Ein Jungbauer trotzt dem Bauernsterben

Mit 18 Jahren realisierte Jonas Plattner, dass Landwirt der Beruf ist, der am besten zu ihm passt. Heute ist er 26 und übernimmt den Hof seines verstorbenen Vaters in Reigoldswil. Seine Philosophie: Bescheidenheit.

(Bild: Basile Bornand)

Mit 18 Jahren realisierte Jonas Plattner, dass Landwirt der Beruf ist, der am besten zu ihm passt. Heute ist er 26 und übernimmt den Hof seines verstorbenen Vaters in Reigoldswil. Seine Philosophie: Bescheidenheit.

Der eisige Wind wirbelt Schnee auf. «Ach, ist das schön», sagt Jonas Plattner, die Füsse in gefütterten Gummistiefeln, und stapft in Richtung Stall. Er mag es, wenn es kalt ist. Auch Kühe bevorzugen die Kälte, wird Plattner später erklären. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum er sich ihnen so verbunden fühlt. 

Er tritt in den freistehenden Stall, den sein Vater 1996 bauen liess, als er den Hof in Reigoldswil auf Bio-Produktion umstellte. Die hohen Decken fallen auf, es riecht nach Heu. Ein paar schwarze Rinder schauen neugierig durch die Gitterstäbe. «Das mag ich so an Kühen», sagt Plattner und streicht über ihre Nasen, «diesen ‹Gwunder› und dass sie einen wahrnehmen.»

Die Rinder gehören allerdings einem befreundeten Bauer, der zu wenig Platz hat und sie nur vorübergehend bei ihm unterbringt. Denn noch hat Plattner keine eigenen Kühe. Doch das wird sich bald ändern.




Den Stall liess Plattners Vater 1996 errichten. Er starb sehr früh im Jahre 2010. (Bild: Basile Bornand)

In den Fussstapfen des Vaters

Jonas Plattner wird nicht Bauer, weil es von ihm verlangt wird. Auch nicht, weil er nichts anderes kennt. Sondern weil es der einzige Beruf ist, der zu ihm passe, erzählt der 26-Jährige in der warmen Stube. Der Parkettboden knarrt, alte Holzmöbel prägen die reduzierte Einrichtung. Plattner spricht leise, beinahe scheu, und wählt die Wörter mit Bedacht.

Sein gewelltes, rötliches Haar mit einem Stich ins Orange sitzt als kleiner Dutt auf seinem Kopf, am Kinn ein dichter, voller Bart. Die Haut ist hell, die Augen blau. Er tischt selbstgebackenes Brot auf und dazu ein Glas vom eigenen Most.

«Ich wollte mit den Händen arbeiten und in der Natur», erzählt er weiter. «Ausserdem selbst etwas gestalten können». Obwohl dabei Landwirt als Beruf sehr nahe lag, kam er erst mal nicht darauf. Er war 18 Jahre alt, als ihm das Licht aufging und er sich dafür entschied, wie sein Vater Bauer zu werden.

Schwerer Schicksalsschlag

Um noch etwas anderes als den heimischen Hof kennenzulernen, absolvierte er die dreijährige Ausbildung in auswärtigen Betrieben. Es war mitten in der Ausbildung, als die Familie Plattner ein schwerer Schicksalsschlag traf: Bei seinem Vater wurde ein unheilbarer Krebs diagnostiziert. Er starb innert Jahresfrist. Die Mutter machte mit den zwei Angestellten noch ein Jahr weiter, dann wurde es ihr zu viel. Sie verkaufte die Kühe und stellte den Hofbetrieb ein.

Jonas Plattner fühlte sich nach dem Todesfall nicht bereit, direkt den Hof zu übernehmen. Ausserdem wollte er vorher noch andere Erfahrungen sammeln und so probierte er im Zivildienst oder freiwillig alles aus, worauf er Lust hatte: Rebbauer, Schafbauer, Trockenmaurer, Woofing in Schottland, wo man gegen Kost und Logis auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeitet, und schliesslich Kinderbetreuer. Doch etwas fehlte ihm noch: Leben in der Stadt. Erst vor Kurzem ist er nach drei Jahren Stadtleben wieder aufs Land gezogen.

Seit Januar 2015 hat Plattner den Hofbetrieb offiziell wieder aufgenommen und die 24 Hektar Land sind nun sein Reich. Die Marchmatt, wie der Hof genannt wird, ruht auf einer Erhöhung oberhalb von Reigoldswil im Frenkental, oberes Baselbiet, und hat eine weite Sicht auf Matten, Felder und viele dunkle Waldbüschel. Man hat das Gefühl, alles zu sehen, ohne gesehen zu werden.

Ob ein Landwirt heutzutage mit dieser Einstellung überleben kann? «Genau das will ich ausprobieren», ist seine Antwort. Es ist diese Bescheidenheit, die bei Jonas Plattner auffällt. Er macht gerne sein eigenes Ding, aber am liebsten so, dass es niemand bemerkt.

Dennoch ist er kein Eigenbrötler, der in der Einsamkeit die Erfüllung findet. Er mag den Kontakt zu den Menschen und er mag die Stadt. Deshalb arbeitet er zurzeit noch einen Tag pro Woche im Café des Unternehmen Mitte in Basel.

Solange es geht, will er einen Fuss in der Stadt behalten – auch weil sie für sein angestrebtes Konzept der Direktvermarktung wichtig ist. Er denkt daran, seine Produkte auf dem Markt zu verkaufen und hofft auf Abnehmer aus der Gastronomie. Das Café La Fourchette hat bereits heute den Most seiner Apfelbäume im Angebot.

Doch Plattner hat auch andere Pläne, denn dass Most, Milch und Käse alleine kein Überleben mehr sichern, ist ihm bewusst. So kann er sich zum Beispiel vorstellen, Woofer aufzunehmen, Schlafen im Stroh anzubieten oder einen Hofladen für Wanderer einzurichten. Bereits zweimal hat er den Hof für Anlässe vermietet und möchte dies weiterhin tun.




Bisher die einzigen Tiere auf dem Hof: Zwei Zwergziegen, als «Haustiere». (Bild: Basile Bornand)

Rundherum geben die Bauern auf

Am liebsten jedoch möchte er Kinder auf den Hof holen, zum Beispiel in Form einer Projektwoche oder eines Hofkindergartens. Damit will er ihnen die Entstehung von Lebensmitteln näher bringen – für ihn eine Aufgabe, die man als Bauer unbedingt wahrnehmen muss. 

Noch scheut sich Plattner davor, seinen Ideen einen endgültigen Charakter zu verleihen. Denn lieber benennt er die Dinge erst dann, wenn sie auch umgesetzt sind. Er werde alles Schritt für Schritt angehen und schauen, was sich entwickelt, sagt er. Dabei ist er auch offen für Anregungen von aussen. 

In der Stube hat sich mittlerweile auch seine Mutter an den Küchentisch gesetzt. «In den letzten Monaten haben drei Bauern in der Umgebung ihren Hof verkauft, weil kein Nachfolger da war», erzählt die Mutter, eine zierliche Frau, die heute in einem Spital arbeitet. So ist sie froh, dass sich ihr Sohn für den Hof entschieden hat, auch wenn sie es nicht von ihm erwartet  hat. Gerade geniesst Plattner noch seine Freiheit, bevor die Tiere da sind. Denn er weiss: Dann wird es ernst.

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