten, waren dem Vernehmen nach zwischen den Kriegern und den Indianerdoktoren verabredet, um die Wirksamkeit der ‹Geisterhemden› in der Abwehr von Kugeln zu erproben.»

Ein «flotter Zug»

Die Schnaebele-Clique, die im Februar an der Fasnacht – wie die «Basler Nachrichten» schrieben – in ihrem «flotten Zug» auf den «Indianerkrieg und das Leben dieses dem Untergange verfallenen Volksstammes» anspielte, ging nicht direkt auf dieses Ereignis ein. Die visuelle Umsetzung des Sujets beschreiben die «Basler Nachrichten» mit folgenden Worten:

«Reich kostümierte Indianer, Trapper, fromme Quäker, Neger, Medicin-men bildeten die Begleiter des Zuges, der sich (…) durch tüchtiges Trommeln hervorthat. – Ein indianischer Wigwam bildete die Laterne.»

Weitere Details lassen sich der vom Muttenzer Künstler Karl Jauslin gezeichneten Cortège-Übersicht von 1891 entnehmen.

So «reitet» im Zug ein «Kunstschütze» mit, dessen Aussehen an Buffalo Bill erinnert. Die Indianer teilen sich auf in solche, die «zivilisiert» sind, und andere, die diesen Schritt nicht gemacht haben. Unter Letzteren sieht man einen in ein Fell gehüllten Medizinmann und einen Pfeife rauchenden Häuptling. Das Indianerzelt, hinter dem der «Präsident der Republik» einherschreitet, wird – etwas überraschend – von vier Matrosen getragen. 



Zweiter Bogen des von Karl Jauslin gezeichneten Basler Fasnachtsumzugs 1891.

Zweiter Bogen des von Karl Jauslin gezeichneten Basler Fasnachtsumzugs 1891. (Bild: Ortsmuseum Muttenz / K J 25.55)

Mancher Franken

Es ist kaum vorstellbar, dass heute ein derart schlimmes Ereignis wie das Massaker von Wounded Knee den Anstoss zur Wahl eines Fasnachtssujets geben könnte.

Weniger befremdlich, wenn auch etwas überraschend wirkt für uns Heutige der damalige Auftritt des Carneval-Comités Quodlibet. Dessen Wagen zierte eine riesige Sparbüchse, mit der das Carneval-Comité zur Sammlung für die Arbeitslosen aufrief. Mit Erfolg, wie dem Fasnachtsrückblick der «Basler Nachrichten» zu entnehmen ist: «Manches Zehncentimesstück und mancher Franken fiel in die herumgereichten Sammelbüchsen und wird zur Linderung von Noth Verwendung finden.» 

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Das Ortsmuseum Muttenz an der Schulstrasse 15 hat in seiner Karl-Jauslin-Ausstellung einen Fasnachts-Schwerpunkt. Es ist jeweils (ausser im Juli und Dezember) am letzten Sonntag des Monats von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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